Herausgegeben von Kristin Eichhorn und Johannes S. Lorenzen.
Die Menschheitsdämmerung – erstmalig herausgegeben von Kurt Pinthus im Jahr 1919 – ist die wichtigste Anthologie expressionistischer Lyrik schlechthin und hat das Bild, das die Literaturgeschichten von expressionistischer Dichtung zeichnen, entscheidend geprägt. Pinthus’ Konzept lief darauf hinaus, eine Auswahl von Gedichten zu treffen, die in ihrer Stimmenvielfalt doch ein gemeinsames Ganzes ergibt. Als Rückblick auf die nunmehr schon ein Jahrzehnt währende expressionistische Dichtung, deren Vertreter zwischenzeitlich z. T. andere Wege eingeschlagen hatten bzw. verstorben (nicht zuletzt als Soldaten im Ersten Weltkrieg gefallen) waren, zieht die Sammlung eine Summe unter die neue Dichtung der damals jungen Generation – und entfaltet programmatisch kanonisierende Wirkung.
Pinthus’ Zusammenstellung nimmt dabei die Idee des Gesamtkunstwerks insofern auf, als er der Form der bloß willkürlich zusammentragenden Anthologie die Schaffung eines eigenen, in sich stimmigen Werks entgegenstellt, um die großen gemeinsamen Linien der expressionistischen Dichtergeneration zu betonen. Unter dem Stichwort der Symphonie, aus dem sich die vier Teile der Menschheitsdämmerung ergeben, werden die enthaltenen Gedichte von 23 Dichtern und einer Dichterin (Else Lasker-Schüler) thematisch so zusammengestellt, dass ihre Stimmenvielfalt – dem Zusammenspiel von Instrumenten in einem Orchester gleichend – zu einer in sich geschlossenen Komposition wird. Pinthus löst die Gedichte aus ihren ursprünglichen Kontexten und erzeugt durch ihre Platzierung neue semantische Bezüge. Begleitet wird die Textsammlung außerdem bekanntlich durch 14 Porträtzeichnungen sowie für sich genommen oft hoch aufschlussreiche „Selbstbiographien der Dichter“. Außerdem werden die unterschiedlichen Auflagen immer von Pinthus’ konzeptionellen Überlegungen begleitet – von den Paratexten „Zuvor“ (1919) und „Nachklang“ (1922) sowie dem berühmten Vorwort der Neuausgabe von 1959.
Das anstehende Themenheft möchte zu einer verstärkten interdisziplinären Auseinandersetzung mit der Menschheitsdämmerung als „Symphonie“ expressionistischer Dichtung anregen. Diese kann die programmatische Anlage und die Publikationsgeschichte genauso betreffen wie Fragen des Zusammenspiels von Bild und Text, Biografie und Dichtung oder spezialisierte Zugänge zu einzelnen Texten, Motiven oder Beiträger:innen. Nicht zuletzt gilt es – mehr als 100 Jahre nach der Erstausgabe –, auf Basis aktueller Forschungszugänge den Status von Pinthus’ wegweisender Anthologie wieder neu zu diskutieren, zu würdigen wie kritisch zu beleuchten.
Abstracts zu diesen, aber gerne auch anderen thematisch einschlägigen Aspekten von nicht mehr als 2.000 Zeichen senden Sie bitte bis zum 20. Juni 2025 an eichhornneofelis-verlag.de und lorenzenneofelis-verlag.de. Zudem werden unabhängig vom Thema des Hefts auch immer Vorschläge für Rezensionen oder Diskussionsbeiträge zu aktuellen Forschungsdebatten entgegengenommen, die Phänomene der aktuellen Expressionismus-Rezeption vorstellen und besprechen. Die fertigen Beiträge sollten einen Umfang von 20.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen und Fußnoten) nicht überschreiten und sind bis zum 1. Dezember 2025 einzureichen. Das Heft erscheint im Mai 2026.
Reference:
CFP: Expressionismus 23/2026, Menschheitsdämmerung. In: ArtHist.net, May 2, 2025 (accessed May 4, 2025), <https://arthist.net/archive/49170>.