Donnerstag, 7.10.2021, 18 – 21 Uhr
Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, Grabbeplatz 4, 40213 Düsseldorf
Freitag, 8.10.2021, 10 – 17 Uhr
Kölnischer Kunstverein, Hahnenstraße 6, 50667 Köln
Eine Kooperation zwischen dem Kunstgeschichtlichen Institut und dem Marie Jahoda Center For International Gender Studies (MaJaC), Ruhr-Universität Bochum und reboot: responsiveness, Kölnischer Kunstverein und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
Organisiert von Eva Birkenstock, Nikola Dietrich, Viktor Neumann und Änne Söll
100 Jahre ist es her, dass Frauen an den staatlichen Kunstakademien zugelassen wurden und damit ein Meilenstein innerhalb des langen Professionalisierungskampfes von Künstlerinnen in Deutschland getan wurde. Weiblichkeit fungiert dabei bis in die Gegenwart als eine von vielen, häufig miteinander verschränkten, hierarchisierenden und ausschließenden Kategorien, die seit jeher auch in transnationalen Kunstinstitutionen etabliert und konstruiert werden. Obwohl sich ab den 1950er Jahren zumindest ein kontinuierlicher Anstieg der Präsenz von Frauen an deutschen Kunstakademien verzeichnen lässt, hielt ihre Benachteiligung im Kunstbetrieb an. In Reaktion darauf widmete sich ein Teil der Frauenbewegung der 1970er Jahre – gemeinsam mit ihren Verbündeten aus anderen Freiheitsbewegungen – sowohl theoretisch als auch künstlerisch der Bekämpfung der institutionalisierten Ungleichheit der Geschlechter; Schwarze Frauen zusammen mit Frauen of Color unterstrichen dabei von Beginn an die Intersektionalität von strukturellen Ausschlussmechanismen. Zwar zeigen Studien minimale paritätische Veränderungen innerhalb des Feldes der zeitgenössischen Kunst seit den 1990er Jahren, doch sind Ungleichheiten weiterhin allgegenwärtig. Inwiefern die in allen Bundesländern vorgesehenen Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten das Kunstsystem zu transformieren vermögen, bleibt offen. Denn durch fortbestehende patriarchalische, anti-soziale und rassistische Strukturen und die daraus resultierenden Machtgefälle wird der Mythos des – weißen, heterosexuellen, cisgender und ‚fähigen’ – männlichen Genies in allen Bereichen des Feldes nur sehr zögerlich destabilisiert.Während des Symposiums werden sowohl Ursachen hinsichtlich verschränkter Machtstrukturen und Ausgrenzungsmechanismen analysiert als auch Vorschläge diskutiert, die diese zu überwinden vermögen. Wie kann eine Gleichstellung im Kunstbetrieb erreicht werden, die von Anfang an Faktoren wie Migrations- und Bildungshintergrund, sexuelle Orientierung und körperliche und neuronale Differenz bereits seit der Ausbildung mitbedenkt?
Der Auftakt der Veranstaltung findet am 7. Oktober 2021 im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf statt. Anhand eines von Madeleine Bernstorff zusammengestellten und kommentierten Screenings zur Suffragettenbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts sowie einer Keynote Lecture der feministischen Philosophin und Autorin Ewa Majewska wird der zeitliche und inhaltliche Rahmen des Symposiums vorgestellt. Ausgehend von den Aktionen der Guerilla Girls zur Gleichstellung in Kunstinstitutionen wird Majewska aktuelle Strategien des Widerstands, wie sie von Kunstinstitutionen in Polen erprobt und praktiziert werden, präsentieren. Sie schlägt vor, simplifizierende Konzeptionen von Parität zu Gunsten von dringlichen intersektionalen und dekolonialen Perspektiven zu erweitern.
Der zweite Teil des Symposiums findet am 8. Oktober 2021 im Kölnischen Kunstverein statt und vereint Vorträge und Dialoge zwischen Denker:innen, Künstler:innen und Kulturschaffenden. Der erste Block widmet sich zunächst historischen Exkursen über die Prozesse, Problematiken und Potentiale von Gleichstellung im Kunstbetrieb: Brigitte Sölch (Universität Heidelberg) wird die Situation von Kunsthistorikerinnen um 1900 beleuchten und das DFG-Netzwerk „Kunsthistorikerinnen vor 1970“ vorstellen. Nadine Oberste-Hetbleck (Universität zu Köln) gibt Einblick in die Bestände des Zentralarchivs für deutsche und internationale Kunstmarktforschung. Die Künstlerin Maximiliane Baumgartner erzählt über aus dem kunsthistorischen Kanon ausgeklammerte und trans-temporale Solidarisierungen. In einem zweiten Block untersuchen Stephanie Marchal (Ruhr-Universität Bochum) am Beispiel der Kunstkritik und Chus Martínez (FHNW Basel) ausgehend von der künstlerischen Ausbildung institutionalisierte Ungleichheiten und eröffnen Überlegungen zu kunsthistorischen Revisionen und strukturellen Transformationen. In einem abschließenden Block, moderiert von Gürsoy Doğtaş (Universität für angewandte Kunst, Wien), beschreiben der Kurator Michael Annoff, die Regisseurin Pary El-Qalqili und die Programmleiterin von Diversity Arts Culture Bahareh Sharifi wie Diskriminierungen miteinander verknüpft sind, hinterfragen das Diversitätsverständnis des Kunstsystems und diskutieren über die Notwendigkeit eines institutionellen Verhaltenskodex und weiterer struktureller Veränderungen.
Programm:
Donnerstag 7. Oktober 2021, 18 – 21 Uhr
Veranstaltungsort Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
18 Uhr
Begrüßung Eva Birkenstock (Direktorin Ludwig Forum, Aachen / reboot: responsiveness) und Änne Söll (Kunsthistorikerin, Ruhr-Universität Bochum)
18:15 Uhr
Suffragetten im Kunstverein
Kommentiertes Screening Madeleine Bernstorff (Filmkuratorin, Autorin, Lehrende, Kulturproduzentin), in deutscher Sprache
Le torchon brûle où Une querelle de ménage, F 1912, Regie: Romeo Bosetti, 5 min.
Ein Ehestreit über die Suppe und der Haussegen brennt, die Trümmer fliegen durch die Luft und das Paar rollt im Streit ineinander verschlungen durch die Stadt.
The Pickpocket, USA 1913, Regie: John Bunny, 13 min.
Der dicke Ehemann lässt seine hagere Suffragettengattin, die ihm die Mahlzeit nicht pünktlich serviert, verhaften.
Bobby bei den Frauenrechtlerinnen, D 1911, Regie: Oskas Messter, 6 min.
Bobby verkleidet sich als Suffragette und besucht deren Versammlung, wird entdeckt und verfolgt.
A Suffragette in Spite of Himself, GB 1912, Regie: Bannister Merwin, 8 min.
Ein Suffragettengegner wird unfreiwillig zum Propagandisten der Bewegung. Das letzte Wort behält das Dienstmädchen.
Cunégonde recoit sa famille, F 1912, Regie: unbekannt, 6 min.
Beim übereifrigen Versuch des Dienstmädchens, mit Unterstützung ihrer die Hausarbeit schneller zu erledigen, um so Zeit mit ihrer Familie zu haben, wird das bürgerliche Haus im Putzeifer verwüstet.
Annabelle, USA 1902, Regie: Thomas A. Edison, 2 min
Ein Serpentinentanz.“
19:30 Uhr
Parität? Ja, aber mit Filterblasen. Oder: Warum intersektionale und dekoloniale Perspektiven den Kunstsektor zukünftig egalitärer machen
Keynote Ewa Majewska (Feministische Philosophin, Autorin, Aktivistin), in englischer Sprache
Moderation Eva Birkenstock und Viktor Neumann (freier Kurator / reboot: responsiveness)
Freitag, 8. Oktober 2021, 10 – 17 Uhr
Veranstaltungsort Kölnischer Kunstverein
10 Uhr
Begrüßung Nikola Dietrich (Direktorin Kölnischer Kunstverein / reboot: responsiveness), Änne Söll und Christine Peters (NRW Kunststiftung, Leiterin Bereich Performing Arts)
10:15 Uhr
Wider das Image der Kunsthistorikerin? Architektur, Landschaft und Territorium als Forschungs- und Handlungsfelder
Vortrag Brigitte Sölch (Architektur- und Kunsthistorikerin, Universität Heidelberg), in deutscher Sprache
Parität und Solidarität im Kunstbetrieb? Ein Blick in die Archivbestände des Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung
Vortrag Nadine Oberste-Hetbleck (Kunsthistorikerin, Universität zu Köln, Direktorin des Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung – ZADIK), in deutscher Sprache
Auf Fassaden Schauen oder Die vierte Wand der dritten Pädagogin
Bebildeter Beitrag Maximiliane Baumgartner (Künstlerin), in deutscher Sprache
Moderation Änne Söll
12:15 – 12:30 Uhr kurze Pause
12:30 Uhr
Kunstkritikerinnen oder von der Suche nach einer inklusiveren Form von Kritik
Vortrag Stephanie Marchal (Kunsthistorikerin, Ruhr Universität Bochum), in deutscher Sprache
Die Sehnsucht nach Gleichstellung
Vortrag Chus Martínez (Institut Kunst, Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW, Basel), in englischer Sprache
Moderation Nikola Dietrich und Viktor Neumann
14 – 15 Uhr Pause
15 -17 Uhr
Nach allen Regeln der Ausgrenzung – über die Notwendigkeit eines institutionellen Verhaltenskodex
Einführung Gürsoy Doğtas (Kunsthistoriker, Universität für angewandte Kunst, Wien und Kurator)
Copy & Paste Diversity
Vortrag Michael Annoff (Kurator, akademische Mitarbeit FH Potsdam), in deutscher Sprache
Shirin spricht, aber wird nicht gehört. Performance willkommen. Selbstbestimmung abgelehnt
Vortrag Pary El-Qalqili (Regisseurin), in deutscher Sprache
Antidiskriminierung im Kulturbereich – eine Quadratur des Kreises?
Vortrag Bahareh Sharifi (Programmleitung Diversity Arts Culture), in deutscher Sprache
Moderation Gürsoy Doğtas
Reference:
CONF: Parität, Diversität u. Solidarität im Kunstbetrieb (Düsseldorf/Köln, 7-8 Oct 21). In: ArtHist.net, Oct 1, 2021 (accessed Dec 21, 2024), <https://arthist.net/archive/34940>.