CFP 15.03.2021

Liebes-Künste / Artes amatoriae (Jena, 8-10 Jun 22)

Friedrich-Schiller-Universität Jena, 01.–10.06.2022
Eingabeschluss : 30.04.2021

Svea Janzen

ACHTUNG NEUER VERANSTALTUNGSTERMIN: Jena, 8.-10. Juni 2022

--- English version below ---

Call for Papers
Liebes-Künste / Artes amatoriae. "L’amour courtois" in Text, Bild, Objekt und Musik (1180-1450)

Romanepen, Traktate, Gedichte, Musikstücke, Objekte und Bilder eröffneten zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert ein Gespräch über den Umgang mit der menschlichen Grundfrage der Liebe, anhand dessen gesellschaftliche Ideale und Wertvorstellungen neu formuliert, Geschlechterrollen definiert und gleichzeitig Fragen nach männlicher und weiblicher Identität bis hin zur Auflösung von Gender-Grenzen spielerisch verhandelt wurden. Die Tagung geht von der These aus, dass der höfische Liebesdiskurs für die Eliten im Mittelalter identitätsstiftend und für die Entwicklung von Sprache, Kunst und Musik von zentraler Bedeutung war. Der Liebesdiskurs des Mittelalters – so die These – bot Individuen wie sozialen Gruppen ein Identifikationspotential dar, das von der christlichen Religion nicht abgedeckt wurde. Die Tagung nähert sich dem Phänomen der höfischen Liebe vorwiegend unter kunsthistorischem Blickwinkel, um erstmals systematisch Bildmedien und Artefakte in den Blick zu nehmen, die den Liebesdiskurs im Dialog mit den Texten formten. Dabei soll dem Facettenreichtum des Liebesdiskurses durch die Einbeziehung von Literatur-, Kultur- und Musikhistoriker*Innen Rechnung getragen werden. Ziel ist, die mittels der Sprache evozierte Dingwelt der Texte und die künstlerisch gestalteten Objekte des Liebesdiskurses miteinander in Beziehung zu setzen.

Sektion 1: Materialien der Liebe fragt nach der Bedeutung von künstlerisch bearbeitbaren Materialien wie Gold, Perlen, Elfenbein und Seide im Rahmen des mittelalterlichen Diskurses über die Liebe, in welchem die Vorstellungen von Schönheit untrennbar mit höfischen Eigenschaften wie Reichtum, Großzügigkeit und Glanz verbunden waren. Dabei soll auch untersucht werden, in welcher Beziehung die erhaltenen Schmuckstücke, Gewänder und Artefakte zu den in den Texten formulierten idealisierten Bildern von adligen Männern und Frauen standen.

Sektion 2: Wie künstlerische Medien von der Liebe erzählen
Werke der Goldschmiedekunst, der Elfenbeinschnitzerei, des Limousiner Emails, der Malerei und der Holzskulptur sollen im Hinblick darauf verglichen werden, wie die Wahl des künstlerischen Mediums die Art und Weise der Bilderzählung von der Liebe mitbestimmt hat. Der Fokus soll auf der Frage liegen, mittels welcher medienspezifischer Strategien sich das einzelne Werk an die Betrachter wendete. Im Fokus stehen auch bildnerisch ausgestaltete Profanräume, die als Orte der Austragung des Liebesdiskurses das Potenzial boten, tradierte Kernthemen der höfischen Liebe zu aktualisieren und den Austausch ihres Publikums darüber lebendig zu halten. Fand der Liebesdiskurs in solchen Räumen eine sichtbare Form, so vergegenwärtigte die Musik das Thema der Liebe durch die Verbindung von Klang, Wort und Melodie. Erhellt werden soll das spezifische Potential der Musik, die gefühls- und stimmungshaften Aspekte des Liebesthemas sowie die inhärente Sehnsucht des Individuums nach Transzendenz zum Ausdruck zu bringen.

Sektion 3: Bildsprachen – Sprachbilder
Hat sich die literaturwissenschaftlich motivierte Untersuchung des Verhältnisses von Bild und Text in Liebeserzählungen vor allem auf die Frage konzentriert, welche Szenen und Motive der Texte in Bilder gefasst wurden, steht die Untersuchung der künstlerischen Genese der Bildkompositionen an sich noch aus. Die textbegleitenden Bilder wurden oft mit einem deutlich geringeren materiellen Aufwand ausgeführt als die Miniaturen zeitgleicher Bibeln und Stundenbücher. In der Vorläufigkeit und dem raschen Duktus gemahnen die Illustrationen und Bildfolgen häufig an moderne Comics. Manche Maler fassten zentrale Geschehnisse der Erzählung in einer einzigen Komposition zusammen. Die so entstandenen Bilder liefern eine über den Wortlaut des Textes hinausgehende, psychologisch wie emotional aufgeladene Interpretation der Geschichte. Sie können als eigenständige Allegorien der Liebe gelesen werden, deren Ikonologie zur Entschlüsselung einlädt.

Sektion 4: Zwischen weltlich und sakral – Motive der Liebe
Die Schnittstellen zwischen profaner und christlicher Ikonographie in den Blick zu nehmen, hilft grundlegende Verbindungen und Parallelen zwischen der religiösen Vorstellungswelt des Mittelalters und dem Liebeskult zu beschreiben. Diese teilen z.B. Vorstellung vom Paradies und den Erlösungsgedanken miteinander. So ähnelt der von Blumen, Quellen und Vögeln belebte Garten, der als idealer Ort des Liebeserlebens beschrieben wird, nicht zufällig dem Hortus conclusus als Aufenthaltsort der Madonna und ihres heiligen Gefolges. Die Untersuchung einzelner symbolträchtiger Motive wie z.B. Rose und Vogel soll zu einer sowohl zeitlichen wie geographischen Ausweitung des Untersuchungshorizonts führen, indem nach ikonographischen Festschreibungen dieser Motive in der griechischen und römischen Antike, in den heidnischen Kulturen Vorderasiens, im Alten Ägypten sowie später im Islam gefragt wird.

Sektion 5: Zeiten der Liebe
Die Sektion thematisiert Kontinuitäten und Brüche in der Rezeption und Wandlung des Liebesthemas von Ovid über das Mittelalter bis hin zur Frühen Neuzeit. Ein Schwerpunkt soll auf der zeitlichen Verschiebung zwischen der Hochphase der Produktion von Texten, Gedichten und Liedern in der Zeit um 1200 und der erst im späten 14. Jahrhundert voll einsetzenden Blüte der Produktion von Kunstwerken und Artefakten liegen. So können Austauschprozesse zwischen französischen und deutschen Zentren der Literatur- und Kunstproduktion und, im Hinblick auf die Musik, auch zwischen Frankreich und Norditalien thematisiert werden. Die Renaissance des Liebesthemas am französischen Königshof zur Zeit Isabellas von Bayern († 1435) mit ihrem Impuls für Buch- und Kunstproduktion hatte Modellcharakter für die adligen und patrizischen Eliten Europas. Die Sektion soll daher auch Diskussionsraum für die Frage bieten, inwieweit das Konzept der höfischen Liebe wesentlich für die Internationalisierung der Kunst der Zeit um 1400 war.

Sektion 6: Liebe und Identität geht der Frage nach, inwiefern Kunstwerke, die im Kontext des Liebesdiskurses entstanden, der Identitätsbildung dienten. Das identifikationsstiftende Potenzial christlicher und historischer Thematiken wie der Kampf Davids gegen Goliath oder der Trojanische Krieg ist bekannt. Weniger untersucht ist, inwieweit vom Liebesdiskurs inspirierte Wandmalereien oder aufwändig gestaltete Handschriften Adel und Patriziat neues Terrain zur Identitätsformung und Selbst-Spiegelung eröffneten. Auch kleinformatige oder weniger aufwändig gestaltete Objekte wie Spiegel, Kästchen und Schmuckstücke könnten hinsichtlich ihrer Nutzung und ihres Bildschmucks Flächen zur Formung und Repräsentation von z.B. Geschlechteridentitäten geboten haben.

Interessenten werden gebeten, bis zum 30. April 2021 ein Abstract von max. 300 Wörtern (dt., en. oder fr.) und ihren Lebenslauf einzureichen.

KONTAKT:
Prof. Dr. Juliane von Fircks (juliane.von.fircksuni-jena.de)
Dr. Svea Janzen (svea.janzenuni-jena.de)
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Seminar für Kunstgeschichte & Filmwissenschaft

/// ENGLISH VERSION ///

Call for Papers
Arts of Love / Artes amatoriae. "L’amour courtois" in Texts, Images, Objects und Music (1180-1450)
Friedrich Schiller University Jena, March 9-11, 2022
Deadline: April 30, 2021

Between the 12th and the 15th centuries, romances, treatises, poems, music, artifacts, and images opened up a multifaceted discourse treating the basic human question of love. The concept of courtly love not only conveyed identity and shaped the behavior of the medieval elites but was of fundamental importance for the development of language, art and music. It offered individuals and social groups a high potential for identification that was not provided by Christian religion. On the one hand, gender roles were codified; on the other, questions of male and female identity were negotiated playfully, at times almost dissolving gender boundaries. The conference will explore the phenomenon from a mainly art historical point of view, focusing on imagery and artifacts that shaped the discourse of courtly love in dialogue with the texts. At the same time tribute is being paid to the diversity of this discourse by involving historians of literature, culture, and music. The conference’s goal is to systematically link the material world of secular objects evoked by the texts with the surviving objects and works of art.

Session 1: Love Matters investigates the special meaning that artists’ materials such as gold, pearls, ivory, and silk carried within the medieval discourse, in which concepts of beauty were tightly linked with courtly characteristics like wealth, generosity and splendor. The session also addresses the relationship between surviving pieces of jewelry, textiles and artifacts on the one hand and the idealized notion of noble men and women created in texts on the other.

Session 2: How to Talk about Love in the Arts
Goldsmith works, ivories, Limoge enamels, paintings, and sculpture will be investigated in terms of how the choice of the artistic medium shaped the pictorial narrative of love. Through which media-specific strategies did works of art address the beholder? Secular spaces with pictorial decoration like wall paintings or tapestries will be of interest, too. As ideal venues for courtly love, they offered the potential to renegotiate old key issues of the discourse and thus to keep it alive. While in such spaces, the discourse of courtly love took visible shape, music evoked the subject of love through the combination of sound, word and melody. The aim is to highlight the specific potential of music to express the emotional and atmospheric aspects of love as well as the inherent longing of the individual for transcendence.

Session 3: Images in Texts, Images as Text
Literary research on the relationship between text and images in manuscripts of medieval romances has mainly focused on the question of which scenes and motifs of a text were put into images. An investigation of the artistic genesis of the images themselves is still lacking. The illuminations in manuscripts on courtly love are often executed with much less material effort than miniatures in contemporary bibles or books of hours. Their swift execution and almost provisional character are reminiscent of modern graphic novels. Some artists were able to sum up the plot of a story in one striking composition. Such images offer a psychologically and emotionally charged interpretation of the story that goes beyond the simple word meaning of the text. These images can be read as independent allegories of love whose iconology calls for decoding.

Session 4: Between Sacred and Secular – Motifs of Love
Taking into consideration the intersections between secular and Christian iconography helps to outline the fundamental connections and parallels between the religious cosmos of the Middle Ages and the cult of courtly love. They share for example the idea of a paradise and the notion of salvation. It is not a coincidence that the garden, filled with flowers, fountains, and birds and described as the ideal place for experiencing love, resembles the Hortus conclusus, where the Madonna resides surrounded by her court of saints. Scrutinizing symbolic motifs like the rose or the bird will lead to a temporal and geographical broadening of the field of investigation, opening it for questions concerning the iconographic codification of these motifs in Greek and Roman Antiquity, in the pagan cultures of the Near East, in Ancient Egypt or later in Islam.

Session 5: Times of Love looks at the continuities and disruptions in the reception and transformation of the subject of love from Ovid through the Middle Ages and to the Early Modern Period. One focus will be on the asynchrony between the peak in the production of texts, poems and songs in the time around 1200, and the late 14th century, when the production of artworks and artifacts on courtly love flourished. This allows us to address exchange processes between French and German centers of literary and artistic production and – with regards to music – between France and northern Italy. The renaissance of the love discourse at the French court in the time of Queen Isabeau de Bavière († 1435), which had great impact on the production of manuscripts and art, became an inspiration for the aristocratic and patrician elites of Europe. The session will thus also open room for discussing in how far the concept of courtly love might be essential for the internationalization of art in the time around 1400.

Session 6: Love and Identity will examine the question of how works of art created in the context of courtly love conveyed identity. The potential for identity formation inherent in Christian or historical subjects like David and Goliath or the Trojan War is well known. Less research has been done on how wall paintings or lavishly decorated manuscripts inspired by the topic of courtly love opened up new terrain for the identity building and self-reflection of Europe’s aristocrats and patricians. The decoration and use of small-scale or less elaborate objects like mirror cases, caskets and jewelry may have served as a space for the shaping and representation of gender identities.

Please submit your proposal of max. 300 words (German, English or French) and your CV by April 30, 2021.

Contact:
Prof. Dr. Juliane von Fircks (juliane.von.fircksuni-jena.de)
Dr. Svea Janzen (svea.janzenuni-jena.de)
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Seminar für Kunstgeschichte & Filmwissenschaft

Quellennachweis:
CFP: Liebes-Künste / Artes amatoriae (Jena, 8-10 Jun 22). In: ArtHist.net, 15.03.2021. Letzter Zugriff 25.04.2024. <https://arthist.net/archive/33601>.

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