Kunst in Lagern und Ghettos (1933-1945): Künstler:innen und Wissenschaftler:innen im Dialog.
"Kunst ist das, was Widerstand leistet" (Gilles Deleuze, Pourparlers,1987).
Der künstlerische Ausdruck in den Lagern, Ghettos oder Gulags zwischen 1933 und 1945 nahm je nach Kontext unterschiedliche und manchmal widersprüchliche Formen an. Das künstlerische Schaffen der Internierten in Internierungs-, Arbeits- oder Konzentrationslagern kannte vielfältige Funktionen aber auch Herausforderungen: Akt des "Widerstands" und der Bewahrung des Gefühls der Menschlichkeit, Zuflucht und Freiraum für Transzendenz, Zeichen des Überlebens und der Identitätsbildung, Form der Denunziation oder des Selbstzeugnisses. Obwohl die künstlerische Praxis aus dem eigenen Willen der Internierten hervorging, manchmal sogar im Untergrund stattfand, und von den Häftlingen als letzte Bastion der Menschlichkeit und letzte Waffe des Widerstands wahrgenommen wurde, so blieben Kunst und Kultur dennoch nicht vor der Unmenschlichkeit bewahrt. Unter den Henkern in den Konzentrationslagern befanden sich Kunst- und Musikliebhaber. Musik wurde in den Lagern darüber hinaus als Instrument der Folter eingesetzt.
Schwerpunkte:
Diese Tagung bringt Forscher:innen sowie Künstler:innen zusammen, um neue Räume zu erkunden, die aus dem Dialog zwischen den Künsten und den Geistes- und Sozialwissenschaften entstehen können. Sie ist bemüht, die Perspektive von Künstler:innen (Musiker:innen, bildenden Künstler:innen, Tänzer:innen, Schauspieler:innen oder Schriftsteller:innen) und Forscher:innen (aus den Bereichen der Geschichte, Kunstgeschichte und Sozialwissenschaften) auf die Problematik der Kunst in den Lagern und Ghettos miteinander zu kreuzen. Durch das Aufzeigen von Konvergenzen und Divergenzen erlaubt diese Gegenüberstellung, den scheinbaren Widerspruch zwischen Kunst und Wissenschaft zu überwinden, um interaktive Haltungen zu erforschen und neue Methodologien zu schaffen.
Das Kolloquium wird sich in eine Reihe von Schwerpunkten gliedern, darunter die Folgenden:
1. In einer historischen und kunsthistorischen Perspektive:
Es können die Entstehungsbedingungen und Funktionen der künstlerischen Praktiken in den verschiedenen Internierungskontexten zwischen 1933 und 1945 (Ghettos, Internierungs-, Arbeits- und Konzentrationslager, Gulags) analysiert werden. Die paradoxen Funktionen der Kunst hinter Stacheldraht als Mittel zum Überleben, als Akt des Widerstands, als Selbstzeugnis, aber auch ihre Instrumentalisierung durch die Machthaber als Folter- oder Propagandainstrument können Teil des Untersuchungsfeldes sein.
2. Aus einer interdisziplinären und transversalen Perspektive:
Ausgehend von den zeitgenössischen Perspektiven der verschiedenen künstlerischen Felder – Musik und Klanggestaltung, Tanz und Körperausdruck, bildende Kunst (Malerei, Bildhauerei, Fotografie), Theater und Literatur – wird diese interdisziplinäre Reflexion originelle künstlerische Räume schaffen.
In einem transversalen Ansatz werden die Wechselwirkungen zwischen Kunst und wissenschaftlicher Forschung untersucht: Wie kann das zeitgenössische künstlerische Schaffen durch einen sensiblen und kreativen Ansatz neue Wege für die wissenschaftliche Forschung eröffnen? Vice versa: Inwiefern kann die wissenschaftliche Forschung – sei es im historischen, musikwissenschaftlichen, literarischen oder ethnologischen Bereich – das zeitgenössische Kunstschaffen bereichern? Wie kann der historische Ansatz zur Inspirationsquelle für zeitgenössische Künstler werden?
3. Aus der Perspektive der Erinnerungskultur:
Wie kann die Kunst neue Räume in Erinnerungsprozessen schaffen? Wie kann die Kunst im Zeitalter des allmählichen Verschwindens der letzten direkten Zeitzeugen eine Brückenfunktion als Trägerin der Geschichtsvermittlung übernehmen? Und wie spiegelt sich diese Erinnerungsarbeit über zeitgenössische künstlerische Gestaltung und Praxis in den Wissenschaften als neuem Untersuchungsgegenstand wider?
Sprachen: Deutsch und Französisch (mit Simultanübersetzung in beide Sprachen), in Ausnahmefällen ist Kommunikation auf Englisch möglich.
Format: 20-25-minütige Präsentationen oder Beiträge von Künstlern, gefolgt von Diskussionen. Beiträge nur in Präsenzform.
Bedingungen:
Die Reisekosten (Zugtarif zweiter Klasse oder in Ausnahmefällen Flugreisen für längere Strecken) und die Unterkunft (2 bis 3 Nächte) der Teilnehmer:innen werden übernommen. Die Tagung ist für die Öffentlichkeit zugänglich.
Wir bitten um die Zusendung von Beitragsvorschlägen auf Deutsch oder Französisch (in Ausnahmefällen auch auf Englisch, max. eine Seite) bis zum 30. Juni 2025 an Melina Burlaud unter folgender Adresse: mburlaudhotmail.com. Bitte fügen Sie einen kurzen Lebenslauf bei und geben Sie Ihre Sprachkenntnisse an. Ein wissenschaftlicher Ausschuss wird an der Auswahl der Vorschläge beteiligt sein. Die Zuteilungen werden vor dem 15. Juli 2025 zurückgeschickt.
Allgemeiner Rahmen:
Das Kolloquium findet im Rahmen des Projekts "Musicagurs" statt, das vom Programm CERV der Europäischen Kommission mitfinanziert wird. „Musicagurs“ verbindet Kunst, Geschichte und Erinnerung an die Lager auf europäischer Ebene in dreifacher Hinsicht: Durch den Austausch von Schülern aus drei Ländern (Frankreich, Deutschland, Spanien), durch die Vortragskonzerte des Ensembles "Mémoires musicales" und durch einen wissenschaftlichen Ansatz in Form dieser Tagung.
Organisatoren: IFRA-SHS Frankfurt / Deutsches Exilarchiv -Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt/ Association " Mémoires musicales sans frontière " Pau / Laboratoire ITEM Université de Pau et des Pays de l'Adour.
Von der Europäischen Kommission im Rahmen des CERV-Programms „Holocaust Memory“ mitfinanziert.
Reference:
CFP: Kunst in Lagern und Ghettos (1933-1945) (Frankfurt, 20-22 Oct 25). In: ArtHist.net, Jun 1, 2025 (accessed Jun 3, 2025), <https://arthist.net/archive/49404>.