CONF Jan 25, 2009

Wunder im 20. Jahrhundert (Essen, 18-21 Mar 09)

Alexander CT Geppert

(Essen, 18.-21.03.2009)

Unbegreifliche Zeiten. Wunder im 20. Jahrhundert

Essen, 18. bis 21. März 2009

Internationale Konferenz in Zusammenarbeit mit dem
Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI), der Gerda Henkel Stiftung und
dem Arbeitskreis Geschichte + Theorie (AG+T)

Organisation: Alexander C.T. Geppert und Till Kössler

Auf den ersten Blick scheinen Wunder nicht mehr in das 20. Jahrhundert
zu passen. Als Folge der viel zitierten 'Entzauberung' sind die
überkommenen Wunderwelten aufgrund einer nie zuvor gesehenen
Proliferation von Wissen und der Einbeziehung selbst entlegener
Gebiete in immer dichter werdende Kommunikationsnetze vermeintlich an
den Rand gedrängt worden. Und doch verwundert der anhaltende Gebrauch
des Begriffs in höchst unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten:
Vom "Wunder von Bern" bis zum "Wirtschaftswunder", von "Wunderwaffen"
bis zu "Wunderheilungen", von "Wundern der Technik" bis zu "wonder
bras": Wunder sind aus der Moderne nicht wegzudenken. Ganz offenkundig
stellt die Zuschreibung eines 'Wunders' noch immer eine zentrale Form
der Verarbeitung und Aneignung ungewöhnlicher Ereignisse und
außeralltäglicher Erfahrungen dar.

Die Konferenz beruht auf der Annahme, dass die Beschäftigung mit
Wundern neue Perspektiven auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts
erschließt. Der Begriff des Wunders erlaubt es, das Exzeptionelle in
modernen Gesellschaften, ihre soziale Konstituierung,
Normalitätsannahmen und Wissensgrenzen zu thematisieren. Die Tagung
beabsichtigt, den in dem Begriff kristallisierten Ereignissen,
Wahrnehmungen und Praktiken nachzuspüren. Dabei gilt es, einerseits
vom deutlichen Innovationsvorsprung der Forschungen zu
mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wunderwelten zu profitieren,
andererseits den Fortgang kontroverser Debatten um die
Wiederverzauberung der Welt, die Epistemologie des Übersinnlichen und
die Geschichte westlicher Esoterik im 19. Jahrhundert in der
Zeitgeschichte zu verfolgen.

Zugleich knüpft die Konferenz an das aktuelle historische Interesse an
Transformationen des Religiösen an, geht dabei über das Feld der
Religionsgeschichte im engeren Sinne jedoch hinaus. Schon im
Mittelalter waren Wunder keineswegs auf den Bereich des Religiösen
(miracula) beschränkt, sondern umfassten ebenfalls Natur- und
weltliche Wunder (prodigia bzw. mirabilia). Entsprechend steht nicht
die Frage nach einer vermeintlichen Profanisierung des Wunders,
sondern der Umgang mit wunderhaften Begebenheiten innerhalb der
zugleich religiösen und säkularisierten Denk- und Wissenssysteme des
20. Jahrhunderts im Zentrum.

Die Tagung findet von Mittwoch, 18. März, bis Samstag, 21. März 2009,
in Essen statt (Bildungshotel im Bfz, Karolingerstraße 92, D-45141
Essen, "Raum Nixdorf"). Sie wird von Alexander C.T. Geppert (Cambridge/
Berlin) und Till Kössler (München) geleitet und in Zusammenarbeit mit
dem Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI), der Gerda Henkel Stiftung
und dem Arbeitskreis Geschichte + Theorie (AG+T) veranstaltet. Zu den
Teilnehmerinnen und Teilnehmern zählen Martin Baumeister (München),
Eberhard Bauer (Freiburg i.Br.), Friedrich Jaeger (Essen), Benjamin
Lazier (Portland), Claus Leggewie (Essen), Alf Lüdtke (Erfurt), Paul
Nolte (Berlin), Diethard Sawicki (Paderborn), Uwe Schellinger
(Freiburg i.Br.), Gabriela Signori (Konstanz) und Helmut Zander
(Berlin).

PROGRAMM

Mittwoch, 18. März 2009

18.00 | Begrüßung

Claus Leggewie (Essen)

18.15-19.00 | Öffentlicher Abendvortrag

Gabriela Signori (Konstanz): Orts-Wechsel. Theorie und Praxis des
Wunders von der Antike bis ins 20. Jahrhundert

Donnerstag, 19. März 2009

9.00-9.30 | Einführung

Alexander C.T. Geppert/Till Kössler: Wunder der Zeitgeschichte.
Transzendenz und die Grenzen des Wissens im 20. Jahrhundert

9.30-11.00 | Sektion I: Moderne Wunder

Falko Schmieder (Berlin): Unfassliches Produzieren. Zur politischen
Epistemologie des Wunderbegriffs in der Moderne

Eberhard Bauer (Freiburg i.Br.): "Alltägliche Wunder"? Diskurse um das
Paranormale im 20. Jahrhundert

Friedrich Jaeger (Essen): Kommentar

11.30-13.00 | Sektion II: Religionswunder

Helmut Zander (Berlin): Marianische Séancen. Wunderbare
Marienerscheinungen im 20. Jahrhundert im Rahmen einer Geschichte der
religiösen Ästhetik

Bernadett Bigalke (Erfurt): "Wunder" im alternativreligiösen Milieu
Leipzigs um 1900

Nils Freytag (München): Kommentar

15.00-16.30 | Sektion III: Naturwunder

Natascha Adamowsky (Berlin): Wunder des Meeres. Kultur- und
medienästhetische Überlegungen zur Repräsentation des Inkommensurablen

Eva Johach (Berlin): Wunder des Instinktes. Zur Kollektivpsychologie
von Insektengesellschaften im frühen 20. Jahrhundert

Uffa Jensen (Berlin): Kommentar

17.00-18.30 | Sektion IV: Medienwunder

Alexander Gall (München): Wunder, Sensation und Katastrophe. Zur
Vermittlung von Wissenschaft und Technik in der illustrierten
Massenpresse um 1900

Tobias Becker (Berlin): "Masks, Mimes and Miracles." Karl Vollmöllers
"Das Mirakel" in der Inszenierung von Max Reinhardt

Alexa Geisthövel (Berlin): Kommentar

Freitag, 20. März 2009

9.00-10.30 | Sektion V: Wunderwirker

Susanne Michl (Berlin): Der Arzt als Wunderheiler. Heilkonzepte in der
Medizin in Deutschland und Frankreich, 1900-1920

Diethard Sawicki (Paderborn): Leben schaffen, Regen machen, UFOs
jagen. Wilhelm Reichs wundersame Experimente

Alf Lüdtke (Erfurt): Kommentar

11.00-12.30 | Sektion VI: Politische Wunder

Benjamin Lazier (Portland): Wunder in Weimar. Miracles and the Crisis
of Liberalism Between the World Wars

Sonja Lührmann (Ann Arbor): Wunder ohne Wunder. Die Säkularisierung
des Staunens in der sowjetischen Atheismuspropaganda

Moritz Föllmer (Leeds): Kommentar

14.30-16.00 | Sektion VII: Nachkriegswunder

Rajah Scheepers (Hannover): Persistenz des Wunderbaren. Die Rede vom
Wunder in einer protestantischen Institution zwischen 1921 und 1972

Günter Riederer (Marbach): "Hier in Wolfsburg kann man das Wunder
sehen." Volkswagen und das deutsche Wirtschafswunder im Industriefilm
der 1950er und 1960er Jahre

Paul Nolte (Berlin): Kommentar

16.30-18.00 | Sektion VIII: Neue Wunder

Uwe Schellinger (Freiburg i.Br.): Kaum zu fassen. Die spezifische
Problematik der historischen Überlieferung paranormaler Erfahrungen

Markus Hero (Bochum): Wunderglaube und neue Religiosität. Ein
institutionentheoretischer Vergleich von Charismatischer Bewegung und
Esoterikangeboten

Pascal Eitler (Berlin): Kommentar

Samstag, 21. März 2009

9.30-11.00 | Sektion IX: Virtuelle Wunderwelten

Hendrik Pletz (Köln): Die Entzauberung des Phantastischen. Der
pädagogische Videodiskurs der 1980er Jahre

Christian Hoffstadt (Karlsruhe): Auferstehung und Zaubertechnik. Zur
Verknüpfung von Magie, Glaube und Technik in der "World of Warcraft"

Nina Verheyen (Berlin): Kommentar

11.00-12.00 | Schlusskommentar

Martin Baumeister (München)

12.00 | Tagungsende

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KONTAKT

Zusätzliche Teilnahme nach Anmeldung per e-Mail bei den Veranstaltern
begrenzt möglich.

Alexander C.T. Geppert
Harvard University/Freie Universität Berlin
geppertfas.harvard.edu

Till Kössler
Ludwigs-Maximilians-Universität München
till.koesslerlmu.de

Bei technischen Fragen zuständig im KWI:
Maria Klauwer
maria.klauwerkwi-nrw.de
+49 (201) 7204-153

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VERANSTALTUNGSORT

Bildungshotel im Bfz
"Raum Nixdorf"
Karolingerstraße 92
D-45141 Essen

www.kulturwissenschaften.de/home/veranstaltung-191.html
www.geschichte-und-theorie.de/Aktuelles/aktuelles.html
http://www.bildungshotel-essen.de/anfahrt.htm

Reference:
CONF: Wunder im 20. Jahrhundert (Essen, 18-21 Mar 09). In: ArtHist.net, Jan 25, 2009 (accessed May 10, 2025), <https://arthist.net/archive/31165>.

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