Am 7. Mai 2017 feierte der Deutsche Museumsbund (DMB) mit einem großen Festakt im Deutschen Historischen Museum in Berlin sein 100-jähriges Jubiläum. Dieser stand, wie auch die Jahrestagung, mit Digitalisierung, ökonomischer Effizienz und gesellschaftlicher Diversität im Zeichen zukunftsrelevanter Museumsthemen.
In Abgrenzung dazu wurde auf der Tagung, die gemeinsam von der Technischen Universität Berlin und von der Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte e.V. veranstaltet wurde, ganz bewusst zurückgeblickt. Mit Fokus auf museumsgeschichtliche Diskurse und auf Grundlage neuer Forschungen sollten relevante Protagonist_innen und Aktivitäten ausgemacht sowie Kontinuitäten, Brüche, Konflikte und Impulse in der Geschichte des DMB nachgezeichnet werden. Die Tagung ist damit Teil einer vor etwa 15 Jahren einsetzenden museologischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des DMB, die zuvor vor allem, maßgeblich durch Wolfgang Klausewitz geprägt, verbandsintern erfolgte.[1] In Rahmen dieser jüngeren museumsgeschichtlichen Perspektive auf den DMB wurde dieser im Kontext der Museumsreformbewegung, Kunstmuseen und des Nationalsozialismus bis 1945 untersucht, während die Zeit danach erst seit kurzem in das Interesse der Forschung rückt.[2] Ziel der Tagung, so die Organisatorinnen Kristina Kratz-Kessemeier und Andrea Meyer, sei davon ausgehend eine Erweiterung der Perspektive, indem über die historische Selbstverortung des DMB hinaus für die Museumsgeschichtsschreibung neue Impulse gesetzt würden. Das Programm bestand aus chronologisch angeordneten Impulsvorträgen von Kunsthistoriker_innen, Historiker_innen und Museumswissenschaftler_innen und einer anschließenden Podiumsdiskussion mit den Referent_innen.
Den Beginn machte Jana Baumann (Frankfurt a. M.), die die Gründungsgeschichte des DMB von 1917 bis in die 1920er Jahre hinein nachzeichnete und in den Kontext der damaligen deutschen Museumsreformbewegung setzte. Sie gab dabei detailliert Auskunft über avantgardistische Tendenzen des frühen DMB in der Sammlungs- und Ausstellungspraxis von Kunstmuseen und nannte wichtige Protagonisten dieser Entwicklung, wie Karl Koetschau, Gustav Pauli, Gustav Hartlaub, Georg Swarzenski, Ludwig Justi oder Alexander Dorner. Dabei zeigte sie schlaglichtartig die Anfänge dieser neuartigen musealen Strategien und bezeichnete den DMB als einen wichtigen „Impulsgeber“. Andrea Meyer (Berlin) schilderte in ihrem Vortrag ein im frühen DMB rege und konfliktreich diskutiertes Thema: die Verortung der eigenen Mitglieder gegenüber dem Kunsthandel. Anhand der Diskussion der (letztendlich unterschiedlich auslegbaren) Würzburger Grundsätze des DMB von 1918 zeichnete sie die komplexe Lage des Kunstmarkts nach dem Ersten Weltkrieg und die divergierenden Interessen der DMB-Mitglieder nach. Gegen den Willen der Museumsdirektoren Pauli und Koetschau – der sich während der gesamten 1920er Jahre unentwegt für die unentgeltliche Gutachtertätigkeit von Museumsbeamten einsetzte – tolerierten die Mitglieder mit ihren Beschlüssen auf der Würzburger Jahrestagung letztlich die den Ruf ihres Standes schädigende Verflechtung von Museum und Markt. Der zum Abschluss des ersten Teils geplante Vortrag von Petra Winter (Berlin) zum Archiv des DMB im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin entfiel.
Den zweiten Teil der Vorträge leitete Lukas Cladders (Berlin) mit einem Beitrag zur Rolle des DMB im internationalen Kontext der Zwischenkriegszeit ein. Er fokussierte sich dabei auf die erste internationale Museumsorganisation, das Office international des musées, mit Sitz in Paris und verortete den DMB damit als Teil eines neuen internationalen museologischen Netzwerks. Cladders wies jedoch darauf hin, dass sich trotz erster Ansätze des Austauschs zwischen 1927 und 1933 keine verbindlichere Zusammenarbeit etablierte. Der wohl schwierigsten Aufgabe stellte sich Kristina Kratz-Kessemeier (Berlin) mit dem Versuch, die noch wenig erforschte Geschichte des DMB von der Zeit des Nationalsozialismus bis ans Ende der 1960er Jahre mit ihren Kontinuitäten und Brüchen zu analysieren. In ihrer Analyse der Positionierungen von DMB-Akteuren, wie Karl Hermann Jacob-Friesen oder Otto Kunkel, sowie der inhaltlichen (Neu-)Ausrichtungen nach 1933 und 1945 konstatierte Kratz-Kessemeier für die 1960er Jahre eine Wiederaufnahme der Reformgedanken und des ästhetischen Bildungsideals der 1920er Jahre, während zugleich personelle Kontinuitäten seit der NS-Zeit den 1957 von den Kultur- und Kunstmuseen reaktivierten, 1960 offiziell in Hannover wiederbegründeten DMB prägten. Auch die Lage des DMB während des Nationalsozialismus beleuchtete sie differenziert und zeigte deutliche NS-Affinitäten bis 1939 auf, aber auch kritischere Haltungen, die stärker im Bereich der naturkundlichen Museen zutage traten. Den Abschluss der Vorträge bildete Anne Wanner (Wien) mit einem Beitrag zum Verhältnis des DMB zum Rat für Museumswesen in der DDR. Mittels dreier Quellenbeispiele von 1967, 1975 und 1992 erörterte sie wesentliche Unterschiede der Organisationen, die sie vor allem an der politischen Abhängigkeit des Rates für Museumswesen festmachte. Sie zeigte, wie diese trotz aller Verschiedenartigkeit, sowohl zur Festigung des eigenen Selbstbildes, als auch zur Abgrenzung zur jeweils anderen Organisation, aufeinander Bezug nahmen. Abgesehen von Kratz-Kessemeiers und Meyers Vorträgen basierten die Beiträge auf laufenden oder kürzlich abgeschlossenen Promotionsprojekten, in denen jedoch der DMB mit seiner Geschichte nicht im Zentrum steht.[3] Diese Perspektivierung in den Forschungsarbeiten wirkte in den Vorträgen nach, woraus sich teilweise sehr spezifische Blicke auf die Geschichte des DMB ergaben. Zudem waren nahezu alle Beiträge, sicherlich auch den Schwerpunkten im DMB bis 1929 und nach 1960 folgend, stark durch die Expertise zur Geschichte von Kunst- und Kulturgeschichtsmuseen geprägt. Die tragende Rolle beispielsweise der DMB-Naturkundemuseen im Nationalsozialismus, die von der Propagierung des NS-„Rassekundemuseums“ bis hin zur kritischen Distanz des 1944 hingerichteten DMB-Protagonisten Walther Arndt reichte, wurde demgegenüber nur kurz angeschnitten.
Die Podiumsdiskussion kam zu dem Fazit, dass eine weitere historische Untersuchung des DMB von großer Bedeutung für museumshistorische und diskursanalytische Fragestellungen wäre, etwa in Bezug auf die Wandlung des Bildungsbegriffes in der Museumsarbeit des 20. Jahrhunderts. In allen Vorträgen war das Konzept der (Volks-)Bildung ein Thema, aber auch das Reformpotenzial und der Wirkkreis des DMB. Ebenso stießen der Einsatz des DMB für moderne Museumsneubauten nach 1945 sowie reformorientierte Ausstellungspraktiken auf großes Interesse. Es wurde als lohnend erachtet, die Rolle der unterschiedlichen Museumstypen genauer zu untersuchen. Zum Ende stellte der Moderator Alexis Joachimides (Kassel) die Frage nach der Relevanz des DMB im Wandel der Zeit bis heute. Die Runde kam zu dem Schluss, dass die Einflussmöglichkeiten des DMB jeweils von der politischen Lage, aber vor allem auch von engagierten Mitgliedern, insbesondere den Vorsitzenden, abhingen. Der DMB habe sich stets in erster Linie an Museen und Museumspersonal gerichtet und sei heute eine wichtige Referenzinstitution für strukturelle Entscheidungen, die Museen betreffen. Zugleich sei er aber auch wesentliche Größe für die Museumsgeschichtsschreibung, in deren Genese sich seit 1917 zeitgenössische Museumsdiskurse und die jeweilige Rolle der Museen in wechselnden politischen Systemen spiegeln.
[1] Wolfgang Klausewitz, 1975–1983 Vorsitzender des DMB verfasste mehrere Beiträge zur Geschichte der Institution. Hervorzuheben ist „66 Jahre Deutscher Museumsbund“ (1984), weitere Aufsätze zum Thema erschienen in der DMB-Zeitschrift „Museumskunde“.
[2] Vgl. Alexis Joachimides: Die Museumsreformbewegung in Deutschland und die Entstehung des modernen Museums 1880-1940, Dresden 2001; Christian Saehrendt: Zwischen Vernissage und Saalschlacht. Der Deutsche Museumsbund und sein Kampf für moderne Kunst 1925-1937, in: Museumskunde, Bd.68, Heft 2, 2003, S. 112-121; Kristina Kratz-Kessemeier: Für die „Erkämpfung einer neuen Museumskultur“. Zur Rolle des Deutschen Museumsbundes im Nationalsozialismus, in: Tanja Baensch/dies./Dorothee Wimmer (Hg.): Museen im Nationalsozialismus. Akteure – Orte – Politik, Köln/Weimar/Wien 2016, S. 23–44.
[3] Vgl. Jana Baumann: Museum als Avantgarde. Museen moderner Kunst in Deutschland 1918-1933, Berlin/München 2016; Lucas Cladders Dissertation „Alte Meister – Neue Ordnung. Kunsthistorische Museen in Berlin, Brüssel, Paris und Wien und die Gründung des Office International des Musées (1918–1930)“ erschien im Dezember 2017 im Böhlauverlag. Anne Wanner promoviert seit 2011 im Rahmen des Stipendienprogramms der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zum Thema „Kampf um die Geschichte. Deutsch-deutsche Museumsgeschichte zwischen Abgrenzung und Verflechtung 1971-1989“.
Empfohlene Zitation:
Alina Strmljan: [Tagungsbericht zu:] 100 Jahre Deutscher Museumsbund im Rückblick (Technische Universität Berlin, 07.07.2017). In: ArtHist.net, 07.02.2018. Letzter Zugriff 22.12.2024. <https://arthist.net/reviews/17301>.
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