Virtueller Nachwuchs-Workshop
Zum Thema gemacht. Aushandlung von Wissenschaftlichkeit in den Bildenden Künsten der Frühen Neuzeit.
Ausgerichtet von Dr. Christine Beese, Kunsthistorisches Institut der FU Berlin und Dr. Sophie-Luise Mävers, Kunsthistorisches Institut der Universität zu Köln
Traditionell gilt das 17. Jahrhundert als epistemologische Zeitenwende von einer umfassenden Naturphilosophie hin zu einer auf Beobachtung und Versuch basierenden rationalen Naturwissenschaft. Nicht mehr ein Denkmodell aus Analogien und Repräsentationen, sondern die Dinge selbst führen in dieser einflussreichen Erzählung zu letzter Erkenntnis. Ein von Empfindungen und Begierden befreiter Naturforscher wird zum Ideal des neuzeitlichen Wissenschaftlers, dem Künstler bleiben kunstfertige Illustrationen oder die ästhetisch-moralische Belehrung. Obschon dieses Narrativ nachhaltig wirkmächtig ist, zeigen jüngere Untersuchungen (Alexander Wragge-Morley etc.), dass dieses Idealbild eine rückwirkende Projektion darstellt, dass der sinnliche Genuss von Schönheit zum Methodenrepertoire des Naturforschers gehören konnte und der Betrachtung und Sammlung von Kunst selbst heilende Wirkung zugesprochen wurde (Frances Gage). Eine scharfe Trennung zwischen künstlerischem und wissenschaftlichem Schaffen ist somit obsolet (Hans Holländer), Eigenschaften, Funktionsweisen und Ziele gestalterischen Schaffens laden dazu ein, neu betrachtet zu werden. An diesem Punkt setzt der Workshop an.
Anhand folgender Leitfragen möchten wir Berührungspunkte zwischen ars und scientia in der Frühen Neuzeit ausloten, die bildenden Künstler und ihre Werke als wirkmächtige Agenten im Prozess der Wissenserzeugung und Wissenslegitimierung in den Blick nehmen: Welche Rolle kam den Künstlern innerhalb des sich verschiebenden Gefüges von Wissenserzeugung und Wissenslegitimation zu? Wie verorteten sie sich selbst, wie verstanden und konzipierten sie ihre eigenen Werke? Wie einflussreich ist das Prinzip des sinnlich unbeteiligten Beobachters, inwieweit nehmen Künstler und Architekten Strategien der aufkommenden Naturwissenschaften auf, inwieweit prägen sie selbst mit ihrem Werk die Möglichkeiten (natur-) wissenschaftlichen Forschens?
PROGRAMM
MONTAG, 4. Oktober 2021
9:00 Uhr
Begrüßung und Einführung in den Workshop
Dr. Christine Beese (Freie Universität Berlin), Dr. Sophie-Luise Mävers (Universität zu Köln)
PANEL I –
Künstlerische Strategien der Wissenserzeugung in den Bildenden Künsten der Frühen Neuzeit
Moderation: Dr. Sophie-Luise Mävers
9:30 Uhr
Optische Täuschung als Erkenntnismoment in der nordalpinen Malerei des 15. Jahrhunderts. Eine exemplarische Untersuchung von Konrad Witz` Hl. Christophorus
Ass.-Prof. Dr. Sandra Hindriks (Universität Wien)
10:15 Uhr
Malerei als Medium naturgeschichtlicher Erkenntnis? Jan van Kessels Zyklus der vier Erdteile
Dr. Robert Bauernfeind (Universität Augsburg)
11:00 Uhr
Bildnarration und Wissenskonstruktion im Journal des Sklavenschiffs Sandown
Annika Nasz, M.A. (Karlsruher Institut für Technologie)
11:45 Uhr
Produktive Gesprächspause via wonder.me und anschließende Mittagspause
PANEL II –
Inszenatorische Strategien akademischer (Wissens-)Räume
Moderation: Dr. Christine Beese
13:30 Uhr
Ars und Scientia Hand in Hand? Die Utopie einer Académie des Sciences et des Beaux-Arts als visuelle Reflexion institutioneller Interdependenzen
Dr. Sophie-Luise Mävers (Universität zu Köln)
14:15 Uhr
„sine quibus negabat artem perfici posse“ – Repräsentationsformen von Geometrie und Arithmetik in Frontispizen frühneuzeitlicher Kunstliteratur
Constanze Keilholz, M.A. (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)
15:00 Uhr
Akademische Aktsäle der Frühen Neuzeit: wissenschaftliche Umgebung gelehrter Kunstpraxis
Dr. phil. habil. Susanne Müller-Bechtel (Junges Forum der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig)
DIENSTAG, 5. Oktober 2021
PANEL III –
Epistemische (museale) Räume als Orte künstlerischer Objektrepräsentation
Moderation: Dr. Christine Beese
9:30 Uhr
Die Ordnung der Welt und die Ordnung des Geistes – Wunderkammern als Denkmodelle
Dr. Daniel Wolf (Museumslandschaft Hessen Kassel)
10:15 Uhr
Himmel, Erde und (jesuitischer) Kosmos: Globen und Kartenwerke in der naturwissenschaftlichen Lehrsammlung der Kölner Jesuiten
Henrike Stein, M.A. (Universität zu Köln)
11:00 Uhr
Vom Manikin zur anatomischen Venus
Franziska Gerloff, M.A. (Freie Universität Berlin)
11:45 Uhr
Epistemische Praktiken in ‚Wunderkammern‘: Das Kunst- und Naturalienkabinett der Franckeschen Stiftungen Halle als Aushandlungsort von Wissen(-schaften)
Nina-Marie Schüchter, M.A. (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
12:30 Uhr
Produktive Gesprächspause via wonder.me und anschließende Mittagspause
PANEL IV –
Selbstverortung von Architekten und Architektinnen zwischen ars und scientia
Moderation: Dr. Sophie-Luise Mävers
13:30 Uhr
Francesco di Giorgio: Der Architekt zwischen spirienza und scienzia
Dott.ssa Sophie Elaine Wolf (Leopold-Franzens-Universität Innsbruck)
14:15 Uhr
«Scientia sine Ars nihil est» —oder: Zeigen was ist: Zur wissenschaftlichen Methodik architektonischer Antikenrezeption im Rom (1530–1555) und ihren Folgen
Dr. Bernd Kulawik (Bern)
15:00 Uhr
Naturgesetz versus Tradition. Überlegungen zum Architekturverständnis von Jacques-Francois Blondel und Jacques Gondoin vor dem Hintergrund zweier Amphithéâtre de Chirurgie in Paris (1691/1774)
Dr. Christine Beese (Freie Universität Berlin)
Die Tagung findet als Videokonferenz statt. Vor Tagungsbeginn werden Ihnen die Zugangsdaten zugesandt.
Bitte melden Sie sich bis zum 03. Oktober 2021 per E-Mail zur Teilnahme an dem Workshop bei Dr. Sophie-Luise Mävers (s.maeversuni-koeln.de) an.
Reference:
CONF: Aushandlung von Wissenschaftlichkeit in den Künsten (online, 4-5 Oct 21). In: ArtHist.net, Sep 18, 2021 (accessed Nov 2, 2024), <https://arthist.net/archive/34824>.