CFP 12.11.2014

16. Internationaler Barocksommerkurs Barock / Klassik (Einsiedeln, 21-25 Jun 15)

Einsiedeln, Stiftung Bibliothek Werner Oechslin, 21.–25.06.2015
Eingabeschluss : 07.12.2014

Anja Buschow, Einsiedeln

English version below

Barock / Klassik

16. Internationaler Barocksommerkurs der Stiftung Bibliothek Werner Oechslin

Wie üblich soll der Diskurs fächerübergreifend angelegt sein. Wir erhoffen uns eine rege Teilnahme von Wissenschaftlern und Promovierenden aus den Disziplinen Architektur- und Kunstgeschichte, Geschichte, Literaturwissenschaften, Theater- wissenschaften, Soziologie etc.
Da dem Gespräch, gemeinsamen Diskussionen, grosses Gewicht zugemessen wird, sollten die Beiträge nicht länger als 20 Minuten dauern. Die Referate können in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache vorgetragen werden. Passive Deutschkenntnisse werden vorausgesetzt.

Bedingungen: Die Stiftung übernimmt die Kosten für die Übernachtungen, die Exkursion und die gemeinsamen Abendessen. Reisespesen können leider nicht erstattet werden.

Wir bitten um Bewerbungen mit einem kurzen Exposé und CV bis spätestens 07. Dezember 2014 per e-mail an: anja.buschowbibliothek-oechslin.ch

Konzeption / Organisation: Anja Buschow Oechslin, Axel Christoph Gampp, Werner Oechslin, Tristan Weddigen.

Einführung:

Psychologisierend hat Heinrich Wölfflin seine Darstellung „Klassische Kunst“ mit der Beobachtung eingeleitet: „Das Wort ‚klassisch’ hat für uns etwas Erkältendes.“ Man folgert, dass es einem mit dem Barock umgekehrt ‚warm ums Herz’ wird. Barock ist üpppig und überschwenglich, Klassik auf Einfachheit eingeschworen; Linienideal hier, Körperlichkeit dort. Kein Zweifel, solche aus dem Kontrast und Widerspruch geborene Betrachtungen haben die Wiederentdeckung und Wertschätzung des Barocks am Ende des 19. Jahrhunderts begleitet. Doch ans Ende gekommen ist man damit nicht. Riegl gesteht 1908 in Anbetracht konvulsivisch verdrehter Figuren, er verstünde die Welt nicht mehr und er fügte hinzu: „Und das stört uns Nordländer“. Mehr als der Gegensatz Klassik-Barock machte sich der moderne Widerspruch von Nord und Süd und mittelbar die Andersgeartetheit einer protestantischen und einer katholischen Kultur bemerkbar. Wölfflin schrieb noch 1931: „Für den germanischen Norden bedeutet Italien etwas Wesensfremdes.“ In „Renaissance und Barock“ hatte er sich 1888 das Ziel gesetzt, „die Symptome des Verfalls zu beobachten und in der ‚Verwilderung und Willkür’ womöglich das Gesetz zu erkennen.“ Die Suche nach „allgemeinen Formgesetzen“ war das Anliegen der Kunstgeschichte genau so wie der modernen Architektur, die auf diesem Weg sehr schnell zu den Ehren von „Stil“ und „Klassik“ gelangte. Doch über Maderno hinaus reichte dieser Weg 1888 nicht; jenseits jener vermeintlichen Gesetzmässigkeit gab es nur noch psychologische Schreckensmeldungen, „frenesia“, Suizid und Kopfweh. Aus dem „Deutschtum“ heraus argumentierte 1919 Rudolf Busch: „Unsere überreizten Nerven vertragen reiche Zier nicht mehr.“ Völkerpsychologie hatte der Kunstgeschichte den Blick verstellt und nun den aus dem vermeintlichen Kontrast und Widerspruch geborenen Epochenbegriffen auch noch diese Wertungen aufgesetzt. Eine klare Physiognomie dessen, was Barock denn sein könnte, hat sich dabei noch mehr verflüchtigt oder besser gesagt gar nicht erst eingestellt. Und der ‚Epochenbegriff’ Barock beschrieb jene Phase einer geteilten Geschichte, die heute nicht weniger zufällig und unpräzis der ‚frühen Neuzeit’ zugerechnet wird.
Alles umsonst?
Es lohnt sich einmal umgekehrt nicht nach dem Charakteristischen und Typischen des Barocks zu fragen, sondern nach dem, was an klassischer Auffassung und Kultur in jener Zeit nachwirkte. Man wird schnell sehen, dass es diesbezüglich keinen Bruch, stattdessen eine umfassende Weiterentwicklung der in humanistischer Zeit neuentdeckten Interesssen gab. Und so selten sich zuvor eine wirklich ‚pagane’ Welt auffinden lässt, so wenig wird ‚danach’, nämlich nach der tridentinischen Reform, aller antiken Form und Mythologie abgeschworen. Unterschiedliche Akzente, Veränderungen gibt es zuvor und danach, und das Verbindende dominiert.
Es geht also auch im Zeichen eines „Antirinascimento“ vorab um Kontinuität. Kontinuität darstellen bedeutet aber auch, Differenzen herauszuarbeiten. Daraus bezieht Kultur ohnehin den Anreiz reicher Entfaltung. Schliesslich verändert sich die Welt täglich und mit ihr die Künstler und ihre Auftraggeber; und jeder Nachfolgende wird sich gegenüber dem Vorausgehenden in irgendeiner Art ‚anders’ geben wollen. Das Spektrum der Möglichkeiten erweitert sich ständig. Und gerade deshalb ist umgekehrt der Blick auf eine massgebliche Autorität stets erwünscht. Man hält sich den Spiegel der antiken, klassischen Welt vor und bindet diese in sein eigenes Welt- und Geschichtsverständnis ein.
Wölfflin hatte in seiner Einleitung zur Klassischen Kunst noch eine andere Klage hinzugesellt. Es wäre der historisch orientierten Wissenschaft das Interesse an der „Kunst“ abhanden gekommen. So begrüsst er umsomehr Adolf Hildebrands „Problem der Kunst“ (1893), das wie „ein erfrischender Regen auf dürres Erdreich gefallen“ sei. Daraus liesse sich einmal mehr ein – allerdings verheerender – Gegensatz von geschichtlich versus klassisch konstruieren. Richtig ist, dass die moderne Auffassung von klassisch als zeitlos, mittelbar als antihistorisch ausgelegt wurde. Doch jene Wiedergeburt der antiken Welt aus dem, was sich mit dem Begriff der ‚Renaissance’ verband, war natürlich genauso umfassend historisch interessiert, wie die danach kommende, jene Anliegen weiterführende ‚barocke’ Kultur. Das Klassische mag sich noch so sehr von der Geschichte abheben wollen, es bleibt doch immer Teil davon. Und es lohnt sich, dem in allen Facetten und Verquickungen nachzugehen, um auch hier den Reichtum zu entdecken, der sich aus der ständigen Begegnung mit der Antike in Kunst und Kultur gebildet hat.

Werner Oechslin

Baroque / Classic

XVIth International Baroque Summer Course of the Werner Oechslin Library Foundation, Einsiedeln.

The course is open to doctoral candidates as well as junior and senior scholars who wish to address the topic with short papers (20 minutes) and through mutual conversation. As usual, the course has an interdisciplinary orientation. We hope for lively participation from the disciplines of art and architectural history, but also from scholars of history, literature, theatre, sociology, and other relevant fields. Papers may be presented in German, French, Italian or English; at least a passive knowledge of German is a requirement for participation.

Conditions: The Foundation assumes the hotel costs for course participants, as well as several group dinners and the excursion. Travel costs cannot be reimbursed.

Please send applications with brief abstracts and CVs by e-mail to:
anja.buschowbibliothek-oechslin.ch
The CFP deadline is 7 December 2014.

Concept / Organization: Anja Buschow Oechslin, Axel C. Gampp, Werner Oechslin, Tristan Weddigen

Introduction:

Heinrich Wölfflin introduced his account Classic Art with the psychologizing observation: “The word ‘classic’ has, for us, a rather chilly sound.” One infers that with the Baroque it is the other way around, “heartwarming.” Baroque is lush and exuberant, classic sworn to simplicity; linear ideals here, corporeality there. Such observations born of contrast and contradicition no doubt accompanied the rediscovery and reappraisal of Baroque at the end of the nineteenth century. But with this one is by no means at the end of the matter. In 1908, Riegl confessed - in view of convulsively contorted figures - that did not understand the world anymore, adding, “And that bothers us northern Europeans.” More than the opposition of classic-Baroque, the modern contradiction of north and south and, indirectly, the otherness of a Protestant and a Catholic culture became apparent. In 1931 Wölfflin was still writing, “For the Germanic north, Italy signifies something foreign to its character.” In Renaissance and Baroque in 1888 he set as his goal “to observe the symptoms of decadence and in the ‘brutalization and arbitrariness’ perhaps recognize the principles.” The search for “universal principles of form” was a concern of art history just as of modern architecture, which via this route very quickly attained the honors of being deemed a “style” and “classic.” But in 1888 this path did not suffice beyond Maderno; beyond that apparent regularity there were only psychological horror reports, “frenesia,” suicide and headaches. With “Germanness” as a point of departure, Rudolf Busch argued in 1919, “Our overstimulated nerves no longer tolerate rich ornament.”Folk or national psychology had distorted the view of art history, and now – out of the periodization terms supposedly born of contrast and contradiction – these judgments were also imposed. A clear physiognomy of what Baroque might be became even more evanescent, or, better, did not even materialize. And the “periodization term” baroque described that phase of a divided history that today no less arbitrarily and imprecisely is classified as “early modern.”
Was it all for nothing?
Conversely, for once it is worthwhile not to investigate what is charcteristic and typical for the Baroque, but rather to turn the tables and and explore which classical notions and aspects of classical culture lived on during that period. One will quickly see that there was no break in this regard, but instead a comprehensive further development of the interests that had been newly discovered at the time of the humanists. And just as rarely as a truly “pagan” world could be identified previously, so little “afterwards” – namely after the Tridentine reforms – did one swear off all classical form and mythology. Varying accents and shifts exist before and after, yet the connecting factors dominate.
In the character of an “Antirinascimento” it also involves continuity. To represent continuity also means to carve out differences. In any case culture draws stimuli for rich evolvement from this. After all, the world changes daily, artists and patrons included, and each successor wants to present himself as in some way “different” from his predecessor. The spectrum of possibiliities constantly expands. And precisely for this reason, a view toward a definitive authority is always desired. One holds a mirror to the ancient, classical world, and ties this into one’s own understanding of the world and its history.
Wölfflin added another complaint in his introdcution to Classic Art. The interest in “art” had been lost by historically oriented scholarship. All the more, therefore, did he welcome Adolf Hildebrand’s Das Problem der Form in der bildenden Kunst (1893), which was like “a refreshing rainfall on arid soil.” Out of this one could again construct an opposition – though a devastating one – between historical versus classic. What is correct is that the modern conception of classic as timeless can indirectly be interpreted as anti-historical. But the rebirth of the ancient world from all that bound up in the term “Renaissance” was naturally just as comprehensively concerned with history as that which followed, the “baroque” culture that pursued these concerns. The classic can detach itself from history as much as it likes, but it always remains a part of it. And it is worthwhile to investigate all the facets and combinations to also discover the riches that formed out of the constant encounter with antiquity in art and culture.

Werner Oechslin

Quellennachweis:
CFP: 16. Internationaler Barocksommerkurs Barock / Klassik (Einsiedeln, 21-25 Jun 15). In: ArtHist.net, 12.11.2014. Letzter Zugriff 21.05.2024. <https://arthist.net/archive/8889>.

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