Die erste Konferenz der 2016 gegründeten International Art Market Studies Association (TIAMSA) widmete sich der historischen und aktuellen Forschung zum Thema Kunstmesse. Dieser zentrale Schauplatz des Kunsthandels wurde im Rahmen der dreitägigen Veranstaltung aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, in seinen Strukturen untersucht, kritisch reflektiert und diskutiert. [1]
Den Auftakt bildete die Sektion „Mapping the Art Fair I“, geleitet von Olav Velthuis, die schlaglichtartige Einblicke in die Entwicklungen der Kunstmessen in Europa, Südamerika und China gewährte. Der von Rachel Pownall vorgestellte, visuell ansprechend aufbereitete Bericht zur The European Fine Art Fair 2017 (TEFAF) führte zu einer Diskussion über die schwierige Analyse von Marktergebnissen. Die Problematik der Visualisierung von Daten und der daraus zu ziehenden Schlüsse zog sich wie ein roter Faden durch die Konferenz, was die Schwierigkeit unterstreicht, sich den komplexen Prozessen des Kunstmarkts durch farbige Diagramme und nüchterne Statistiken zu nähern. Dennoch bietet der TEFAF-Bericht ein Beispiel für mögliche Methoden der analytischen und empirischen Erhebung, aber auch ihrer Grenzen. Der folgende Vortrag von Nadine Oberste-Hetbleck widmete sich dem historischen Werdegang der Art Cologne. Bekanntlich verschloss sich die Kölner Messe nach ihrer Gründung im Jahr 1967 zunächst den nicht-rheinländischen Galerien. Erst im Zuge der sich steigernden Messekonkurrenz innerhalb und außerhalb Europas kam es zu einer (Zwangs-)Öffnung, die jedoch kontrolliert verlief. Auf die anschließende Frage, wie sich der zeitgenössische Messemarkt seit seiner Wiederbelebung in den 1960er Jahren in seinen Strukturen verändert habe, erklärte Velthuis, dass im Vergleich mit historischen Märkten viele Ähnlichkeiten erkennbar wären. Es folgte eine Diskussion zu einer vermuteten Homogenisierung des Marktes und der künstlerischen Positionen sowie zur Statik der Sehgewohnheiten und des Kaufverhaltens. Die folgenden Parallelsektionen widmeten sich den „Standards of Quality and Vetting“ (Sektion 2) sowie der historischen und geografischen Kontextualisierung von Kunstmessen (Sektion 3).
Im ersten Beitrag der Sektion 2 erklärte Deborah Schultz die Entwicklung von kuratierten Galerieständen mit dem Bestreben einiger Galeristen, ihren Stand als Erweiterung des institutionalisierten Ausstellungsraums präsentieren zu wollen. Es folgte ein Vortrag zur Rolle der Kunstmessen bei der Definition von Marktpreisen. Schnell zeigte hier sich die Schwierigkeit, sichere Daten über Preisentwicklung, Veränderung und Anpassungen zu erheben. Die aus der Literatur gewonnenen Daten suchte die Vortragende, Erica H. Coslor, durch Feldforschung zu ergänzen. An den Vortrag schloss sich eine Diskussion über die tatsächlichen Umstände und Prozesse der Preisgenerierung an, wobei sich die Erfahrungen hier mitunter kontradiktorisch gegenüber standen. Die Prüfung der Authentizität von Kunstwerken beim sog. „Vetting“ wurde von Yasmin Railton thematisiert: Die Vermarktung von technischen Innovationen, vor allem im Rahmen der TEFAF ziele auf die Festigung des Vertrauens der Besucher und Käufer. Die aufwändige Werbung der TEFAF stelle bezeichnenderweise die Untersuchungstechnologien und nicht den Experten in den Vordergrund. Dies warf die kritische Anmerkung auf, dass jede Maschine nur so gut sei, wie der Fachmann, der sie bediene. Demnach sei zu hinterfragen inwieweit sich diese Form des Marketings zu einem „blinding with science“ entwickle. Thematisch knüpfte sich an diese Debatte die Problematik der Provenienzforschung an, die den Kunsthändlern im Rahmen der TEFAF und der Masterpiece London von den Veranstaltern verlangt wird. Hier zeigte Gareth Fletchers Feldforschung, wie uneinheitlich die Vorgaben umgesetzt werden. Anschließend wurde die Frage nach den Möglichkeiten der Kunsthändler, solche Ansprüche tatsächlich einzulösen, ebenso wie das Problem des unwissentlichen Verkaufs von belastetem Kulturgut diskutiert. Stephanie Dieckvoss erörterte in ihrem Vortrag die Rolle von Künstlern auf Kunstmessen, besonders die wachsende Bedeutung ihrer unmittelbaren Präsenz. Künstlerische Aktionen wie Performances und Happenings werden immer mehr zu einem selbstverständlichen Bestandteil von Kunstmessen, wobei sich eine zunehmende Instrumentalisierung derselben abzuzeichnen scheint. Protest und Provokation werden zu einem Bestandteil des Lifestyle-Events Messe, erreichen aber selten eine politisch relevante Schwelle der Aufmerksamkeit.
Hua Shuo, University of Hong Kong (CN) ermöglichte mit ihrem Beitrag „When Art Meets New Money: Chinese Participation in Art Fairs in Hong Kong since the 1990s“ einen Einblick in die Entwicklung der Galerie- und Messeszene in Hong Kong in Wechselwirkung zum restlichen China. Die Sektion III setzte sich darüber hinaus mit den Möglichkeiten, Voraussetzungen und Problematiken von Kunstmessen in China auseinander und reflektierte ebenfalls die Rolle von chinesischen Akteuren auf den westlichen Messen.
Die Keynote am Freitagabend, ein Gespräch zwischen Noah Horowitz, Director Americas der Art Basel, und Olav Velthuis, bot Einblicke in die Entwicklungsstrategie und Philosophie der Art Basel. Wenig überraschend konzentrierte sich die Diskussion streckenweise auf die wenigen „Global Players“ im Kunstmarkt. Die Unterrepräsentation von jungen und mittelständigen Galerien auf der Art Basel wurde kaum thematisiert. Das Programm zur Förderung junger Galerien im Rahmen von Nebenschauplätzen während der Messe erschien durchaus als verschleiernd. 98 Prozent aller derzeit teilnehmenden Galerien kommen im Folgejahr wieder, demnach klein ist die Wahrscheinlichkeit an diesem Event teilzunehmen. Auffällig war hier im Besonderen die fehlende Reflexion über die jahrelange Aufbauarbeit von künstlerischen Positionen durch Galerien. Das Gespräch war auch im Hinblick auf die Kosten einer Teilnahme an der Art Basel interessant: alles in allem belaufen sich diese auf rund 150.000 bis 250.000 € (800 € – 850 € pro qm Messestand zzgl. weiterer Kosten wie Transport, Versicherung, Reise). Auch Velthuis’ Frage nach dem sogenannten 8-figures-game sorgte für Kopfschütteln: Hinter diesem „Spiel“ steht die Frage, welche Galerien beim Umsatz auf der Messe als erste (!) die 10 Millionen-Grenze überschreitet. Die Publizität um solche „Spielereien“ einiger Akteure kann für die Szene durchaus unerwünschte Nebenwirkungen haben, da sie nicht nur auf die Mittelschicht der Käufer abschreckend wirkt, sondern darüber hinaus einen Imageschaden für den gesamten Berufsstand nach sich zieht.
Die Begleitprogramme zu Messen und anderen Veranstaltungen des Kunstmarkts werden aktuell immer umfangreicher und bieten den Besuchern neben der Kunst ein weites Informationsangebot. Karen Van den Berg stellte mit ihrem Vortrag in der zweiten Plenarsektion (Mapping the Art Fair II) die Frage, inwieweit diese Entwicklungen in eine Marketingstrategie eingebettet sind. Die Idee, dem Publikum durch Vorträge und Podiumsdiskussionen den nebligen Kunstmarkt zu erklären, antwortet auf ein Bedürfnis nach Transparenz. Die Frage, ob solche Veranstaltungen tatsächlich mehr Transparenz als Verwirrung bringen, blieb vorerst offen, doch konnte der Vortrag ein notwendiges Bewusstsein für die Hintergründe solcher Angebote wecken.
David Bellingham stellte in seinem Vortrag eine kulturpsychologische These zur Selbstdefinition von Kunstmessen vor. Er belegte die architektonische und funktionale Nähe der Messearchitektur zu edlen Einkaufszentren mittels zahlreicher Beispiele. Die Schwierigkeit, sich sowohl in einem Shopping-Center als auch auf einer größeren Messe zu orientieren, ist hierbei nur ein Beispiel dieser Verwandtschaft. Das zeitlich begrenzte Ereignis einer Kunstmesse wird architektonisch passend gerahmt und durch die Präsenz der Kulturelite unterstrichen. Die sich daraus ergebenden Synergien machen die Kunstmesse zu einem wirkungsvollen Lifestyle-Event.
Der Vortrag „Mapping Diversity in the contemporary Art Market“ von Elisabetta Lazzaro und Nathalie Moureau hielt sich eng an Daten, die von artfacts zur Verfügung gestellt waren. Diese Kooperation zeigt Möglichkeiten der Erschließung von umfassenden Informationen zum Kunstmarkt und seiner Entwicklungen und kann damit Entscheidungen zur strategischen Ausrichtung erleichtern. Allerdings wurde in der Diskussion die Frage nach der Verlässlichkeit dieser Daten und damit auch nach ihrer Anwendbarkeit gestellt. Es wurde angemerkt, dass es sich bei artfacts um ein gewinnorientiertes Unternehmen und nicht um eine unabhängige Institution handelt, und dass in der Regel nur Daten von zahlenden Galerien ins System eingearbeitet werden, was auch deren Gewichtung beeinflusst.
Am Nachmittag wandte sich Sektion 5 den experimentellen Formen der Kunstmesse zu. Norma Ladewig erörterte mit ihrem Vortrag, „The 1960s and 1970s West German Art Fairs as Laboratories of Democracy“, die Bedeutung von Kunstmessen für die politische Positionierung der Kulturszene. Die von dominierenden Akteuren geprägten Hierarchien führten in den 1960er und 1970er Jahren zu Protesten – sowohl seitens der Kunsthändler als auch der Künstler. Die damalige Debatte verstummte im Laufe der Zeit immer mehr, hat aber mit Blick auf die derzeitige Situation wenig an Aktualität verloren. Es stellt sich die Frage, inwieweit ein medienwirksamer Protest kleiner und mittlerer Galerien in Deutschland in ähnlicher Form und Kraft wieder angebracht wäre. Auch Martin Hartung analysierte in seinem Vortrag „Politics of the Art Fair 1967-73“ die mediale Inszenierung der Proteste von Joseph Beuys, Wolf Vostell und anderen Akteuren jener Zeit. Der Blick zurück ließ die Kraft des Künstlerprotestes und dessen politische Wirksamkeit lebendig werden.
Zurück in der Gegenwart analysierte Ronit Milano die Bedeutung der online-Präsenz von Kunstmessen und deren Wirtschaftlichkeit. Die oft beschworene Tendenz hin zur rein virtuellen Galerie scheint sich auch im Rahmen der umfassenden Digitalisierung des Marktes nicht zu bewahrheiten. Vielmehr unterstützt und ergänzt auch im Kontext der Kunstmesse eine gut betreute Internetpräsenz durch Sichtbarkeit sowie unkomplizierte Zugänglichkeit zu Informationen über Kunst und Künstler das Kontaktnetz zur Käuferschaft. Die weitverbreitete Annahme, dass man über facebook und instagram keine Käufer finde, erhärtet sich bei ausdauernder und professioneller Bespielung solcher Plattformen aber ebenfalls nicht.
Das breitgefächerte Konferenzprogramm bot vielseitige Perspektiven auf die historischen und aktuellen Entwicklungen der Kunstmesse und des Kunstmarktes. Gerade die Reflexion über vergangene Entwicklungen erwies sich immer wieder als ein Schlüssel für das Verständnis heutiger Vorgänge – etwa im Vortrag von Filip Vermeylen und der ersten Keynote von Sophie Raux zur Entstehung und Entwicklung der Kunstmesse in den südlichen Niederlanden des 15.-17. Jahrhunderts. Darüber hinaus eröffnete die bemerkenswerte Interdisziplinarität der Tagung eine Vielfalt von Reflexions- und Diskussionsansätzen.
[1] Die Tagung gliederte sich in sechs Sektionen, die vier Nachmittagssektionen (Sektionen 2 und 3 sowie 5 und 6 fanden parallel statt, daher können hier nicht alle behandelten Felder referiert werden. Programm unter: https://arthist.net/archive/15568.
Empfohlene Zitation:
Helene Bosecker: [Tagungsbericht zu:] The Art Fair - The 2017 TIAMSA Conference (London, Sotheby’s Institute of Art, 12.–15.07.2017). In: ArtHist.net, 25.11.2017. Letzter Zugriff 26.12.2024. <https://arthist.net/reviews/16777>.
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