Tagung: Geschichte machen und gestalten. Interdisziplinäre Perspektiven auf Doing History.
Geschichte ist nicht einfach Vergangenheit, über die berichtet wird. Geschichte wird vielmehr performativ hervorgebracht und entsteht im Hier und Jetzt. Spuren des Vergangenen werden dabei in Narrative eingebettet, interpretiert und verstehbar gemacht und in komplexen kommunikativen Prozessen in unterschiedlichen medialen Formaten in die Welt entlassen, wo sie sich in spezifischen Aneignungskontexten fast eigensinnig entfalten. Die Praxis des Geschichtemachens, das Doing History, ist als eine soziale Praxis zu verstehen, die nicht allein die Arbeit von professionellen Historiker:innen meint, sondern potenziell alle denkbaren Praktiken des Geschichtemachens und sämtliche hieran beteiligten Akteur:innen umfasst. Auch Materialitäten sind hier ausdrücklich miteingeschlossen, denn technologische Implikationen, Gestaltungsqualität und Design haben große Auswirkungen auf die Gestalt und Verbreitung von geschichtlichem Wissen.
Seit der Vormoderne bis zum „Geschichtsboom“ der letzten Jahrzehnte sind zahllose vergangenheitsbezogene Geschichtsrepräsentationen unterschiedlicher medialer Form, Reichweite und Publika entstanden wie z. B. Statuen, Bilder und Gemälde, (museale) Ausstellungen, szenische Lesungen und Reenactments, Romane, Graphic Novels und populär- wissenschaftliche Sachbücher, Fernsehserien, Spielfilme verschiedenster Genres, Videospiele oder Geschichtscontent in sozialen Medien. Die universitäre Geschichtsschreibung bevorzugt allerdings noch immer und überwiegend Schriftquellen, so dass hier eine Leerstelle entstanden ist, die gerade aufgrund der vielfältigen historischen als auch gegenwärtigen Praktiken des Geschichtemachens einer breit aufgestellten, inter- und transdisziplinären Erforschung bedarf. Denn obwohl in den letzten Jahren das Interesse vor allem an den populären medialen Geschichtsdarstellungen in verschiedenen Disziplinen stark gestiegen ist, fehlt es bisher an einer zusammenführenden, systematischen Auseinandersetzung mit dieser Prozessualität von Geschichtskonstruktion.
Die Tagung
Das von der Hamburger Landesforschungsförderung geförderte Projekt Doing History der Universität Hamburg und der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) widmet sich der Bearbeitung dieser Thematik und lädt dazu ein, sich zu vernetzen, zu diskutieren und das gemeinsame Forschungsfeld abzustecken. Obgleich verankert in der forschungsorientierten Public History, die als Gegenstand der eigenen Forschung die Produktion, Repräsentation, Distribution, Exhibition und Rezeption von Geschichte in der Öffentlichkeit in den Blick nimmt, sind hier explizit alle Fachdisziplinen an der Schnittstelle von Geschichtswissenschaft, Medien-, Design- und Kommunikationswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Empirischer Kulturwissenschaft, Soziologie sowie alle Geistes-, Kultur- und Humanwissenschaften angesprochen, die sich mit der Produktion und Distribution von (historischem) Wissen im Sinne einer sozialen Praxis beschäftigen. Gleichwohl richtet sich dieser Call explizit auch an Geschichtsproduzent:innen außerhalb von Universitäten und akademischen Institutionen wie z. B. in Medienproduktionsstätten, in öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, im Kontext von Geschichtswerkstätten, historisch-politischer oder kultureller Bildung, privat bspw. in sozialen Medien sowie nicht zuletzt in der (bildenden) Kunst, die sich reflexiv mit ihrer eigenen Praxis beschäftigen und diese in den forschenden Diskurs einbringen möchten.
Die Tagung versteht sich als Raum und Rahmen der Vernetzung, gleichsam dient sie als Vorbereitung eines interdisziplinären Verbundvorhabens, welches verschiedene Disziplinen des Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie der Geschichtsdidaktik, Kunst und Medien zusammenführt. Gefragt sind daher Beiträge und Forschungsprojekte zu Fragen von Medialität und Performanz, Handlungsmacht und Empowerment, vergleichende bzw. inter- und transkulturelle Ansätze und Arbeiten mit diachroner und didaktischer Perspektivierung. Projekte, die Aspekte und Ansätze quer zu den hier genannten Feldern und/oder ergänzende Fragestellungen diskutieren möchten, sind ebenso willkommen. Wichtig ist, dass Praktiken des Geschichtemachens aus der Perspektive der verschiedenen Fachdisziplinen immer auch im Hinblick darauf befragt werden, wie in und mit ihnen historischer Sinn entsteht und dieser gesellschaftlich distribuiert wird. Die Teilnehmenden sind eingeladen, eigene fach- disziplinäre oder praxeologische Perspektiven aufzugreifen und einzubringen. Konkret suchen wir Beiträge, die sich beispielsweise mit folgenden Fragen beschäftigen:
• Wie wird Geschichte medial geformt, präsentiert, gestaltet und ausgehandelt?
• Wie lässt sich die Medialität und Materialität von Geschichte in ihren jeweiligen Formen und Formaten spezifizieren und charakterisieren?
• Wie wird das Material der Vergangenheit in der Gegenwart verwendet?
• Wie werden Triftigkeiten von Geschichtsdarstellungen in handlungsorientierten Geschichtskonstruktionen adressiert und bedient? Welche Authentifizierungsstrategien kommen zum Einsatz und inwiefern spielen Relationen zwischen Produkt, Produzierenden, verwendetem Material und Rezipierenden hierbei eine Rolle.
• Welche Rolle spielt die Handlungsmacht von Akteur*innen und Aktanten im Prozess der Konstruktion und Aushandlung von Geschichte und inwiefern verändert sie sich in diesem Prozess?
• Welche neuen theoretischen wie auch methodischen Perspektiven ergeben sich im Rahmen einer praxeologischen Analyse von Geschichtskonstruktionen?
• Wie gestaltet sich das Doing History in verschiedenen kulturellen und sozialen Kontexten – auch aus der Perspektive der Medienschadenden?
• Wie und warum haben sich Formen und Praktiken des Umgangs mit Geschichte verändert und welche Bedeutung haben diese Veränderungen für die Herausbildung neuer Geschichtsbilder und Geschichtsverständnisse?
Weitere Fragen und Perspektiven sind denkbar und erwünscht.
Die Tagung findet statt am 10./11.02.2026 an der Universität Hamburg. Als Tagungsbeiträge sind Präsentationen von 20 Minuten Dauer eingeplant und jeweils weitere 15 Minuten Diskussionszeit. Die Tagungssprache wird deutsch sein. Entstehende Reisekosten im Zusammenhang mit der Tagung werden den Teilnehmenden erstattet. Die für die Tagung produzierten Beiträge werden anschließend im Rahmen eines Tagungsbandes dokumentiert und veröffentlicht. Der Redaktionsprozess ist direkt im Anschluss an die Tagung für das Frühjahr 2026 geplant.
Bewerbung
Senden Sie bis zum 18.07.2025 eine Skizze Ihres geplanten Beitrags von 5.000 Zeichen inkl. Leerzeichen und einen kurzen CV an doing-historyuni-hamburg.de. Der Text sollte jeweils knappe Angaben zur Forschungsfrage oder eine Skizze des vorzustellenden Projektes ent- halten. Im Mittelpunkt soll die Darstellung der Forschungsmethode bzw. die Reflexion der (eigenen) gestalterischen Praxis stehen – insbesondere im Hinblick darauf, wie historischer Sinn entsteht und gesellschaftlich vermittelt wird. Wünschenswert ist darüber hinaus die Einordnung in den forschenden Diskurs. Dies ist aber keine zwingende Voraussetzung für die Bewerbung. Wichtig ist uns, die verschiedenen disziplinären und außeruniversitären Arbeits- und Denkweisen zusammen- und in Austausch zu bringen.
Das Projektteam wählt aus den Einsendungen geeignete Beiträge aus. Die ausgewählten Beitragenden werden bis Ende Juli 2025 informiert und gebeten bis zum 15.12.2025 einen Manuskript-Entwurf einzureichen mit einem Umfang von maximal 40.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen). Dieses Paper wird allen Teilnehmenden der Tagung vorab bereitgestellt, um eine möglichst informierte und begründete, disziplinübergreifende Diskussion zu ermöglichen und zu befördern. Die zentralen Thesen und Erkenntnisse werden von den Einreichen- den dann auf der Tagung präsentiert. Tagung und Tagungsband dienen der Vorbereitung ei- nes Förderantrages für ein Schwerpunktprogramm bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der im Oktober 2027 eingereicht werden soll. Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit, dass die Teilnehmenden über die Tagung hinausgehend an dem Verbundvorhaben teilhaben. Informationen hierzu werden auf der Tagung vorgestellt.
Kontakt: doing-historyuni-hamburg.de
Reference:
CFP: Geschichte machen und gestalten (Hamburg, 10-11 Feb 26). In: ArtHist.net, Jun 7, 2025 (accessed Jun 9, 2025), <https://arthist.net/archive/49452>.