Kunstgewerbeschulen: Wegbereiter einer neuen Architekturlehre? | Schools of Applied Arts: Forerunners of a New Architecture Education?
[English version bellow]
Die heutigen Fachbereiche Architektur und Design der Fachhochschule Dortmund gehen auf die 1904 gegründete Handwerker- und Kunstgewerbeschule zurück. Das 120-jährige Jubiläum der Dortmunder Bildungseinrichtung wird zum Anlass genommen, in einer Tagung die Beziehung zwischen Architekturausbildung und Kunstgewerbeproduktion eingehender zu beleuchten und den Einfluss von Kunstgewerbeschulen auf die damaligen Architekturdiskurse zu erörtern.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielten Kunstgewerbeschulen neben den Technischen Hochschulen, Akademien und Baugewerkschulen eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Architekturausbildung. Im Zuge der Umwandlung der Polytechnischen Schulen zu Technischen Hochschulen und der einhergehenden Akademisierung ihrer Ausbildung wandelte sich ihre Klientel, da nun das Abitur für die Aufnahme vorausgesetzt wurde. Für künstlerisch, handwerklich und technisch begabte Schülerinnen und Schüler ohne Hochschulzugangsberechtigung entstand eine Lücke, in die die noch junge Institution der Kunstgewerbeschule rückte. Diese hatte sich ausgehend von den großen Gewerbeschauen bei den Weltausstellungen in London 1851 und 1862 sowie in Paris 1867 entwickelt. 1867 gründete der Verein „Deutsches Gewerbe-Museum zu Berlin“ zur Förderung der Kunstindustrie das Kunstgewerbemuseum zu Berlin und 1868 nach englischem Vorbild die dazugehörige „Unterrichts-Anstalt“. Reichsweit folgte rasch die Einrichtung zahlreicher weiterer Kunstgewerbeschulen, doch nur wenige sahen in ihrem Lehrplan neben Fächern wie Ornament- und Figurenzeichen, Modellieren, Bildhauerei oder Dekorationsmalerei auch besondere Architekturklassen vor. Um 1900 aber setzte das junge Schulformat im Zuge der Kunstgewerbereform und des zeitgleichen handelspolitischen Expansionsdrangs des Deutschen Kaiserreichs sowie den Forderungen des 1907 gegründeten Deutschen Werkbunds vorauseilend, die Verbindung von Kunst, Handwerk und Technik bzw. das Zusammenwirken von Material, Objekt und Raum in den Mittelpunkt seiner Lehre und avancierte so zum avantgardistischen Motor einer neuen Architektur.
Die Tagung setzt sich zum Ziel, die bisher kaum betrachtete Architekturlehre an Kunstgewerbeschulen aus fachlicher, didaktischer, personeller und baulicher Perspektive zu diskutieren. Im Mittelpunkt stehen Fragen wie diejenige nach konkreten Unterrichtskonzepten und -inhalten, die lokal oder überregional an den Schulen gelebt wurden. Von Interesse ist beispielsweise, wie das Fach „Raumkunst“ als Verquickung von Innenraumausstattung und Hochbau zu definieren ist und welchen Einfluss die progressive Auffassung von Material, Objekt und Raum als beständige Einheit auf das zeitgenössische Architekturverständnis nahm. Die Architekturausbildung an Kunstgewerbeschulen wird daher auch im Kontext weiterer Lehreinrichtungen und anhand objektbasierter Lehre dargestellt. Fallstudien einzelner Kunstgewerbeschulen von den Anfängen über die Werkbund-Zeit bis zum Bauhaus beleuchten die Programmatik der Architekturlehre ebenso wie Kunstgewerbeschulneubauten, Verbindungen zur Industrie und individuelle Karrieren. Ebenso werden internationale Entwicklungen und Verflechtungen in den Blick genommen.
Die Tagung wird unterstützt von der Fritz Thyssen Stiftung und gemeinsam ausgerichtet vom Lehrgebiet Architekturgeschichte, -theorie und Denkmalpflege der Fachhochschule Dortmund, dem Fachgebiet Architektur- und Kunstgeschichte der Technischen Universität Darmstadt und dem Forschungsnetzwerk „Pioniere der Designausbildung. Neue Perspektiven auf die deutschen Kunstgewerbeschulen vor dem Bauhaus“, angesiedelt als Design Campus LAB am Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Die Veranstaltung ist zugleich die 4. Jahrestagung des Forschungsnetzwerks.
Die Organisatorinnen bitten alle Interessierten, sich per Mail bis zum 18. November 2024 für die Teilnahme an der Tagung anzumelden: architekturlehrefh-dortmund.de
PROGRAMM
Donnerstag, 5.12.24
9:30 Uhr, Registrierung
10:00 Uhr, Einführung in die Tagung
10:30 Uhr, Session 1: Vom Lehrplan zur Didaktik
Architektenausbildung im 19. Jahrhundert: Institutionen, Curricula, Lehrer
Christiane Salge, Darmstadt
Von Ornamenten und Modellen. Mittel der Architekturlehre an Kunstgewerbeschulen
Anna-Sophie Laug, Pforzheim
„Zusammenfassung aller Künste und aller Gewerbe in der Architektur" – Die Kunstgewerbeschule Hamburg unter Richard Meyer und ihr Neubau von Fritz Schumacher (1911–13)
Elke Katharina Wittich, Hannover
13:00 Uhr, Mittagspause
14:00 Uhr, Session 2: Internationale Bezüge / International references
Teaching architecture in an applied art museum: South Kensington and the evolution of British architectural education
Lily Crowther, London
From Great Britain to Prussia. Hermann Muthesius and the schools of applied arts
Christiane Fülscher, Dortmund
The Werkbund touch: industrial culture, architecture and social reform in Offenbach
Christian Welzbacher, Berlin
Teaching interiors. The emergence of interior architecture in Belgian architecture schools
Fredie Floré, Ghent
17:00 Uhr, Zusammenfassung erster Tag
Freitag, 6.12.24
9:00 Uhr, Registrierung
9:30 Uhr, Session 3: Erste Ansätze einer Architekturlehre
Zur Architekturlehre an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin
Julia Witt, Berlin
Viele „Wege nach Weimar"? Van de Velde, Schultze-Naumburg und das Kunstgewerbe
Ole W. Fischer, Stuttgart
11:15 Uhr, Session 4: Wandel zur Werkschule und zu einer umfassenden Architekturausbildung
Im Fluss. Architekturausbildung am Bauhaus 1919–1933
Anke Blümm, Weimar
Der Beitrag der Kölner Werkschulen zur Reform der Sakralarchitektur im Rheinland
Christiane Heiser, Köln
12:30 Uhr, Mittagspause
13:30 Uhr
Keimzelle einer Lehranstalt modernen Zuschnitts. Die Werkschule für gestaltende Arbeit in Stettin
Sylvia Claus & Miriam-Esther Owesle, Cottbus
Kollaboration und Innovation. Rudolf Schwarz und die Idee der Werkgemeinschaft
Hannah Schiefer, Düsseldorf
14:45 Uhr, Abschlussdiskussion
15:30 Uhr, voraussichtliches Ende
Gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung, Köln
https://www.fritz-thyssen-stiftung.de/
Organisation
Christiane Fülscher – Architekturgeschichte, -theorie und Denkmalpflege, Fachhochschule Dortmund
https://www.fh-dortmund.de/lehrgebiete/architekturgeschichte-theorie-und-denkmalpflege.php
Anna-Sophie Laug – Fakultät für Gestaltung, Hochschule Pforzheim
https://designpf.hs-pforzheim.de/kupfer
Christiane Salge – Architektur- und Kunstgeschichte, Technische Universität Darmstadt
https://www.kunstgeschichte.architektur.tu-darmstadt.de
Forschungsnetzwerk „Pioniere der Designausbildung. Neue Perspektiven auf die deutschen Kunstgewerbeschulen vor dem Bauhaus“, Design Campus LAB am Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden
https://designcampus.org/lab/pioneers-of-design-education/
CCSA Center for Critical Studies in Architecture
https://www.criticalarchitecture.org
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Conference December 5 + 6, 2024
“Schools of Applied Arts: Forerunners of a New Architecture Education?”
Dortmund University of Applied Arts and Sciences, Department Architecture,
Emil-Figge-Straße 40, 44227 Dortmund, lecture hall 0.01
Today’s departments of architecture and design at Dortmund University of Applied Sciences and Arts date back to the School of Crafts and Applied Arts founded in 1904. The 120th anniversary of Dortmund’s institution is being taken as an opportunity to organise a conference on the relationship between architectural education and arts and crafts production as well as the influence of schools of applied arts on the architectural discourses of the time.
From the second half of the 19th century onwards, schools of applied arts also played – in addition to technical colleges, academies, and construction schools – an essential role in architectural education. In the course of the transformation of the polytechnic schools into technical colleges and the accompanying academisation of their education, their clientele changed, as the German A-level certificate was now required for admission. For students with artistic, craft and technical talents who lacked a university entrance qualification, there emerged a gap into which the still young institution of the school of applied arts stepped in. It had developed based on the major trade shows at the World’s Fairs in London in 1851 and 1862 as well as in Paris in 1867. In 1867, the association of the “Deutsches Gewerbe-Museum zu Berlin” founded first the Kunstgewerbemuseum zu Berlin to promote the art industry, and then in 1868 the associated “Unterrichts-Anstalt,” following the English model. Numerous other schools of applied arts were quickly established throughout the German Reich, but only a few included specific architecture classes in their curriculum, alongside topics such as ornamental and figure drawing, modelling, sculpture, or decorative painting. Around 1900, however, the young school format placed the combination of art, craft, and technology as well as the interaction of material, object, and space at the centre of its teaching and thus advanced to become the avant-garde motor of a new architecture. This took place in the wake of the applied arts reform and the simultaneous economic expansion drive of the German Reich, as well as in anticipation of the demands of the Deutscher Werkbund founded in 1907.
The aim of the conference is to reflect on the teaching of architecture at schools of applied arts from a technical, didactic, personnel and structural perspective. The main questions will be centred on specific teaching concepts and content that have been practised at schools locally or nationally. Of interest, for example, is to what extent the subject of “Raumkunst” (spatial art) can be defined as an amalgamation of interior design and building construction. The conference also explores the influence that the progressive conception of material, object and space as a constant unit has had on the contemporary understanding of architecture. Architectural education at schools of applied arts is therefore also presented in the context of other teaching institutions and object-based teaching. Case studies from the beginnings through the Werkbund period to the Bauhaus shed light on the agenda of architectural teaching at schools of applied arts as well as on new school buildings, links to industry, and individual careers. International developments and interrelationships are also examined.
The conference is supported by the Fritz Thyssen Stiftung and is organised by the Chair of Architectural History, Theory, and Preservation at Dortmund University of Applied Sciences and Arts, the Chair of Architecture and Art History at Darmstadt University of Technology and the research network “Pioneers of Design Education. New Perspectives on German Schools of Decorative Arts before the Bauhaus” as Design Campus LAB at the Kunstgewerbemuseum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. The conference is also the 4th annual conference of the research network.
The organisers ask all those, who are interested to participate the conference, to register via email by November 18, 2024: architekturlehrefh-dortmund.de
PROGRAMM
Thursday, December 5, 2024
9.30 a.m., Registration
10.00 a.m., Introduction
10.30 a.m., Session 1: Vom Lehrplan zur Didaktik
Architektenausbildung im 19. Jahrhundert: Institutionen, Curricula, Lehrer
Christiane Salge, Darmstadt
Von Ornamenten und Modellen. Mittel der Architekturlehre an Kunstgewerbeschulen
Anna-Sophie Laug, Pforzheim
„Zusammenfassung aller Künste und aller Gewerbe in der Architektur" – Die Kunstgewerbeschule Hamburg unter Richard Meyer und ihr Neubau von Fritz Schumacher (1911–13)
Elke Katharina Wittich, Hannover
1.00 p.m., Lunch
2.00 p.m., Session 2: International references
Teaching architecture in an applied art museum: South Kensington and the evolution of British architectural education
Lily Crowther, London
From Great Britain to Prussia. Hermann Muthesius and the schools of applied arts
Christiane Fülscher, Dortmund
The Werkbund touch: industrial culture, architecture and social reform in Offenbach
Christian Welzbacher, Berlin
Teaching interiors. The emergence of interior architecture in Belgian architecture schools
Fredie Floré, Ghent
5.00 p.m., Summary of the first day
Friday, December 6, 2024
9.00 a.m., Registration
9.30 a.m., Session 3: Erste Ansätze einer Architekturlehre
Zur Architekturlehre an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin
Julia Witt, Berlin
Viele „Wege nach Weimar"? Van de Velde, Schultze-Naumburg und das Kunstgewerbe
Ole W. Fischer, Stuttgart
11.15 a.m., Session 4: Wandel zur Werkschule und zu einer umfassenden Architekturausbildung
Im Fluss. Architekturausbildung am Bauhaus 1919–1933
Anke Blümm, Weimar
Der Beitrag der Kölner Werkschulen zur Reform der Sakralarchitektur im Rheinland
Christiane Heiser, Köln
12.30 p.m., Lunch
1.30 p.m.
Keimzelle einer Lehranstalt modernen Zuschnitts. Die Werkschule für gestaltende Arbeit in Stettin
Sylvia Claus & Miriam-Esther Owesle, Cottbus
Kollaboration und Innovation. Rudolf Schwarz und die Idee der Werkgemeinschaft
Hannah Schiefer, Düsseldorf
2.45 p.m., Final discussion
3.30 p.m., Proposed end
Supported by Fritz Thyssen Stiftung, Köln
https://www.fritz-thyssen-stiftung.de/
Organisation
Christiane Fülscher – Architecture History, Theory, and Preservation, Dortmund University of Applied Sciences and Arts
https://www.fh-dortmund.de/lehrgebiete/architekturgeschichte-theorie-und-denkmalpflege.php
Anna-Sophie Laug – Department of Design, University of Pforzheim
https://designpf.hs-pforzheim.de/kupfer
Christiane Salge – History of Architecture and Art, Technical University of Darmstadt
https://www.kunstgeschichte.architektur.tu-darmstadt.de
Research Network „Pioneers of Design Education. New Perspectives on German Schools of Decorative Arts before the Bauhaus“, Design Campus LAB at the Kunstgewerbemuseum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
https://designcampus.org/lab/pioneers-of-design-education/
CCSA Center for Critical Studies in Architecture
https://www.criticalarchitecture.org
Quellennachweis:
CONF: Kunstgewerbeschulen (Dortmund, 5-6 Dec 24). In: ArtHist.net, 20.10.2024. Letzter Zugriff 21.11.2024. <https://arthist.net/archive/42974>.