REV 28.11.2017

Liturgical Life and Latin Learning at Paradies bei Soest, 1300-1425

Rezensiert von Yvonne Arras, Tübingen
Redaktion: Livia Cárdenas
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Aus dem ehemaligen Dominikanerinnenkloster Paradies bei Soest, 1252 gegründet und 1808 säkularisiert, sind mehrere illuminierte Chorbücher des 14. und 15. Jahrhunderts von herausragender Qualität erhalten geblieben. Da derart opulente Relikte von der musikalischen Kultur der mittelalterlichen Dominikanerinnen rar sind, weckten diese Bücher bereits vor Jahrzehnten das Interesse der Forschung.[1] Einer umfassenden, modernen wissenschaftlichen Ansprüchen Genüge leistende Untersuchung wurde das Ensemble indes noch nicht unterzogen. Das vorliegende Opus erfüllt nun dieses Desiderat in fulminanter Art und Weise.

Zehn Jahre hat das interdisziplinäre Autorenkollektiv die Codizes unter kunsthistorischen, musikwissenschaftlichen und theologischen Gesichtspunkten erforscht. Ergebnis ist ein wahrhaft gewichtiges Monument von 1417 überwiegend bebilderten Seiten im Großfolioformat verteilt auf zwei Bände, inklusive mehreren hundert Farbtafeln und umfangreichen Quelleneditionen. Kurz: Eine Publikation, die im Bereich der Forschungsliteratur zu Frauenklöstern bereits hinsichtlich der Ausstattung ihresgleichen sucht.

Gegenstand des Werks sind vor allem ein zweiteiliges Antiphonar aus dem frühen 14. Jahrhundert, ein Graduale aus dem Ende des 14. Jahrhunderts und ein um 1420 zu datierendes Graduale. Diese Bücher, die heute in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf aufbewahrt werden, stammen aus dem Kloster Paradies. Berücksichtigt wurde außerdem ein für den dominikanischen Brüderkonvent in Dortmund hergestelltes Graduale, welches sich noch heute in der dortigen, ehemaligen Klosterkirche, der heutigen Probsteikirche, befindet. Darüber hinaus flossen verstreute Fragmente aus unterschiedlichen Zeiträumen in die Studie ein, deren Provenienz aus Paradies vernutet wird. [2]

Der erste Band besteht aus 28 Kapiteln, die sich auf sechs Themenbereiche („parts“) verteilen. Zunächst (11-90) werden Gründung und Entwicklung („growth“) des Klosters Paradies geschildert. Infolge der Fragestellung der Studie bildet hierbei die Konturierung der „intellectual horizons“ der Klosterfrauen einen Schwerpunkt (43-90) der Darstellung. Diesen geistigen Horizont versuchen die Autoren und Autorinnen anhand der Ausbildung der Klosterfrauen in den „Convent Schools“, wie auch durch Analyse des aus dem unweit gelegenen Dominikanerinnenkloster in Lemgo erhaltenen Bibliothekskatalogs zu extrapolieren.

Teil zwei (93-207) widmet sich der ehemaligen Paradieser Klosterbibliothek. Neben einer aus archivalischen Quellen geschöpften Darlegung von deren Zerstreuung nach der Säkularisation (93-109), werden hier vor allem die fünf Chorbücher kodikologisch und inhaltlich beschrieben, die Gegenstand der Arbeit sind.

Die Teile drei bis sechs beschäftigen sich mit inhaltlichen Aspekten dieser Chorbücher, wobei freilich deren liturgische Funktion im Mittelpunkt des Interesses steht. So fokussieren die drei Kapitel des dritten Teils auf Lieder und Gesänge, die von den geistlichen Frauen dargeboten wurden. Ausführlicher diskutiert wird dabei unter anderem die Sequenz zum bekanntlich auf Thomas von Aquin zurückgehenden Fronleichnamsfest, deren Entstehung und Einführung im Sangesrepertoire der Dominikanerinnen. Da den sehr musikwissenschaftlich unterfütterten Ausführungen dieses Teils im Wesentlichen das Graduale zugrunde liegt, ruht der Schwerpunkt auf der dominikanischen Liturgie der Messe.

Von der künstlerischen Ausstattung handeln schließlich die Teile vier bis sechs. Aus kunsthistorischer Perspektive an die zuvor gebotene musikwissenschaftliche Erörterung anknüpfend, werden nun die annähernd 500 Miniaturen des Graduales und das aus floraler Ornamentik bestehende „visual framework“ (288) der einzelnen Seiten erläutert (285-497). Die stilistischen Überlegungen dienen auch zur Untermauerung der Datierungsthese des Buches auf 1375–1380. Die Reihenfolge dieser Darlegung ist der Chronologie des Kirchenjahres verpflichtet und beginnt daher mit der Adventszeit. Anschließend führt ein umfangreicher Abschnitt die im Kloster kultivierte Heiligenfrömmigkeit vor Augen (501–732). Das letzte Kapitel des Buches analysiert die künstlerische Ausgestaltung der Inschriften, die auf den Seiten in Form von „nomina sacra“, Schriftbändern, etc. erscheinen (735–766). Diese Inschriften – z.B. biblische Verse – sind deswegen bemerkenswert, weil sie von theologischen Kenntnissen der Nonnen zu zeugen scheinen. Eine konzentrierte Zusammenfassung aller Kapitel beschließt Band eins.

Band zwei des Werks beinhaltet Editionen der für die Ausarbeitungen des ersten Bandes herangezogenen Quellen (3–93) und Bildtafeln. Letztere beanspruchen den mit 432 Seiten weitaus größten Raum des 636 Seiten umfassenden zweiten Bandes, welcher auch eine Bibliographie und Indices umfasst.

Durchgängig spürt man die Ambitionen, die die Autoren und Autorinnen auf dieses Opus verwendet haben. Und zweifellos vermögen sie die Liturgie der mittelalterlichen Dominikanerinnen mit einer bisher nicht gekannten Detailgenauigkeit darzulegen. Deshalb liegt vor allem hierin der Wert des Werks: Es ist eine liturgische Fundgrube und kann in dieser Hinsicht sicherlich als neues Standardwerk bezeichnet werden.

Gleichwohl: Etwas weniger Pathos und mehr Rationalität hätten vielleicht auch den kritischen Blick geschärft. Zunächst ist festzustellen, dass die Vorstellung von hochgebildeten Klosterfrauen, welche die vorliegende Studie vermittelt, sehr genau die Auffassung reflektiert, zu der die internationale Frauenklosterforschung in den vergangenen Jahren gelangt ist. Indes beruht Vieles in dem Werk lediglich auf Hypothesen. Ob die Frauen tatsächlich alles selbst und aus eigenem Ermessen heraus geschrieben haben, ist ebenso wenig gesichert, wie die Ansicht, die Nonnen hätten die Illustrationen aus ihrem gleichermaßen nur vermuteten theologischen Wissensfundus heraus gemalt. Völlig außer Acht bleibt dabei die Rolle der Seelsorger, die für die Paradieser Nonnen zuständig waren. Der Hinweis auf den Anteil von Albert Magnus an der Gründung von Paradies ist wenig zweckmäßig, weil die Bücher teils mehr als hundert Jahre später entstanden sind. Die Dominikaner, die in jener Zeit für die cura der Schwestern verantwortlich zeichneten, hätte stärker berücksichtigt werden müssen – wenn es denn überhaupt Ordensleute waren.

Sodann staunen die Autoren offenbar darüber, wie sich der Konvent derart prachtvolle Bücher leisten konnte. [3] Doch muss hierzu festgestellt werden, dass liturgische Bücher in Klöstern schlicht notwendig waren; Instrumente, wodurch die Frauen überhaupt in die Lage versetzt wurden, den Chordienst zu verrichten. Die Anschaffung solcher Bücher ist also keine Frage des Sich-leisten-könnens, sondern sie betrifft die elementare Aufgabe einer monastischen Einrichtung.

Außerdem ist die Methodik problematisch. Das Buch zielt darauf, die Bildung der Nonnen anhand ihrer Bibliothek quasi abzulesen. Und die untersuchten Chorbücher werden dabei offenbar als klostereigenes Bibliotheksgut betrachtet. Jedoch stammt zum einen der herangezogene Bibliothekskatalog gar nicht aus Paradies, sondern aus dem benachbarten Lemgo. Zum andern gehörten liturgische Bücher nicht zur „Klosterbibliothek“, denn sie hatten im Chor des jeweiligen Konvents ihren festen Platz. Aufgrund von Größe und Gewicht dieser Bücher ist ein ständiger Transport zu den täglichen Chordiensten undenkbar.

Entsprechend der in der Literatur vorherrschenden Vorstellung einer geschlossenen Konventsbibliothek, die alle im Kloster befindlichen „Bücher“ beherbergte, findet in dieser Studie eine Verquickung von Lektürestoff und Liturgie statt. Fraglich ist, ob diese Konstruktion den realhistorischen Sachverhalten tatsächlich gerecht wird. Es mag in den im 19. Jahrhundert angelegten Inventarverzeichnissen von Klosterbibliotheken die Rede sein. Doch steht deswegen noch lange nicht fest, dass dies im Mittelalter so war. Diesbezüglich sollte nicht einfach zurückprojiziert werden.

Problematisch ist schließlich auch, dass entschieden wurde, die einzelnen Beiträge nicht mit dem jeweiligen Autornamen zu versehen. Grund dafür ist die enge Kollaboration des Kollektivs, weswegen mehrere Kapitel von mehreren Autoren geschrieben wurden. Der Verzicht auf Namen führt indes dazu, dass der Leser ständig in der Einleitung (die sehr ausführlich ist) nachschlagen muss, um in Erfahrung zu bringen, von wem die jeweilige Passage stammt – bei einem Buch dieser Größe und diesen Umfangs ein durchaus aufwändiges Verfahren. Es ist auch deswegen unglücklich, weil die Verweise darüber hinaus fehlerbehaftet sind. Susan Marti beispielsweise hat nicht etwa in Part II die Kapitel 2 und 3 geschrieben, wie es auf S. XI heißt, sondern die Kapitel 4 und 5. Überhaupt weist das Buch zahlreiche Orthographiefehler auf.

Zwar hätte gerade dieses Projekt Raum geboten, um einige Fragen der Frauenklosterforschung kritischer zu reflektieren. Aber insgesamt wird das Werk seinem Anspruch gerecht, denn es bietet der Forschung zur Liturgie der Dominikanerinnen umfangreiches, neu erschlossenes Material sowie Reflexionen und damit eine Anlaufstelle, derer sie bisher ermangelte.

[1] Brigitte Berkenkamp: Zwei Bände eines Antiphonars aus dem Kloster Paradies bei Soest: Ein Beitrag zur westfälischen Buchmalerei um 1300, (Diss.) München 1967.
[2] Über die in der Houghton Library der Harvard University befindlichen Fragmente publizierte Hamburger bereits, vgl. etwa Leaves from Paradise: The Cult of John the Evangelist at the Dominican Convent of Paradies bei Soest, hg. von Jeffrey Hamburger, Cambridge/Ma. 2008 (Houghton Library Studies 2).
[3] Vgl. dazu auch Eva Schlotheuber: Bücher aus Frauenhand. Die Chorbücher der gelehrten Dominikanerinnen aus Paradiese [!] bei Soest, in: „Das Paradeis fanden wir…“ Streifzüge durch die Bücherwelten der ULB Düsseldorf, hg. v. Irmgard Siebert, Frankfurt am Main 2017 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderband 121), S. 219-235, hier S. 221.

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Response by the editors of the reviewed book [18.12.2017]

The reviewer states that the book reflects the consensus at which research on female monasticism has arrived over recent years. Nothing could be farther from the truth. The book offers a radical revision of received opinion regarding the education of monastic women, in particular, in the Dominican order. In this context, the fact that Albertus Magnus played a role in the founding of the convent is critical in so far as, the lasting significance of founders aside, it can be shown that writings attributed to Albert had an impact on the unparalleled iconographic program of the manuscript that is at the heart of the study, the gradual D 11 in Düsseldorf.

The reviewer asks that more attention be given to the Dominicans who were active at the time the manuscripts were made, if in fact they were Dominicans. Actually, our book does indeed discuss such figures, including Jacobus von Soest, Heinrich von Herford, Heinrich von Hellewagen and others, to the extent the sources permit. And to suggest that men belonging to another order were responsible for the cura monialium at the cloister, besides flying in the face of all the historical evidence presented in the book, both statutory (constitutions) and material (the manuscript, Dortmund B 6, which the nuns made for their confessors in Dortmund), would contradict the known history and norms of the Dominican order.

The reviewer suggests that we, the authors, are astonished that the nuns could make such books. Yes, of course, liturgical books were necessary, and there is considerable evidence of their production within other female monastic communities, much of which we review. But the books from Paradies are utterly exceptional; they are the most extensively illustrated liturgical manuscripts of the entire Middle Ages, whether made for men or women. The images constitute a running commentary on the liturgy equivalent to that found in commentaries such as that by Durandus, something which the review fails to mention. There are no others like them extant. This, not that the fact that liturgical books were made by nuns – something which the book also discusses and documents – was the source of our justified astonishment. And to suggest, as the reviewer does, that the nuns might not have made these books can be rejected on the basis of the inscriptions in the books themselves: the colophon to the gradual B 6 in Dortmund states explicity: “Hunc librum scripsit, notavit et cum labore complevit soror Elizabet de luenen ordinis fratrum predicatorum in paradyso fratribus eiusdem ordinis in tremonia ob perpetuam sui memoriam” (“Sister Elisabeth von Lünen of the order of the Preaching Friars wrote, notated and, with great toil, completed this book in Paradies for the brothers of the order in Dortmund for her memory in perpetuity”). And that in the Gradual D 12 states “Sister Hadewig of Ludenscheyde and sister Elisabeth Schilling had this book made (comparaverunt) at their own expense. And sister Elisabeth Rathus wrote it. May their souls rest in peace.” Colophons require differentiated readings, but how much clearer does the evidence have to be, all the more so as these nuns and their families are, as we show in great detail, documented extensively in contemporary records.

The reviewer complains that in using the many inscriptions in the manuscripts to suggest a reconstruction of the convent’s library and hence its intellectual resources we turned to the library catalogue of the nearby Dominican convent of Lemgo. What she fails to mention is that this precious and previously unpublished source comes from the only other Dominican convent in Westphalia, one that had historic connections to Paradies, and one whose catalogue therefore has probative value when it comes to reconstructing the library of its sister convent, all the more so given that the inscriptions at Paradies draw on quite a number of the same textual sources. The choir books as such naturally do not form part of our reconstruction of the library, but the sources of the inscriptions provide powerful evidence as to the content of that library, a reconstruction made plausible by comparison with the catalogue from Lemgo, as adjacent a source as one could hope to find.

Perhaps most puzzling in the reviewer’s remarks is that the liturgical books would have been too heavy to transport back and forth to the choir where they were used. To this it can observed, first, that they would have been carried back and forth to the sacristy, where they would, as a rule, have been housed. Moreover, when they were made, which is when the integrated inscriptions were incorporated, they would have been produced in either the library or scriptorium, if, in fact, either occupied a fixed place in the convent, which at this date was hardly always the case. The reviewer’s observation regarding the value of the 19th-century inventories which we used to trace the history of the convent’s collection of books ignores the evidence presented, not to mention what might be considered the norm when it comes to the secularization of monastic libraries.

This response cannot even begin to address those central features of our book of which the reviewer failed to make any mention. Among them are a revisionary account of the Dominican reform movement and Dominican education prior to the reform; the place of Latin learning in a culture that heretofore has been discussed primarily in terms of vernacular literacy; the precise nature of the collaboration which produced these remarkable manuscripts; our proposals regarding their genesis and function; the presence of “portraits” of the nuns as well as colophons which secure the fact of their production by women; the character and composition of the corpus of musical sequences in the manuscripts, some of which are unique to these manuscripts, as well as their role in providing a further commentary on the liturgy, not to mention the fact that they too most likely were composed by the nuns themselves; and last, not least, the iconographic innovations and visual character of the vast programme of illustration, which, one would have thought, in a review written for an art-historical organ, might have deserved some attention.

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Antwort der Rezensionsautorin auf die Reaktion der Herausgeber_innen [06.01.2018]

Als Rezensentin des besprochenen Werks möchte ich auf die Antwort der Herausgeber eingehen und hoffe, damit einige Unklarheiten ausräumen zu können. Zunächst möchte ich betonen, dass ich den Herausgebern große Anerkennung für ihre Arbeit zolle. Dass man aber in einer Rezension schlechterdings nicht alle Facetten eines Buches mit einem Umfang von rund 1500 Seiten beleuchten kann, dürfte jeder Leserin und jedem Leser sofort einsichtig sein. Ich habe mich deshalb bewusst auf jene Aspekte beschränkt, die meines Erachtens problematisch sind. Dennoch werde ich im Folgenden zu den einzelnen Abschnitten in der Antwort der Herausgeber Stellung beziehen.

Zum ersten Abschnitt: Natürlich lässt sich diese Publikation in das gegenwärtige Forschungsfeld eingliedern. Über die „Bildung“ der Dominikanerinnen wurde in den vergangenen Jahren reichlich geforscht. Die Zusammenhänge, die zu Albertus Magnus bestehen sollen, überzeugen mich aufgrund der genannten zeitlichen Differenz nicht.

Zum zweiten Abschnitt: Selbstverständlich wurden die Dominikanerinnen auch von ordensfremden Kaplänen (das heißt weltlichen Geistlichen) betreut, und zwar lässt sich dieses Phänomen insbesondere im 14. Jahrhundert (aber durchaus auch noch 15. Jahrhundert) nachweisen. Im 14. Jahrhundert war das sogar die Regel. Dass ordenseigene Geistliche die Cura versahen, war hingegen eine Ausnahme. Erst im Zuge der Ordensreform wurde diese Praxis abgeschafft. Die Literatur hat dieses Phänomen vielfach beobachtet.(Anm. s.u.) Die Ausführungen der Herausgeber über anwesende Brüder des Ordens sind in meiner Sicht zu kurz geraten.

Zum dritten Abschnitt: Was ich kritisiert habe, ist die Frage, ob die Nonnen den Inhalt dieser Chorbücher und deren Verzierung mit Inschriften usw. aus ihrem eigenen Wissensfundus geschöpft haben. Das ist etwas anderes als das reine Schreiben oder Malen an sich. Dieses kann auch nach einer Vorlage geschehen sein. Woher die Nonne ihr Wissen nahm, geht m. E. auch aus dem Kolophon nicht hervor.

Zum vierten Abschnitt: Lemgo und Soest mögen die einzigen Dominikanerinnenklöster in Westfalen sein, das ändert an der Tatsache nichts, dass hier der Lemgoer Katalog benutzt wurde, um die „Bildung“ der Soester Nonnen darzulegen.

Zum fünften Abschnitt: Die Sakristei hat mit einer wie auch immer gearteten Klosterbibliothek gleichfalls nichts zu tun. Chorbücher blieben den ganzen Tag im Nonnenchor, da die Klosterfrauen siebenmal täglich das officium divinum zu verrichten hatten. Man trug die hierfür benötigten Bücher nicht jedes Mal fort, um sie nach drei Stunden wieder zu holen. Abgesehen davon muss man bei der Frage nach der Aufbewahrung von Chorbüchern beachten, ob der Nonnenchor ebenerdig lag oder auf einer Empore. Hiervon hängt der Aufbewahrungsort maßgeblich ab. In der „Klosterbibliothek“ wurden solche Bücher jedoch niemals aufbewahrt. Hier liegt nämlich gerade der Punkt, den ich an der hier zu besprechenden Arbeit am meisten kritisiere: Die Vermischung von Bibliothek und liturgischer Praxis. Bücher, die für die liturgische Praxis bestimmt waren, haben mit der „Klosterbibliothek“ (was immer man sich hierunter vorstellen mag) nichts zu tun. Aus diesem Grund kann man meines Erachtens aus jenen Büchern auch keine Erkenntnisse über die „Bildung“ der Klosterfrauen schöpfen. Auch halte ich an meiner Kritik über die Inventarverzeichnisse des 19. Jahrhunderts fest, da ich mit solchen Archivalien u.a. im Rahmen meiner Dissertation selbst schon ausführlich zu tun hatte und mir die Problematik daher bekannt ist.

Zum sechsten Abschnitt: Wie gesagt, ich hatte mich auf die aus meiner Sicht kritischen Aspekte konzentriert und nicht vorgehabt, das Buch nachzuerzählen.

(Anm.) Madlen Doerr: Klarissen und Dominikanerinnen in Freiburg im 15. Jahrhundert: Sozialstruktur und Reform, Diss. masch. Freiburg im Breisgau 2015, S. 278ff. (urn:nbn:de:bsz:25-opus-100347). Ich gehe in meiner Dissertation gleichfalls auf diesen Wandel in der Seelsorgepraxis ein. Da die Arbeit noch nicht veröffentlicht ist, verweise ich vorerst auf: Yvonne Arras: Die Dominikanerinnen und Dominikaner der Region Neckar-Alb in der Augsburger Chronik von Karl Welz († 1809) und Emerich Ruef († 1814), in: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 51/52 (2015/16), S. 31-110.

Hamburger, Jeffrey F.; Schlotheuber, Eva; Marti, Susan; Fassler, Margot (Hrsg.): Liturgical Life and Latin Learning at Paradies bei Soest, 1300-1425. Inscription and Illumination in the Choir Books of a North German Dominican Convent, Münster: Aschendorff Verlag 2016
ISBN-13: 978-3-402-13072-8, 1.441 S., 178,00 EUR

Empfohlene Zitation:
Yvonne Arras: [Rezension zu:] Hamburger, Jeffrey F.; Schlotheuber, Eva; Marti, Susan; Fassler, Margot (Hrsg.): Liturgical Life and Latin Learning at Paradies bei Soest, 1300-1425. Inscription and Illumination in the Choir Books of a North German Dominican Convent, Münster 2016. In: ArtHist.net, 28.11.2017. Letzter Zugriff 28.03.2024. <https://arthist.net/reviews/15005>.

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