Der Code der Leidenschaften. Fetischismus in den Künsten
Internationale Konferenz der
Humboldt-Universität zu Berlin und der
University of California, Riverside
in Kooperation mit dem Hamburger Bahnhof
9. – 11. OKTOBER 2008
KONZEPTION UND ORGANISATION:
Prof. Dr. Hartmut Boehme
Kulturwissenschaftliches Seminar,
Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Johannes Endres
Department of Comparative Literature &
Foreign Languages, College of
Humanities, Arts & Social Sciences,
University of California, Riverside
VERANSTALTUNGSORT:
Hamburger Bahnhof
Museum für Gegenwart
Invalidenstr. 50-51
10557 Berlin
Fetische haben Konjunktur. Sie sind Teil unserer gesellschaftlichen
Wirklichkeit und Alltags-Welt. Davon zeugen die Labels und
Brandmarks, die den Objekten, denen sie anhaften, einen signifikanten
Mehrwert verleihen, oder die, als Götzen und Idole, ihrerseits
Objektstatus reklamieren. Sie sind Teil einer modernen und
postmodernen Devotionalkultur, in der gleichsam vormoderne Prägungen
substrukturell weiterwirken. Der Umgang des Menschen mit seinen
Dingen wiederholt damit Verhaltensmuster, die in einem Zeitalter vor
der Säkularisation eingespielt und im Gedächtnis der Gegenstände
scheinbar gespeichert wurden. Auf diese Weise erinnern die Fetische
der Gegenwart zugleich an ihre Vorgänger und Vorbilder in der
Geschichte: die Fetische der Magie und des Aberglaubens, der
Warenökonomie und der psycho-sexuellen Leidenschaften. Deren
semantische Aura ist, ob bewusst oder unbewusst, bis in aktuelle
Zusammenhänge präsent geblieben, wenn von Fetisch oder Fetischismus
die Rede ist. Vom ‚Leitfossil’ des Fetischs aus lässt sich eine
Archäologie unserer Kultur entwerfen, in der Modelle der Selbst- und
Weltorganisation des Menschen ansichtig werden, die dieser im
Austausch mit seinen Lieblingsobjekten entwickelt hat. Eine
Rekonstruktion der Bedeutungsgeschichte der Fetische kann auch die
scheinbar fest gefügte Schwelle zwischen Moderne und Vor-Moderne
passierbar machen und die kulturellen Langzeitfolgen – tatsächlicher
oder vermeintlicher – archaischer Denk- und Bewusstseinsformen vor
Augen führen. Die Heterogenität der Anwendungsgebiete wie der
unterschiedlichen Fetischismus-Konzepte macht die Aufgabe, die sich
den wissenschaftlichen Disziplinen dabei stellt, schwierig und
reizvoll zugleich. Da eine solche Herausforderung nicht mehr in den
Grenzen eines traditionellen Fächerkanons bewältigt werden kann, ist
eine interdisziplinäre Herangehensweise angeraten. Die Tagung
versteht sich daher als Forum der Moderation zwischen den
verschiedenen Fachkulturen.
PROGRAMM:
9.10.2008
14.00 Hartmut Böhme, Berlin
Johannes Endres, University of California, Riverside
Begrüßung und Einführung
1. SEKTION: FELDER/SCHICHTEN
Moderation: Johannes Endres
14.15 Reimut Reiche, Frankfurt/M.
Der Weg vom Fetisch zum Kunstwerk
– eine psychoanalytische Perspektive
15.00 Ortrud Gutjahr, Hamburg
Codes der Enträtselung. Tabu und Fetisch in
Wissensdiskursen und Literatur um 1900
15.45 Kaffeepause
16.15 Emmanuel Alloa, Universität Basel/Paris
Idolologie. Eine (etwas) andere Bildwissenschaft
17.00 Christine Weder, Universität Basel
Fetisch als Zeichen mit der Bedeutung Nicht-Zeichen:
seine paradoxe Signifi kanz für die Literatur- und
Kultursemiotik
17.45 Gudrun König, Dortmund
Verkehrsformen der Dinge:
Warenhaus und Museum um 1900
ÖFFENTLICHER ABENDVORTRAG
Moderation: Hartmut Böhme
19.30 Franz-Joachim Verspohl, Jena
Das Kunstwerk als Aktionsobjekt. Eine Antwort von
Joseph Beuys auf die Fetischisierung des
künstlerischen Selbstausdrucks in der Zeit nach 1945
10.10.2008
2. SEKTION: KÖRPER/DINGE
Moderation: Natascha Adamowsky, Berlin
9.30 Niklaus Largier, University of California, Berkeley
Objekte der Berührung
10.15 Andreas Beyer, Universität Basel
Der Bart als ex voto
11.00 Kaffeepause
11.30 Claudia Benthien, Hamburg
Die Accessoires der Dame. (Anti)-Fetischismus in der
galanten Lyrik des Barock
12.15 Peter Geimer, ETH Zürich
Verdammtes Ding. Über die Wut auf Gegenstände
13.00 Mittagspause
3. SEKTION: KÜNSTE/MEDIEN
Moderation: Christina Lissmann, Berlin
14.30 Frank Fehrenbach, Harvard University
Haben oder Schein.
Aby Warburg und die Lebendigkeit der Kunst
15.15 Robert Felfe, Berlin
Gold, Gips und Linienzug. Dingkonturen und
Wertschöpfung in frühneuzeitlichen Kunstkammern
16.00 Kaffeepause
16.30 Michael Diers, Hamburg/Berlin
Der Fetisch und sein (Kunst-)Charakter in
Michelangelo Antonionis BlowUp (1966)
17.15 Mark Butler, Berlin
Das Rauschen der Fetische. Populäre Techniken
des Selbst im 21. Jahrhundert
18.30 Abendessen der Vortragenden und Moderatoren
11.10.2008
4. SEKTION: ZAUBER/POESIE
Moderation: Kirsten Wagner, Berlin
9.30 Günter Oesterle, Gießen
Poetische Dinge zwischen Vorglauben und
Aberglauben im 19. Jahrhundert.
Goethe, Brentano, Rilke, Fontane
10.15 Christian Begemann, Bayreuth
Stifters Dinge
11.00 Kaffeepause
11.30 Barbara Vinken, München
Deine braunen Pantöffelchen.
Flaubert und Fetischismus
12.15 Uwe Steiner, Mannheim
Des Dingseins leise Erlösung? Literarische
Kontrafakturen des Fetischismus-Diskurses
im 20. Jahrhundert
13.00 Mittagspause
5. SEKTION: DARSTELLUNG/AUSDRUCK
Moderation: Martin Dönike, Berlin
14.30 Andrea Polaschegg, Berlin
Moses in Wonderland oder
Warum literarische Texte nicht fetischisierbar sind
15.15 Doerte Bischoff, Münster
Fetischismus und kulturelle Differenz: Claire
Golls Der Neger Jupiter raubt Europa im Kontext
16.00 Kaffeepause
16.30 Liliane Weissberg,
University of Pennsylvania, Philadelphia
Puppenspiele: Die Kinderbücher der Dare Wright
17.15 Jospeh Vogl, Berlin/Princeton
Der Schrei
18.00 Schlusswort
Hartmut Böhme / Johannes Endres
KONTAKT:
Yvonne Kult
ykultculture.hu-berlin.de
Reference:
CONF: Der Code der Leidenschaften (Berlin, 9-11 Oct 08). In: ArtHist.net, Sep 10, 2008 (accessed Sep 20, 2025), <https://arthist.net/archive/30773>.