REV 30.01.2006

Dorothea Fischer-Leonhardt (Hg.): Die Gärten des Bauhauses

Rezensiert von Susanne Schindler-Reinisch
Redaktion: Claudia Sedlarz

In der Fülle der Literatur über Gartenkunst und Gartenkultur sind Bücher über die Anfänge der Moderne rar. So macht das Buch „Die Gärten des Bauhauses. Gestaltungskonzepte der Moderne“ neugierig, der Titel verspricht einen Überblick. Gegenstand der Untersuchung sind ausgewählte Bauhausgärten und Außenanlagen, die entstanden sind, während Walter Gropius Direktor der Bauhausschule war. Neben den Gartenplänen der Häuser Sommerfeld, Kallenbach und Otte, die in der Einführung behandelt werden, stehen das Bauhausgebäude in Dessau, die Meisterhaussiedlung und die Siedlung Törten im Mittelpunkt der Untersuchung. Ergänzend wurde das von Carl Fieger entworfene Kornhaus in die Analyse mit aufgenommen.

Die Untersuchung ist das Ergebnis eines eineinhalbjährigen Forschungsprojektes „Außenanlagen Bauhaus Bauten“ an der Hochschule Anhalt in Bernburg. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen“ gefördert. Für die Arbeit wurden von der Autorin Quellen aus den Aktenbestand des Bauhausarchivs in Berlin und Dessau und auf Archive in Boston, New York und Chicago eingesehen. Außerdem wurden Tagebuchaufzeichnungen von Ilse Gropius und der Briefwechsel zwischen der Kommune Dessau und den Bauhausdirektoren herangezogen. Zudem wurden mit Hilfe eines Archäologenteams gartenarchäologische Grabungen durchgeführt. Ort der Grabungen war das durch zwei Sprengbomben zerstörte Grundstück des ehemaligen Direktorenhauses von Walter Gropius.

Trotz der Quellenfülle, der Vielzahl von Plänen und Abbildungen ist das Buch nicht wirklich gelungen. Zu kritisieren ist zum einen die Abkopplung der Konzepte der Gartengestaltung von ihrem kulturhistorischen Kontext, zum anderen die mangelnde Kenntnisnahme der schon vorhanden Forschungsergebnisse zu den Gärten des Bauhauses bzw. anderer differenzierter Untersuchungen zum Bauhauskonzept.

Das Bauhaus und sein Manifest von 1818 ist Bestandteil einer breiten Reformbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa. Diese Reformbewegungen umfassten die unterschiedlichsten Kulturbereiche der Gesellschaft. Für die Reformkultur der Jahrhundertwende stehen die Namen: Adolf Damaschke, Rudolf Steiner, Hans Kampffmeyer, Fidus (Hugo Höppener) oder Otto Hanisch, unter den Bauhäuslern bekannt als Otoman Ha`nish, Begründer der Mazdaznan-Lehre. Viele unter den Mitgliedern des Bauhauses (z.B. Johannes Itten, Hannes Meyer) waren in diesen Reformvereinigungen tätig.

Vernachlässigt man diesen kulturgeschichtlichen Hintergrund, so bleiben die besprochenen Gärten gestaltlos. Der Bauhausgarten beschränkt sich auf Rasen, Kieswege und Bäume, und damit auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Vorstellung von „Garten“. Von der Autorin wird das Fehlen von Bänken, Beeten und Brunnen als Verweigerung jeglichen Wohlbehagens interpretiert. Folgt man der unterschwelligen Argumentation des Buches, sind die Gärten von Gropius vor allem Ausdruck seiner Ordnungssehnsucht und seiner Kakteenliebe.

Dabei ist gerade die Gestaltung des Außenraums um das Bauhaus Dessau das Ergebnis der umfassenden Reformbewegung in Europa. Der im Plan der Bauhausschule gekennzeichnete Spiel- oder Turnplatz wurde nicht als Sportplatz im heutigen Sinne verstanden, sondern als Bewegungsplatz. Bewegungs- und Atemübungen im Freien, Eurhythmie und Gymnastik waren Ausdruck der modernen Körperkulturbewegung. Sie war in Deutschland eng an die Siedlungsbewegung geknüpft. Die Gemeinschaftshäuser, gekoppelt an einen großen Spiel- und Bewegungsplatz, bildeten häufig den Mittelpunkt der Gemeinde.

Beispiele dafür sind die Gartenstadt Hellerau mit der Gymnastikschule von Jaques Delacroze und der große Bewegungsplatz der Gartenstadt Freidorf bei Basel, erbaut von Hannes Meyer. Die Verbindung von moderner Körperkultur und Siedlungspolitik stellte sich in der tatsächlichen Bewegung, der Arbeit und der gemeinschaftlichen Bewegung, dem Spiel und der Gymnastik dar. Gustav Adolf Küppers-Sonnenberg schrieb 1925 pathetisch: „Kein Gebiet des Lebens bietet so viel Gelegenheit zur Körperkultur wie die Siedlung. Man könnte sie ‚angewandte Körperkultur‘ nennen, [...] denn in der Siedlung steht der Körper im Mittelpunkt der ganzen Tätigkeit [...] Die Siedlung bildet den Abschluß all der zersplitterten Bestrebungen. Sie ist die Suche nach dem neuen, nach dem gesunden Menschen.“[1]

Viele Studenten des Bauhauses waren Anhänger der Mazdaznan-Lehre, deren Philosophie auf Vegetarismus und einer besonderen Art von Atemtechnik basiert. Die Aufnahme von Nahrung und Sauerstoff wurden als Schöpfungsprozess mit dem Ziel einer höheren Menschwerdung verstanden. Neben dieser Besonderheit ist der Stellenwert der Dessauer Bühnenwerkstatt und seiner Aufführungen ohne Bewegungslehre, Atemlehre und Eurythmie kaum vorstellbar. So steht das minimalistische Konzept der Außengestaltung des Dessauer Bauhauses im Einklang mit der Bewegungslehre. Gleichzeitig wird damit eine Normierung des modernen Außenraums einer Schule geprägt, wie sie in den 20er Jahren noch nicht üblich war. Hannes Meyer greift diesen Schultypus in seiner Planung der Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Bernau auf und integriert ihn bewusst in die märkische Landschaft. Für Hannes Meyer war die kollektive Naturrezeption ein wesentlicher Bestandteil seiner Konzeption.

Die Autorin beschreibt die Formensprache der Außenanlagen detailreich, ihre Schlussfolgerungen sind mitunter nicht immer nachzuvollziehen: „Der Freiraum aber unterliegt dabei deutlich der baulichen Dominanz einer Architektur, die ohne diese qualitätsvolle und zurückhaltende Einrahmung womöglich bedeutend weniger Aufmerksamkeit in der Baugeschichte erregt hätte.“ Die beschreibende Annäherung an die Formgestalt des Außenraumes, ohne dessen Nutzungskontext zu erwähnen, wirkt irritierend. Die Beschreibung wird im Buch durch eine Chronik der Bauausführung des Außenraums ergänzt. Doch die zitierten Quellen stehen separat, Kostenpläne und Stundenaufrechnungen werden nicht kommentiert und lassen den Leser ratlos blättern. Bedauerlich, denn einige Briefe enthalten Informationen, die für die Interpretation der Bauvorgänge und des konzeptionellen Umgangs mit dem Außenraum interessant sind. Sie werden jedoch von der Autorin inhaltlich nicht ausgewertet.

Von den Architekten der klassischen Moderne wurde der Anspruch erhoben, dass ein Bauwerk für sich selbst zu stehen habe und von allen Seiten an- und einsehbar sein solle. Sie verzichteten bewusst auf geschichtliche Bezüge der Architektursprache und traten für ein neues kommunikatives Bezugssystem von Körper und Raum ein. Mit dem Festlegen des funktionalen Baukörpers in einem Raum kam der Architekt aber nicht umhin, sich zum Außenraum zu äußern. Was geschieht mit dem Außenraum des Bauwerkes? Was geschieht mit der Leere zwischen zwei Häusern? Wenn der Architekt beginnt, sich dieses Problems anzunehmen, so muss er sich zwangsläufig entscheiden und gestalten.[2] Die Reduktion eines Gartens auf Rasen, Bäume und Kieswege, die mit einer kniehohen Barriere umfasst sind, ist eine gestalterische Entscheidung des Architekten.

Dass die minimalistischen Intentionen von Gropius von den Mietern nicht nachvollzogen wurden, beweisen die Abbildungen der Dessauer Meisterhäuser. Die Bewohner Kandinsky, Klee, Feininger und Schlemmer betätigten sich gärtnerisch und legten Rabatten an, pflanzten Flieder und Rosen oder bepflanzten Balkonkästen. Schuf der Minimalismus der Gestaltung von Gropius einen Freiraum für individuelle gärtnerische Selbstverwirklichung? Ist Leere für das Individuum schwer zu ertragen und muss durch Gestaltung gefüllt werden? Als gärtnerischer Rückzugsraum wurde die uneinsehbare Dachterrasse genutzt, denn die Kiefernlandschaft bot keinen Sichtschutz. Ein Dilemma der Moderne?

„Die Bürgermeute heult gewaltig gegen mich...“, schrieb Gropius in Weimar – in Dessau wird es nicht anders gewesen sein. In Zeiten eher konservativer Gartengestaltung war der moderne Garten von Walter Gropius eine Provokation. Die Steinwürfen gegen die Architektur die von Gropius beklagt wurden, sind in den Tagebüchern seiner Frau belegt. Es waren Angriffe auf das Fremde.

In der im Anhang gelieferten Chronologie der Bauausführung der Außenanlagen der Bauhausschule erscheint in einem Brief an den Magistrat der Stadt Dessau von 1926 ein interessanter Satz: „Für die landwirtschaftlichen Kulturarbeiten brauchen wir ein möglichst unbegrenztes Gelände, das aus dem Zustand der Wald- und Unkultur zu Kulturland umgeschaffen werden soll.“ (S. 32)] Ist das ein Hinweis darauf, dass am Bauhaus ein weiteres mal darüber diskutiert wurde, die Gartenplanung in den Lehrplan mit aufzunehmen?

Schon im Gründungsmanifest von 1918 wird die Gartenplanung von Gropius als Gegenstand der Lehre ausgewiesen, aber als Lehrfach in Weimar nicht realisiert. Zwar übernahm in der Zeit von 1920 –1921 Thekla Mulert die Unterrichtsaufgaben im Fach Gemüsebau, Paul Dobe erteilte theoretischen Unterricht zum Thema „Pflanzenwelt“[3], es ist aber zu vermuten, dass die Fächer eher im direkten Zusammenhang mit der starken Mazdaznan – Bewegung am Bauhaus standen, denn viele Studenten lebten nach deren Vorgaben und ernährten sich vorrangig von rohem oder gedünsteten Gemüse. Die Einführung des Faches Gartentechnik wurde von den Lehrern diskutiert, zumal 1924 die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst eine Anfrage an das Bauhaus richtete, ob dort die Möglichkeit bestünde, Gartenkünstler auszubilden. Die politische und die finanzielle Situation verhinderte die Umsetzung. Auch in Dessau gab es immer wieder Versuche, sich dem Thema Gartenbau und Gartenplanung zu nähern, wie das Zitat andeutet.

Unter der Leitung von Hannes Meyer wurde die Außenraumplanung in die Lehre des Vorkurses aufgenommen, die Studienblätter von Heiner Knaub und Hugo Hoffmann wurden häufig in Publikationen abgebildet und diskutiert.[4] Das Außenraumkonzept Hannes Meyers wurde, wie oben erwähnt, schließlich in Bernau mit der Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes realisiert. Es war ein differenziertes Konzept, das die vorgefundene gewachsene Natur bewahrte und mit Hilfe von Staudenpflanzungen Übergänge schuf, die von der menschengeschaffenen Kultur zur gewachsenen Natur hinüberführte.

Meyers Entwürfe werden im besprochenen Buch nicht behandelt, ebenso wenig diejenigen Mies van der Rohes. Auch der Garten am Horn in Weimar (von Walter Gropius / Rudolf Baschant) und der Garten des Hauses Auerbach in Jena (von Gropius / Heinz Wichmann) bleiben unerwähnt. So bleibt das Buch, das den Titel „Gärten des Bauhauses“ trägt, unvollständig. Ein Titel, der die inhaltliche Begrenzung von vornherein deutlich gemacht hätte, wäre angemessener gewesen.

Auch im Abschnitt über die Siedlung Törten erscheint die Argumentation verkürzt. „Das Ziel der [...] Gartenstadtbewegung war eine Etablierung von kleineren Gemeinden für die arbeitende Bevölkerung am Rande von Großstädten, denen eine Regeneration in den ständig wachsenden Großstädten nicht mehr möglich war.“(S. 168) Diese Deutung der Gartenstadtbewegung in England durch die Autorin ist eigenwillig. Es wäre dagegen hervorzuheben, dass die Diskussion zur Gartenstand in Deutschland durch die Bodenreformbewegung und die Siedlungsbewegung eigene Wege gegangen ist. In Dessau existieren dreibedeutende Siedlungen: die Siedlung „Hohe Lache“, die Siedlung Ziebigk und die Bauhaussiedlung Törten.

Durch die Siedlung Törten zieht sich die Damaschkestraße, die im Text mehrfach erwähnt wird. Ihr Name ist die Reminiszenz an einen Mann, der Grund und Boden als lebensnotwendige Ressource definierte, die nicht Gegenstand von Spekulation sein sollten. Mit der Bodenreformbewegung wurde auch eineDiskussion angestoßen, die neue Siedlungsstrukturen, die Nutzung vonSiedlungsgärten und ihre Bepflanzung mit einschloss. Dazu hätte die Antwort des Bauhauses auf diese Diskussion vorgestellt werden müssen. Aber auch in diesem Abschnitt bleibt die Autorin bei der bloßen Formbeschreibung.

Der letzte Satz des Buches ist für dessen Gesamtinhalt aufschlussreich. Er bezieht sich auf den Garten von Ilse und Walter Gropius im Exil, 1938 in Lincoln: „So haben die beiden doch noch erfahren, was es bedeuten kann, den Aufenthalt in einem selbst geplanten Garten zu genießen.“ (S. 170) Es ist selten in der wissenschaftlichen Literatur, dass mit dem letzten Satz der Arbeit der gesamte Buchinhalt in Frage gestellt wird. Denn der Satz impliziert, dass Gropius nie zuvor einen Garten geplant habe.

[1] Gustav Adolf Küppers-Sonnenberg: Körperkultur und Siedlung, Berlin 1925, S. 83.

[2] Dazu Joachim W. Jacobs: Die Relation von Innen- und Außenraum in Theorie und Praxis des Bauhauses. Diss. TU Berlin 1991.

[3] Christian Schädlich: Bauhaus Weimar. Weimar 1979, S. 117.

[4] Siehe auch: Hugo Hoffmann: Ökologische Aspekte in der Lehre von Hannes Meyer am Bauhaus und deren Auswirkungen. In: Beiträge zum internationalen auhauskolloquium, Weimar 1989, S. 103 ff.

Fischer-Leonhardt, Dorothea (Hrsg.): Die Gärten des Bauhauses. Gestaltungskonzepte der Moderne, Berlin: Jovis Verlag 2005
ISBN-10: 3-936314-34-9, 174 S, EUR 28.00, sfr 42.20

Empfohlene Zitation:
Susanne Schindler-Reinisch: [Rezension zu:] Fischer-Leonhardt, Dorothea (Hrsg.): Die Gärten des Bauhauses. Gestaltungskonzepte der Moderne, Berlin 2005. In: ArtHist.net, 30.01.2006. Letzter Zugriff 20.04.2024. <https://arthist.net/reviews/114>.

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