"Buchkulturen des deutschen Humanismus (1430-1530). Netzwerke und
Kristallisationspunkte des Humanismus im deutschen Sprachraum"
Interdisziplinäre Tagung des Interdisziplinären Zentrums "Mittelalter
- Renaissance - Frühe Neuzeit" der Freien Universität Berlin in
Kooperation mit der Staatsbibliothek zu Berlin
März 2011
Humanismus im deutschen Sprachraum.
Ziel der Tagung ist es, der Frage nachzugehen, inwiefern sich im Blick auf
die Genese und Entfaltungsformen ?humanistischer Kulturen? von der
Ausprägung eines spezifisch ?transalpinen Humanismus? im Heiligen
Römischen Reich Deutscher Nation sprechen lässt. Was sind die
charakteristischen Merkmale und Bedingungen, die es erlauben, die
Etablierung eines ?deutschen Humanismus? im Verhältnis zu
humanistischen Strömungen und Formationen im europäischen Kontext zu
beschreiben?
Welche geistes- und sozialgeschichtlichen Voraussetzungen bzw. welche
politischen Faktoren sind in Anschlag zu bringen, um humanistische
Entwicklungen im deutschen Sprachgebiet zu konturieren? Inwiefern ist es
gerechtfertigt, einen ?deutschen Humanismus? als Gesamtphänomen oder
eigenständig beschreibbares kulturelles Milieu auszuweisen?
Aufgeworfen ist mit dieser Untersuchungsperspektive unweigerlich die
grundsätzlichere Frage nach der Definition und Verwendungsweise der
Begriffe ?Humanismus? bzw. ?humanistisch?, d.h. nach den Kriterien und
dem Bedeutungsumfang der Beschreibungskategorie selbst. Die Tagung stellt
sich bewusst disziplinär wie methodisch kontrovers diskutierten Ansätzen
und sucht die Problematik des Humanismus-Begriffs durch eine
interdisziplinär angelegte Auseinandersetzung fruchtbar zu machen, um
kulturspezifische Differenzkriterien im Blick auf den deutschen Sprachraum
zu gewinnen.
Buchkulturen.
Der Fokus auf den Leitbegriff ?Buchkulturen? ermöglicht es, die
Vielschichtigkeit von Komponenten, Akteuren und Einflüssen, die für die
Konturierung einer humanistischen Kultur im deutschen Sprachraum
einzubeziehen sind, in den Blick zu nehmen. Mit der Entstehung des
Buchdrucks werden Verlags- und Publikationswesen im Übergang vom 15. zum
16. Jahrhundert zum Kristallisationspunkt humanistischer Netzwerke und
Strategien. Eingedenk der engen Kooperationen zwischen Druckern,
Verlegern, Künstlern, Gelehrten, Sammlern etc. werden Offizine zu
Umschlagsorten, Steuerungs- und Umsetzungsinstanzen einer buchbasierten
Wissensvermittlung. Anhand dieser Buchkulturen lassen sich
Kommunikationswege und Organisationsformen, Zirkelbildungen und
Austauschprozesse humanistischer Milieus quer zu Disziplinen und
Institutionen sichtbar machen. Über einzelne Protagonisten,
Interessenverbände oder Institutionen hinaus werden Formen und Mittel der
Distribution, Aneignung und Vermittlung von Wissensbeständen
rekonstruierbar. Auf medialer Ebene manifestieren sich Wechselwirkungen
zwischen künstlerischer Praxis und theoretischen Diskursen, die es
ermöglichen, nach den Aus- und Rückwirkungen auf disziplinäre
Entwicklungen wie politisch-soziale Strukturbildungen zu fragen.
Mit der Konzentration des Untersuchungszeitraums auf die Phase von 1430
bis 1530, d.h. auf die Spanne von den Konzilien (Basel, Ferrara, Florenz,
Rom) bis zum beginnenden Reformationszeitalter ist eine entscheidende
Umbruch- und Übergangsphase zur Buchproduktion in Deutschland gefasst, an
der sich die Entwicklung eines Humanismus im deutschen Sprachraum kondensiert.
Netzwerke und Kristallisationspunkte.
Ausgehend von der
Etablierung und Entwicklung des Buchwesens gilt es, Positionierungen und
Vernetzungen, informelle Strukturen und systematische
Interessenverflechtungen, Austauschformen und -medien sichtbar zu machen.
Der Humanismus im deutschen Sprachraum als geistesgeschichtliches
Gesamtphänomen zeigt - eingedenk der spezifischen Faktoren, Rahmen-
bedingungen und historisch-politischen wie konfessionellen Konstellationen
- eine Eigenständigkeit und -dynamik, die einer genaueren
Charakterisierung zu unterziehen ist, ohne dabei allein einzelne
Persönlichkeiten in den Blick zu nehmen.
Die skizzierte Schlüsselposition der Buchkulturen gibt die Möglichkeit,
eine interdisziplinäre Diskussion zu eröffnen, sowie Kompetenzen und
Befunde aus unterschiedlichen Forschungsbereichen miteinander zu
konfrontieren.
Angesprochene Disziplinen: Bibliothekswissenschaften - Buchhistorie -
Buchrestaurierung - Druck- und Verlagsgeschichte -
Handschriftenexperten/innen - Kunst- und Bildwissenschaften -
Philosophie - Editionswissenschaften - Philologien - Theologie -
Politik - Geschichtswissenschaften - Sprachwissenschaften - Historische
Medienwissenschaften - Musikwissenschaften.
Call for Papers.
Zu den nachfolgend skizzierten Untersuchungsperspektiven und -dimensionen
des Humanismus im deutschen Sprachgebiet wird um Beiträge
gebeten:
1) Künstler- und Gelehrtenkreise im deutschen Humanismus: Sodalitäten,
höfische Zirkel, universitäre Lagerbildungen, Künstlerkreise,
Werkstätten, Schulen.
2) Buchdruck und Gelehrtenrepublik: Offizine als Angelpunkte humanistischer
Wissenskulturen (Austausch und Kooperation zwischen Druckern, Verlegern
und Gelehrten, Künstlern, Mäzenen, politischen Funktionsträgern etc.).
3) Zentren der Buchpublikation: Nürnberg - Augsburg - Wittenberg -
Basel -
Straö?burg - Leipzig etc.
4) Vom Manuskript zum Druckwerk: Voraussetzungen der Drucklegung,
Kooperationen (Imprimatur und Zensur, Widmungen/Zueignungen,
Autorisierungsstrategien, anonyme Schriften etc.).
5) Drucker - Künstler/Druckstockschneider - Verleger: Interferenzen von
Text und Bild in der Buchproduktion.
6) Bildauffassungen und Bildtechniken im Wandel: Zur Veränderung von
bildnerischer Praxis, Bildprogrammen und Bildwahrnehmung im Kontext von
Drucktechnik und Publikationswesen - Funktionen und Funktionalisierungen
von Bildern im Buchwesen - Wege der Distribution - Veränderung der
Rezeption.
7) Politische Dimensionen des Verlagswesens: Verlagsprogramme - Medien
der Publizität und der politischen Positionierung (Bücher,
Flugschriften, Kalender, Einblattdrucke, Editionen etc.) - Expansion von
Publizität.
8) Buchdruck an der Schwelle zur Reformation: sozialethische bzw.
reformorientierte Strategien im Kontext der Distribution von Drucken.
9) Editionen und Übersetzungen: verlegerische Initiativen im deutschen
Humanismus - Prozesse des Transfers im europäischen Kontext.
10) Die Jagd nach Schätzen: Sammelwesen, Bibliotheken, private bzw.
höfische oder monastische Sammelkulturen.
11) Bucheinband und Buchgestaltung.
12) Von der Vortragskultur zur Lesekultur, vom singulären Gemälde zum
seriellen Druckbild: zur kulturellen Veränderung von Wahrnehmungsbedingungen.
Um Vorschläge für Vorträge bitten wir
bis zum 18. Dezember 2009
an das
Interdisziplinäre Zentrum "Mittelalter - Renaissance - Frühe Neuzeit"
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 30
14195 Berlin
Katharina Richter (marefnfu-berlin.de)
Tel.: 030-838 520 30
Mit besten Grüö?en,
das Planungsteam
Dr. Elke Anna Werner, Prof. Dr. Ursula Kocher, Prof. Dr. Anne
Eusterschulte, Katharina Richter (Freie Universität Berlin, IZ
"Mittelalter - Renaissance - Frühe Neuzeit"); Dr. Falk Eisermann, Prof.
Dr. Eef Overgaauw (Staatsbibliothek zu Berlin)
Reference:
CFP: Buchkulturen des deutschen Humanismus (1430-1530). In: ArtHist.net, Nov 21, 2009 (accessed Sep 15, 2025), <https://arthist.net/archive/32077>.