CFP 09.10.2013

Kritische Berichte: Institutionen & Kunstgeschichte seit den 1960ern

Eingabeschluss : 31.10.2013

Änne Söll, Kunstgeschichtliches Institut Ruhr Universität Bochum

Kunstzeitschriften und die Institutionen des Kunstbetriebs
Deutsche/deutschsprachige Kunstgeschichte seit den 1960er Jahren

Aus Anlass des 40-jährigen Bestehens der kritischen berichte und der
Digitalisierung aller Ausgaben in Kooperation mit der
Universitätsbibliothek Heidelberg
(http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/ojs/index.php/kb) werden 2014 die
Hefte 2 und 4 erstens dem Kunstbetrieb, seinen Institutionen und
AkteurInnen, und zweitens der Entwicklung der deutschsprachigen
Kunstgeschichte seit Ende der 1960er Jahre gewidmet sein. Gerade
Zeitschriften wie die kritischen berichte hatten einen wichtigen
Anteil an den Veränderungen in der kunsthistorischen
Forschungslandschaft in den letzten Dekaden. Sie spiegeln nicht nur
die unterschiedlichen „turns“ und Paradigmenwechsel innerhalb des
Fachs, Zeitschriften spannen Verbindungsnetze zwischen AkteurInnen und
Institutionen. Sie öffnen Institutionen nach außen und können
widersprüchliche Tendenzen und Konflikte in sich aufnehmen, zugleich
sind sie konkrete Plattformen, durch die sich Institutionen nach außen
hin repräsentieren.

Insbesondere seit dem 19. Jahrhundert haben sich Formen und Orte, wie
und wo über Kunstgeschichte geschrieben, gesprochen, und geforscht
wird, vervielfältigt und ausdifferenziert. In den letzten Jahrzehnten
überlagerten sich die Spezialisierungen verstärkt und führten zu einer
aus wissenschaftlichen Kreisen kritisierten Auflösung von
kunsthistorischer Expertise (R. Krauss: Tod der Fachkenntnisse). Die
Konsequenzen dieser Verschmelzungen im Feld der Kunst und
Kunstgeschichte sind weitgehend unerforscht und werden unterschiedlich
eingeschätzt. Während die einen eine Rückbesinnung auf traditionelle
Fachkenntnisse einfordern, postulieren andere in interdisziplinärer
Euphorie für die Auflösung der Grenzen nicht nur von Kunst selbst,
sondern auch bezüglich ihrer Präsentation und den anerkannten Rollen.
Diesem komplexen Zusammenspiel widmen sich 2014 die zwei Hefte: Dabei
richtet sich der Fokus in Heft 2 auf Zeitschriften für
Kunst(geschichte) im erweiterten institutionellen Umfeld des
Kunstbetriebes und Heft 4 auf die Geschichte der kritischen berichte
im Kontext von Reformbestrebungen in der deutsch(sprachigen)
Kunstgeschichte seit Ende der 1960er Jahre. Neben dem Schwerpunkt auf
Kunst(geschichts)zeitschriften sind ebenso die Wechselwirkungen
zwischen Zeitschriften und andere Institutionen im Kunstbetrieb wie
Museen, Galerien, Universitäten und Akademien auf ihre Funktionen und
ihren Einfluss zu befragen.

Folgende – und weitere Themenbereiche – sollen in beiden Heften zur
Sprache kommen:

1 Kunstgeschichte: Im Oktober 1968, in Reaktion auf gesellschafts- und
wissenschaftspolitische Kontroversen, konstituierte sich der Ulmer
Verein. Vorrangig als Vertretung des wissenschaftlichen Mittelbaus
setzte er sich in kritischer Reflektion mit der Kunstgeschichte als
Gegenstand und Wissenschaftsbetrieb für Hochschulreformen und die
methodische, thematische und geografische Erweiterung des Faches ein.
Die 1973 gegründeten kritischen berichte als Mitteilungsorgan des
Ulmer Vereins wurden zum Sprachrohr einer kritischen Kunstgeschichte
in Deutschland. Über die Würdigung und Positionsbestimmung der
Zeitschrift hinausgehend sollen in Beiträgen die wissenschaftlichen
Reformbestrebungen sowie die methodologische und thematische
Entwicklung der Kunstgeschichte im deutschsprachigen Raum (auch in
Abgren¬zung zum angelsächsischen Sprachraum) diskutiert werden.

2 Vernetzung: Sinn und Zweck von Zeitschriften war und ist die
Sichtbarmachung von Interessengruppen, der Aufbau und Austausch von
Verbänden und Netzwerken. Hier stellt sich die Frage, welche
Eigenschaften das Medium Zeitschrift für diese Aufgaben mitbringt und
wie sich die Vernetzung in der Zeitschrift materialisiert? Wie kann
man an der Geschichte einzelner Kunstzeitschriften seit ihren Anfängen
Mitte des 19. Jahrhundert, die unterschiedliche Vernet¬zung der
Akteure im Kunstbetrieb und in der Wissenschaft dingfest machen? Wie
setzt sich das Medium der Kunstzeitschrift vom Medium Buch ab und
welche Vorteile bringen die Periodizität der Zeitschrift und ihre
Verbreitung?

3 Professionalisierung: Zeitschriften dienen einerseits der
Professionalisierung in der Wissenschaft aber auch im Kritikerwesen.
Gerade die Kunstkritik fand hauptsächlich in den Kunstzeitschriften
und Rundschauzeitschriften ab Mitte des 19. Jahrhundert statt. Mit der
Entwicklung wissenschaftlich orientierter Zeitschriften spaltete sich
dann jedoch die Kunstwissenschaft von der Kunstgeschichte ab. Hier ist
zu fragen, wie dieser Prozess in den Zeitschriften von statten ging
und mit welchen Mitteln einzelne Zeitschriften diesen Wandel
gestalteten und welche hybriden Formen existierten. Die
Ausdifferenzierung des Kunstbetriebes hat zwangsläufig zur
Notwendigkeit Positionierungen geführt. Die Entwicklung und
Legitimation der jeweiligen Position ist dabei meist mit einer
Etablierung verbunden, die ihrerseits erneut Kritik jüngerer und
weniger anerkannten Stimmen hervorruft. Der Nachvollzug dieser
Anerkennung bzw. auch das Scheitern zeigt auf, wie sich Positionen
bilden, verändern und allenfalls verlieren oder aber durchsetzen.
Welche Zeitschriften werden diskursbestimmend, welche Ausstellungsorte
zählen zur Avant-Garde und welche kuratorische Position ist der
Zutritt zur internationalen Karriere?

4 Popularisierung/Vermittlung/Bildung: Durch die Kombination von Text
und Bild, durch ihr Format und ihre Periodizität eignen sich
Zeitschriften zur populären und kommerziellen Verbreitung und
Konsumierung von Themen unterschiedlichster Art. Gerade im
Kunstbereich machte eine Bebilderung das Medium Zeitschrift immer
attraktiver und förderte so die Popularisierung von künstlerischen
und kunsthistorischen Inhalten. Die Kunstzeitschrift war auch dadurch
nicht nur ein Ort der Distinktion bürgerlicher Schichten, sondern
ebenso ein Mittel der massenhaften Verbreitung von Kunst. Hier wäre
nach den visuellen Strategien zu fragen, wie sie sich in der Wahl der
Abbildungen, dem Layout und dem Verhältnis von Text und Bild
materialisieren. Wie verhalten sich die Entwicklung der
unterschiedlichen Drucktechniken, das Aufkommen der Fotografie und
des Farbdrucks zur inhaltlichen Ausrichtung der Kunstzeitschriften?
Wie werden Anfang des 20. Jahrhunderts neue Strategien entwickelt, um
Kunst und Kunstgeschichte an ein breites Publikum zu vermitteln? Wie
stellt sich die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg dar? Welchen
Einfluss haben politische Konstellationen, wie der kalte Krieg oder
die Wende 1989 auf die Popularisierung von Kunst durch
Kunstzeitschriften?

5 Digitalisierung: Unter dem Einfluss digitaler Medien sind neue
Formate von Kunstzeitschriften möglich geworden. Welche Möglichkeiten
ergeben sich damit für Wissenschaft, AkteurInnen und Öffentlichkeit?
Welche Auswirkungen hat das auf die Printausgaben der Zeitschriften?
Entstehen dadurch neue Kommunikationswege, neue Hierarchien und
Bedeutungsmuster? Wie hat die Digitalisierung, den Umgang mit
Bildmaterial in Zeitschriften verändert und hat das ebenso die
Forschungsmethodik beeinflusst? Wenn ja, wie?

Heft 2/2014 und 4/2014 der kritischen berichte werden von Rachel
Mader, Anna Minta und Änne Söll herausgegeben.

Bitte senden Sie ein Exposé mit max. 3000 Zeichen (inkl. Leerzeichen)
und einen kurzen Lebenslauf mit relevanten Publikationen von maximal
einer Seite per e-mail an: mintaikg.unibe.ch oder aenne.soellweb.de.

Deadline: 31. Oktober 2013
Die Abgabe der Texte im Umfang von max. 25.000 Zeichen (inkl.
Leerzeichen und Fußnoten) und maximal drei schwarz-weiß Abbildungen
muss für Heft 2/2014 bis 2. Februar 2014, für Heft 4/2014 bis
31. Mai 2014 erfolgen.

Quellennachweis:
CFP: Kritische Berichte: Institutionen & Kunstgeschichte seit den 1960ern. In: ArtHist.net, 09.10.2013. Letzter Zugriff 26.06.2025. <https://arthist.net/archive/6111>.

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