CFP Mar 5, 2010

Junges Forum fuer Bildwissenschaft V (Berlin Jun 10)

Ingeborg Reichle

CALL FOR PAPER

Junges Forum für Bildwissenschaft V

IMAGE MATCH
Visueller Transfer, »imagescapes« und Intervisualität in globalen
Bild-Kulturen

Tagung der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Bildkulturen der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

9. -- 11. Juni 2010

Deadline für Vorschläge: 18. April 2010

Im Zuge der Globalisierung geraten Bilder gegenwärtig mitsamt den sie
tragenden Kulturen in neuer und massenhafter Weise in Bewegung: Bilder
werden Teil transnationaler und transregionaler Migration, fließen
millionenfach durch neue globale Kommunikationskanäle, sind gebunden an
neue Perspektivitäten, an Vektoren und Beweglichkeiten -- und
fusionieren ununterbrochen zwischen sozio-kulturellen Domänen,
Teilkulturen oder vormals separierten Bedeutungsräumen. Bilder und
visuelle Ensembles werden in der Folge vermehrt zu Trägern, »Orten« oder
auch symptomatischen Indizes kultureller Austausch-Bewegungen. Schon ist
stellenweise von »flowing images« die Rede, die nicht zuletzt in
Phänomenen der »Global Art« und vielen Bereichen der Naturwissenschaften
bereits sichtbar sind.
In diesen von jeher bedeutsamen Bewegungen der Bilder und Bildkulturen
entstehen nicht nur neue Bildformen, sondern darüber hinaus auch »third
spaces« (Edward Soja) von Bildern in den Transferräumen -- d. h. neue,
reale und virtuelle Bildarchive, Bildmärkte und visuelle Bühnen. Mit
ihnen formen sich spezifische transkulturelle Bildensembles und neue
Interpretationsgemeinschaften im Sinne von Bildkulturen, in denen diese
vielfältigen visuellen und ikonischen Begegnungen kultiviert,
enkulturiert oder verhandelt werden. Einzelne Bildkulturen wie etwa
Street Art, Fotomontage oder das VJing (Visual Jockeys), Kino-Remakes
mit ihren Übersetzungen über kulturelle Großräume, islamische
Superheldencomics u. ä. lassen sich inhärent nur in ihren kulturellen
Übertragungen von einem Bildraum in den anderen deuten. Aber auch
»traditionelle« Bildkulturen der sogenannten Hochkultur und die
tradierten Bildmedien sind in ihren visuellen Referenzen oft nur durch
ihre Übertragungen aus anderen Bildbeständen zu verstehen.

IMAGE MATCH stellt die Frage nach den Neubestimmungen einer
Bildwissenschaft unter den Bedingungen der massenhaften und mitunter
bewusst bzw. reflexiv stattfindenden Bildtransfers zwischen bestehenden
Bildkulturen. Fokussiert werden sollen da-bei neu entstehende
Gleichzeitigkeiten und Verkoppelungen zwischen kulturellem und
bildlichem Raum und damit zwischen unterschiedlichen, sich jedoch
ergänzenden Perspektiven des praktischen Sehens. Inwieweit muss die Idee
der kulturellen (Bild-)Produktion bspw. von der Dublette »Making« und
»Matching« (McLuhan) um ein »Mixing« ergänzt werden? Was ist, wenn
Bilder -- und Medien überhaupt -- Zeit und Raum nicht überwinden,
sondern kulturelle Akteure und Bedeutungsräume vielmehr verflechten? Was
bedeuten Bilder gerade im Austausch -- in oder nach einem
anspruchsvollen Transfer? Welche Bedeutungen entstehen in Sphären, die
als Drehkreuz zirkulierender Bilder, sich überkreuzender Bildachsen und
produktiver Hybridisierungen verstanden werden? Wie verstehen sich
»Meta-Bilder« (W.J.T. Mitchell), wenn man sie nicht einfach als Orte
beliebig verschachtelter Bildlichkeiten, sondern gleichzeitig auch als
Räume kultureller Überlagerungen betrachtet? Welche Art von »Frames«
bestimmen Bilder, die die Rahmen einer Kultur überschreiten, um sich
behaftet mit den Spuren ihres Ur-Sprungs in neue kulturelle
Bedeutungsräume einzuzeichnen? Wie bestimmen sich kulturelle und
bildliche Perspektivenübernahmen gegenseitig bzw. inwieweit sind sie
überhaupt unterscheidbar? Gefragt wird nach den damit einhergehenden und
neu entstehenden hybriden kulturellen Bildpraktiken und Bildsystematiken
sowie nach dem Einfluss auf den Status je bestehender »alter«,
etablierter Bilddomänen -- also auch nach der historischen Entwicklung
und Veränderung von Bildkognition selbst.

Bild-Bedeutung im Transfer
Ein zentraler Begriff der Fragestellung des diesjährigen »Jungen Forums
für Bildwissenschaft« ist der des »Transfers« als einer zunehmend
durchgängigen Größe allgemeiner Lebenserfahrung und -praxis für ganz
unterschiedliche Gruppen von Akteuren und einer umfassend sich geltend
machenden Realität der neuen Informations- und
Kommunikationsverhältnisse: soziale Netzwerke, weltumspannende
Imagepools, neue Verfügbarkeiten von Kommunikationskanälen, wachsende
multidimensionale Mobilitäten, globale kulturelle Märkte. All dies führt
zu neuen, teilweise inzwischen alltäglichen Übertragungen. Als Topos wie
auch als anspruchsvolle methodische Herausforderung an einen rein
kulturvergleichenden und komparatistischen Zugriff wird »Transfer«
bereits seit Längerem in den Literaturwissenschaften verhandelt.
Ähnliches zeichnet sich in ersten Umrissen für die Bildwissenschaften
ab, in denen die Thematisierungen und Programmatiken einer
»Intervisualität« oder »Interikonizität« bereits in Ansätzen diskutiert
werden. Fragen nach »Transfer« und »Intervisualität« können mit der
Betrachtung transversaler Kulturalität verknüpft und im Sinne einer
systematischen Neufassung des Kulturellen unter den Bedingungen der
Globalisierung verhandelt werden. Die Bedeutung von »Transfer« und
»Perspektivenübernahme« für komplexere kulturelle Prozesse wie die des
Lernens, des Dialogs oder der Empathie sollen dabei bewusst mitgedacht
werden. Auch der »Kampf der Kulturen« bietet eine Gegenfolie für die
hier eingenommene Blickrichtung.

»Intervisualität«, »Imagescapes« und die Eigenwertigkeiten neuer
Bild-Kulturen
In diesem Rahmen stellt sich ebenso die Frage nach der kulturellen
Bedeutung von Bildtransfers. In reflexiven Bildprozessen -- von denen
man in Zeiten eines millionenfachen Gebrauchs von Bildern und einer
Massenkultur der Bildproduktion und -rezeption ausgehen muss -- finden
an den verschiedenartigsten kulturellen Übergangsstellen Bildtransfers
statt, in deren Vollzug sich die Akteure bewusst mit verschiedenen
Formen von Bildlichkeit auseinandersetzen. Wo von »user-generated
content«, sozialen Netzwerken und Partizipationskulturen die Rede ist,
muss auch eine Kultur des Transfers als eines emphatischen und
expliziten Bildgebrauchs angenommen werden. Ausgegangen werden muss also
auch von Aneignungen, die von den Akteuren mehr oder weniger bewusst
erörtert und geprägt werden und in denen sich Taktiken, Strategien und
operative Kulturen ausbilden, auch als Auseinandersetzung mit den
übernommenen Bildern und deren heterogener Kulturalität.
In diesen Prozessen der Fusion, Montage, Entlehnung und der impliziten
wie expliziten Bilddialoge werden nicht nur bestehende Kontexte
überbrückt und vermittelt, sondern es entsteht immer auch ein neuer,
dritter und übergeordneter Kontext. Innerhalb der übertragenen Aneignung
bestehender Bildmotive, -bestände und -repertoires tritt mit diesen
Übersetzungen von Bildwahrnehmungen und Bildhandlungen immer auch eine
Repositionierung von kulturellen Subjekten in Erscheinung. Die Frage
nach einer »globalen Bildkultur« erhält eine neue Konfiguration, wenn
der Fundamentalperspektive der »Intertextualität« eine kulturell
verstandene »Intervisualität« an die Seite gestellt wird und wenn neben
die Erkenntnis von globalen »ideascapes« oder »mediascapes« auch die von
im Austausch allererst entstehenden »imagescapes« tritt. Auch umgekehrt
scheint die Bestimmung solch gearteter neuer intervisueller
Bildzusammenhänge ein vielversprechender Zugang zu der Frage nach einer
Bestimmung des Umfangs, des Charakters und der aktuellen
Erscheinungsformen von »Kultur(en)« in global verfassten Gesellschaften.

Bildwissenschaftliche Transferleistung -- auf dem Weg zu neuen Bildtheorien?
Noch unbedacht sind bislang die Implikationen für eine Bildtheorie, wenn
die Referenzordnungen der Bilder und ihre klassischen Bildsemiotiken im
Spannungsraum des Kulturtransfers ergänzt werden durch die inhärente
Bedeutsamkeit ihrer kulturellen Verweise und eine Praxis der Verknüpfung
sowie des expliziten Bezugs auf heterogene Sozial- und Bedeutungsräume.
Richtet man den Blick dabei auf die Subjekte und Akteure der neuen
Transfer-Bild-Kulturen als »Interpretanten« von Bildbedeutungen (im
Sinne von C. S. Peirce), stellt sich die Frage nicht nur aus kultur-
oder sozialwissenschaftlicher Sicht, sondern auch in ihrer
weitreichenden Bedeutung für Grammatiken, Signifikationsweisen und
Semiotiken des Bildlichen selbst. Ändert sich in einer globalen
Transfer-Kultur Bildlichkeit selbst? Braucht eine globale Kultur, die
sich als Verhandlungsraum von sich überkreuzenden und überlagernden
Kulturen darstellt, eine neue Theorie, gar eine neue Methodik der
Beschreibung, Analyse und Deutung des Bildlichen? Was bedeutet es für
die Bildbedeutung, wenn Referenzen immer auch einen bestimmten und
internalisierten Verweis auf Externes beinhalten, mit einem stereoskopen
Blick der »zwei Kulturen« verbunden sind und in ihrer je bestimmten
Verklammerung eine spezifische Aufhebung artikulieren? Welche Theorien
erfassen gleichermaßen die neuen Bildlichkeiten und visuellen
Perspektiven globalisierter Bildproduktion wie auch die verdichteten,
vervielfältigten und beschleunigten Austauschbeziehungen, die sich
hinter diesen Bildern verbergen? Welche Rolle spielen für kulturelle
Transferbilder Konzepte, die sich kulturwissenschaftlich mit Transfers
und Vermischungen verbinden -- etwa Synkretismus, Patchwork, Fusion,
Mixing, Mestizisierung, Kreolisierung Inwieweit wird eine neue
Terminologie für die Analyse von Bild-Kulturen benötigt, in denen
Originalität, Authentizität, Provenienz u. ä. keine originären Werte und
Bezugsgrößen mehr sind? Erscheint am Horizont zukünftiger
Welt-(Bild-)Kultur eine Bildwissenschaft, die sich systematisch auf
Hybridität, Ambiguität, Interferenz, Resonanz, Anamorphose, Montage oder
Puzzles bezieht? Oder müssen Bildsemiotiken gar grundlegend neu
formuliert werden -- als »cultural relations« vor dem Horizont
dialogischer Methodologien?

Vom 9. bis 11. Juni veranstaltet die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe
Bildkulturen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
zum fünften Mal ein »Junges Forum für Bildwissenschaft«. Die Tagung
»IMAGE MATCH: Visueller Transfer, »imagescapes« und Intervisualität in
globalen Bild-Kulturen« richtet sich insbesondere an Postdoktorand/innen
und Doktorand/innen der Geistes-, Sozial- und Naturwissen-schaften. Sie
soll Gelegenheit geben, die im Call for Papers formulierten Fragen aus
einer dezidiert interdisziplinären Perspektive zu diskutieren.

Mit der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Bildkulturen erforscht die
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften mithilfe eines
ganzen Spektrums von akademischen Disziplinen -- von der Kunstgeschichte
und Archäologie über Philosophie und Ethnologie, Japanologie und
Sinologie, Ägyptologie und Theologie bis hin zu Mathematik, Biologie und
Informatik -- Phänomene transkultureller Bildkulturen in einer zunehmend
globalisierten Bildwelt.

Erbeten sind an die unten angegebene E-Mail-Adresse ein kurzes, nicht
mehr als einseitiges Abstract für eine halbstündige Präsentation sowie
ein knapper Lebenslauf mit Stichworten zu den Forschungsinteressen.
Stichtag der Einsendung ist Sonntag, der 18. April 2010. Eine
Publikation der Tagungsbeiträge wird erwogen. Die Erstattung von Reise-
und Übernachtungskosten ist voraussichtlich möglich.

Einsendungen bitte an: bildwissenschaftbbaw.de (Stichwort: Junges Forum)

Für weitere Informationen zur Interdisziplinären Arbeitsgruppe
Bildkulturen und zu den Tagungen sowie Publikationen des »Jungen Forums«
in den Jahren 2006, 2007, 2008 und 2009 siehe
www.bbaw.de/bbaw/Forschung/Forschungsprojekte/Bildkulturen/

Wissenschaftliche Konzeption und Organisation:
Dr. des. Martina Baleva, Dr. Ingeborg Reichle und Oliver Lerone Schultz,
M. A.

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Bildkulturen
Jägerstraße 22/23
D -- 10117 Berlin

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Reference:
CFP: Junges Forum fuer Bildwissenschaft V (Berlin Jun 10). In: ArtHist.net, Mar 5, 2010 (accessed Jul 4, 2025), <https://arthist.net/archive/32489>.

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