CFP Nov 25, 2023

FKW, Nr. 75: Landschaft, Wetter, Kraut und Kritter

Deadline: Feb 1, 2024

Kerstin Brandes, U Bremen

[English version below]

FKW//Zeitschrift für Geschlechterforschung und Visuelle Kultur, Nr. 75, Herbst/Winter 2024
https://www.fkw-journal.de.

Landschaft, Wetter, Kraut und Kritter – Anthropozän-Diskurs und Visuelle Kultur.

Die gegenwärtig rotierende Diskurs- und Kunstproduktion um Anthroprozän, Artensterben, Klimawandel und die umfassende Zerstörung unseres Planeten ließe sich einerseits mit Foucault als eine eigene, immer noch extraktivistischen Logiken folgende Maschine beschreiben, oder andererseits als immer verzweifelter erscheinende Versuche, relevant zu bleiben, tatsächlich einen Unterschied zu machen in der krisenhaften Gegenwart, deren aktuelle Kriege diese Bedrängnis noch weiter steigern. Folgt man den Publikationen, Tagungen und CfPs in den Kunst-, Kultur- und Medienwissenschaften, sowie den Ausstellungen und Veranstaltungen der Museen und des Kulturbetriebs, dann hat sich hier seit der apodiktischen Etikettierung unseres gegenwärtigen Zeitalters ein Anthropozän-Diskurs herausgebildet, der genau wie das, was er thematisiert, unter Hochdruck steht – der sich zunehmend beschleunigt, ausgebreitet und verselbstständigt hat. Zwischen Zustandsdiagnosen und der Suche nach Handlungspotenzialen wird eine Dringlichkeit erzeugt, die immer auch mit einem Versprechen des Neuen und den Logiken einer affizierenden Dramatisierung verknüpft ist. Letztere kann jedoch auch dazu führen, dass mit einer gewissen Angstlust und Verdrängung auf die Katastrophen der ‚anderen‘ geschaut wird, und sich selbst – zum Glück¬ – (noch) nicht so stark betroffen zu fühlen.

Wenn die Ergebnisse teilweise eher einer Ökonomie der Aufmerksamkeit folgen als einem ökologisch ausgerichteten Aufmerken und auch kritische kulturwissenschaftliche Ansätze unversehens im Fahrwasser der kapitalistischen Logik eines „Mehr“ und „Schneller“ landen, verdeutlicht das vor allem die Notwendigkeit, immer auch über eine Nachhaltigkeit theoretischer Konzepte und wissenschaftlicher Erkenntnisse selbst – ebenso wie die einer atemlosen Klimakunst-Produktion –nachzudenken. Einig scheinen kritische Perspektiven darin, dass technologischer Solutionismus nicht ausreichen wird. Stattdessen plädieren sie auf der epistemologischen Ebene für ein anderes Denken, andere Verknüpfungen, ein anderes Erzählen. Was also können Ästhetik, Visuelle Kultur und darauf bezogene Theoriebildung tun? Wie ist damit umzugehen, dass der Verstrickung mit extraktivistischen Praktiken und Bedingungen nicht gänzlich zu entkommen ist? Und was ist das Potenzial und der Preis, wenn künstlerische und Theorie-Produktion sich in den Dienst von Anthropozän-Kritik stellen oder gestellt werden?

Die drei Kon/Figurationen „Landschaft“, „Wetter“, „Kraut und Kritter“, die gegenwärtig in wissenschaftlichen Debatten wie auch in den Tagesnachrichten präsent sind, sollen dazu im Fokus der Beiträge stehen: „Landschaft“ hat sich von einem klassischen Sujet der Kunst zum bildlichen Krisen- und Katastrophen-Anzeiger verschoben, vom paradiesischen Sehnsuchtsbild zum dystopischen Szenario. „Wetter“ wird vorhergesagt, überwacht, visualisiert und dramatisiert; im Alltagsdiskurs ist es vom Neben- zu einem Hauptakteur und zu einem Symptom für Klimawandel geworden. „Kraut und Kritter“ sind virulent als sterbende, lokale Arten, die es zu schützen und zu retten gilt, und als invasiv markierte Arten, die als Bedrohung geltend gemacht werden und deren Ausbreitung und Migration durch das veränderte Wetter vorangetrieben wird. Ab wann ist eine Art jedoch „heimisch“ und ab wann „invasiv“, wann wird ein Kraut zum Unkraut?

Mit dem special issue von FKW//Zeitschrift für Geschlechterforschung und Visuelle Kultur
wollen wir den Versuch machen kurz inne zu halten, um bereits Vorhandenes, bereits Gesehenes und Geschriebenes noch einmal anzuschauen und nachzulesen – was ist übrig geblieben und verwertbar, erschien unwichtig und kann aktuell relevant werden, bekommt Gewicht. Ganz bewusst wurden mit „Landschaft, Wetter, Kraut und Kritter“ Begriffe gewählt, die sich an ein gedankliches Besinnen richten und darauf, auch „vor der eigenen Tür“ nachzudenken, ohne die globalen und planetarischen Zusammenhänge zu negieren oder zu vergessen. Wir laden ein zu einem neu Lesen, einem Recycling von Theorien, Bildern, Texten und Visualisierungen, zu (Re-)Lektüren auch bislang eher vernachlässigter Autor*innen, Theoretiker*innen, Künstler*innen, unter veränderten Bedingungen, unter veränderter Fragestellung. In der kritischen Auseinandersetzung mit diskursiven Beschleunigungstendenzen und Skalierung auf immer größere Gefüge wünschen wir uns Beiträge, die sich dieser vom Lokalen her gedachten Kon/Figurationen annehmen.

Wir freuen uns auf die Einsendung von Abstracts bis zum 01. Februar 2024 an Marietta Kesting (marietta.kestingici-berlin.org) und Kerstin Brandes (k.brandesuni-bremen.de).
FKW 75 erscheint im Herbst/Winter 2024. Die Frist für die Einreichung der ausgearbeiteten Texte ist der 30. April 2024.

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FKW//Zeitschrift für Geschlechterforschung und Visuelle Kultur, No 75, Fall/Winter 2024
https://www.fkw-journal.de.

Landscape, Weather, Herbs, and Critters – Anthropocene discourse and visual culture.

The discourse and art production currently rotating around the topics of the Anthropocene, extinction of species, and climate change could be described in Foucauldian terms as its own machine, one that is still ruled by extractivist logic; or as the frantic attempt to remain relevant, to really make a difference in our crisis-laden age, whose current wars continue to elevate the distress. Tracking the publications, conferences, and CfPs in art history, cultural, and media studies, as well as the exhibitions and events in museums and cultural institutions, we see that, ever since the apodictic labeling of our current age, a discourse of the Anthropocene has emerged that is under high pressure, exactly like what it thematizes – and that has increasingly accelerated, spread, and taken on a life of its own. Between diagnoses of the current situation and the search for any potential for action, an urgency has been created that is always linked to the promise of something new and the logic of an affecting dramatization.

The latter, however, can also lead to a certain mixture of pleasure and fear as well as repression when looking at the catastrophes of 'others,' while also – fortunately – not (yet) feeling so strongly affected oneself. If the results sometimes follow an economy of attention rather than an ecologically oriented attentiveness, and even critical cultural studies approaches suddenly end up in the wake of the capitalist logic of "more" and "faster," this illustrates above all the need to always also consider the sustainability of theoretical concepts and scientific findings themselves – as well as that of a frenzied climate art production. Critical perspectives unite in deeming technological solutionism as insufficient. Instead, on an epistemological level, they argue for a different way of thinking, different connections, a different narrative. So what can aesthetics, visual culture, and related theory formation do? How can we deal with the fact that we cannot completely escape our entanglement with extractivist practices and conditions? And what is the potential and the price when artistic and theoretical production are placed or put at the service of Anthropocene critique?

The three con/figurations "landscape," "weather," and "herb and critter," which are currently present in scientific debates as well as in the daily news, will be the focus of the contributions: "landscape" has shifted from a classic subject of art to a pictorial indicator of crisis and catastrophe, from an image of paradisiacal longing to a dystopian scenario. "Weather" is forecast, monitored, visualized, and dramatized; in everyday discourse, it has gone from being a minor to a major topic and a symptom of climate change. "Herbs and critters" are virulent as dying, local species that need to be protected and saved, and as invasive species that are labeled as a threat and whose spread and migration is driven by the changing weather. But when does a species become "native" and when does it become "invasive," when does an herb become a weed?

With this special issue of FKW//Zeitschrift für Geschlechterforschung und Visuelle Kultur (FKW//Magazine for Gender Studies and Visual Culture) we want to attempt to pause for a moment to look at and re-read what has already been seen and written – emphasizing what has remained and can still be utilized, what seemed unimportant and can now become relevant. The terms "landscape, weather, herbs, and critters" were deliberately chosen to encourage thoughtful contemplation and reflection "on our own doorstep," without negating or forgetting the global and planetary connections. We invite you to a new reading, a recycling of theories, images, texts, and visualizations, to (re)readings of previously neglected authors, theorists, and artists, under different conditions and with different questions. Within the critical examination of discursive acceleration tendencies and scaling to ever larger structures, we would like to see contributions that take on these con/figurations conceived from the local.

We look forward to your abstracts by February 1, 2024 to Marietta Kesting (marietta.kestingici-berlin.org) and Kerstin Brandes (k.brandesuni-bremen.de).
FKW 75 will be published in fall/winter 2024, and the deadline for submission of completed texts is April 30, 2024.

Reference:
CFP: FKW, Nr. 75: Landschaft, Wetter, Kraut und Kritter. In: ArtHist.net, Nov 25, 2023 (accessed May 18, 2024), <https://arthist.net/archive/40690>.

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