CFP 21.09.2024

Eine Zukunft für wessen Vergangenheit? (Ascona, 22-24 Oct 25)

Congressi Stefano Franscini - Monte Verità, Ascona, 22.–24.10.2025
Eingabeschluss : 15.11.2024

Robin Rehm

Konferenz: "Eine Zukunft für wessen Vergangenheit? Das Erbe von Minderheiten, Randständigen und Menschen ohne Lobby", 22. bis 24. Oktober 2025 anlässlich des 50jährigen Jubiläums des Europäischen Denkmalschutzjahres.

Die Tagung ist eine gemeinsame Veranstaltung der Arbeitsgruppe «Denkmalschutzjahr 2025» des ICOMOS Suisse, der ETH Zürich und Lausanne sowie der Nationalen Informationsstelle zum Kulturerbe NIKE (ab März 2025 Netzwerk Kulturerbe Schweiz). Tagungsort ist das Kongresszentrum Congressi Stefano Franscini auf dem Monte Verità.

Das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 stand unter dem Motto «Eine Zukunft für unsere Vergangenheit». 50 Jahre später stellt sich angesichts der Folgen von Globalisierung, Migration, kommunikationstechnologischer Revolutionen und bürger- und menschenrechtlichem Aktivismus die Frage, wer mit «uns» überhaupt gemeint ist. Denn wer zur Gesellschaft dazugehört, ist nicht schon dadurch beantwortet, dass eine Gesellschaft von sich selbst behauptet, pluralistisch zu sein und in einem beschleunigten Prozess der Ausdifferenzierung begriffen ist. Einen selbstlaufenden Trend zu mehr gesellschaftlicher Toleranz und Offenheit gibt es nicht, wie gerade in jüngster Zeit am Aufschwung rechtsnationalistischer Parteien und populistischer Kampagnen gegen Zugewanderte im gesamten globalen Norden konstatiert werden muss. Die Frage der Zugehörigkeit ist vielmehr ein kontinuierlicher Aushandlungsprozess, in dem sich die Grenzen dessen, was als akzeptierte Vielfalt gilt, permanent verschieben – und zwar massgeblich auch durch die Festlegung, welche Geschichte erinnert und wessen Kulturerbe geschützt werden sollen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie spezifische Wissens- und Rechtsregime bestimmen, was als schützenswerte Kultur Anerkennung findet, und welche Bedingungen zu deren Ausformung beigetragen haben? Wen schliesst die institutionelle Denkmalpflege heute bereits unbewusst oder auch bewusst aus, wenn sie Grundlagen für den Entscheid erarbeitet, wessen Erbe zukünftig bewahrt werden soll. Welche Rolle spielen in diesem Kontext Verbände oder auch Fachvereinigungen? Liesse sich die denkmalpflegerische Praxis aus der Sicht der bislang Nichtbeachteten inklusiver denken und betreiben? Debatten um die Bedeutung bislang wenig beachteter immaterieller Werte für die Beurteilung materieller Kulturgüter und das Verhältnis von Erhaltung und Anpassung baukultureller Bestände zielen bereits in diese Richtung, insofern sie den Erbe-Begriff etwa für die baulichen Zeugnisse indigener Völker erweitert, für Räume jenseits Europas geöffnet und für die Einbeziehung sich ändernder Rahmenbedingungen sensibilisiert haben. Die denkmalpflegerischen und gesellschaftlichen Logiken von Aus- und Einschluss selbst stehen dabei jedoch noch nicht im Zentrum. Welche Denkmäler geraten in den Blick, wenn Minderheiten, Randgruppen und Menschen ohne Lobby Orte bezeichnen, an die sich für sie zentrale, ihr Leben in der Mehrheitsgesellschaft prägende Erfahrungen knüpfen? Welche neuen Konzepte sind nötig, um die dabei relevante Verschränkung von persönlicher Erinnerung und öffentlich sichtbaren Spuren im Denkmalbegriff zu integrieren? Und welche anderen Schutzansätze könnten entwickelt werden, um diese Konzepte operationalisierbar zu machen? Lassen sich daraus auch Perspektiven für den Umgang mit dem Erbe zukünftiger Minderheiten ableiten?

Die interdisziplinär ausgerichtete Konferenz «Eine Zukunft für wessen Vergangenheit? Das Erbe von Minderheiten, Randständigen und Menschen ohne Lobby» widmet sich diesen Fragen. Ziel der Tagung ist es, den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu vertiefen und vielfältige Vernetzungsgelegenheiten zwischen beiden Bereichen zu schaffen.

Wir laden Forscher:innen und Praktiker:innen aus den Fachgebieten Bau- und Bodendenkmalpflege, Heritage Studies, Sozialanthropologie, Geschichts- und Sozialwissenschaften, Architektur- und Kunstgeschichte, ebenso wie Vertreterinnen und Vertreter von Minderheiten, Randgruppen und Menschen ohne Lobby sowie Personen aus dem Integrationsbereich herzlich dazu ein, sich für einen Beitrag zu bewerben. Finanzielle Unterstützung zur Ermöglichung einer Teilnahme an der Tagung können bei den Veranstaltern (siehe Emailkontakt unten) angefragt werden.

Mögliche Formate sind: 20-minütiger Vortrag, 5-10-minütige Posterpräsentation, Diskussionen oder Workshops (hierzu bitte Themen vorschlagen). Konferenzsprachen sind Englisch sowie die Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch. Es ist vorgesehen, die vollständigen Texte (full paper) der Vorträge an der Konferenz als Handouts in der Originalsprache und auf Englisch zur Verfügung zu stellen.

Zu adressierende Fragen können sein:
- Wie wird aktuell mit dem baukulturellen Erbe von Minderheiten umgegangen? Was sind die Erfahrungen? Welche Grundlagen, Best practices und Desiderate lassen sich ausmachen?
- Wie bewegt sich die Denkmalpflege im Spannungsfeld zwischen den spezifischen Interessen bestimmter Nutzergruppen und den kulturell etablierten Interessen und wie muss der Aspekt der Berücksichtigung des Kulturerbes einzelner Nutzergruppen diesbezüglich eingeordnet werden?
- Wer definiert, was zum schützens- und erhaltenswerten baukulturellen Erbe von Minderheiten zählt? Welche Minderheiten werden bislang als solche beachtet? Geschieht dies top-down (also eher nicht durch Vertreter:innen der genannten Gruppen) oder bottom-up – unter Einbeziehung der Betroffenen, oder ohne sie?
- Wie tauglich sind die aktuellen Inventarisierungskriterien und die ihnen zugrunde liegenden Paradigmen für die Beurteilung und Bewertung des Kulturerbes von Minderheiten?
- Wie bewerten Minderheiten ihr gebautes Kulturerbe selbst und wie wäre mit dem Wunsch nach Nicht-Erhaltung umzugehen?
- Wie findet man eine gute Balance zwischen «Mehrheitskultur(erbe)» und «Minderheitenkulturen(erbe)», damit die geschützten/erhaltenen Objekte tatsächlich mit einer langfristigen Perspektive repräsentativ für die Gesellschaft sind und bleiben.
- Welcher Bedeutung kommt beim Schutz/Erhaltung des baukulturellen Erbes von Randgruppen und Minderheiten dem handwerklichen Können zu? Wie wird dieses erhalten, eingebunden und gefördert? Ergeben sich daraus Potenziale auch für die Pflege des «Mehrheitserbes» (verschwindendes handwerkliches Wissen, Fachkräftemangel und fehlender Berufsnachwuchs).
- Welche Chancen und Risiken tun sich bei der Vermittlung auf, wenn das baukulturelle Erbe von Minderheiten ins Zentrum gestellt wird?

Interessierte reichen bitte bis zum 15. November 2024 ein erweitertes Abstract und Vorschläge (max. eine Seite/500Worte) mit Kurz-CV ein: denkmalschutzjahr2025arch.ethz.ch

Die eingereichten Vorschläge werden anschliessend vom Projektbeirat im Peer-Review-Verfahren begutachtet.

Rückmeldung erfolgt am 16. Dezember 2024.

Die Abgabe der Full Paper der akzeptierten Vorträge ist für Anfang Mai 2025 geplant.

Die Tagungsergebnisse sollen in einer Publikation vorgelegt werden, die nach der Konferenz erscheinen wird.

Quellennachweis:
CFP: Eine Zukunft für wessen Vergangenheit? (Ascona, 22-24 Oct 25). In: ArtHist.net, 21.09.2024. Letzter Zugriff 27.09.2024. <https://arthist.net/archive/42728>.

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