CFP 07.02.2008

Urbs incensa (Berlin 26-27 Sep 08)

Hole

Call for Papers

Internationale Fachtagung Urbs incensa - Ästhetische Transformationen
der brennenden Stadt von der Antike bis in die frühe Neuzeit, Berlin
16.-27. September 2008

Die Selbständige Nachwuchsgruppe "Das wissende Bild" der Max-Planck-
Gesellschaft am Kunsthistorischen Institut in Florenz veranstaltet in
Zusammenarbeit mit dem SNF-Forschungsprojekt "Von der Präsentation zum
Wissen" vom 26.-27. September eine Tagung mit dem Titel Urbs incensa -
Ästhetische Transformationen der brennenden Stadt von der Antike bis
in die Frühe Neuzeit.

Seit der Gründung von Städten in den frühen Hochkulturen gehören
Stadtbrände zu den eindringlichsten Erfahrungen der Gefährdung und
Fragilität der materiellen und auch ideellen Grundlagen menschlicher
Existenz. Es ist daher kaum verwunderlich, dass Brandkatastrophen seit
der Antike ein wichtiges Motiv der Künste darstellen, in dem sich
ebenso kollektive Ängste und religiöse Anschauungen wie ästhetische
Haltungen spiegeln. Die in den literarischen, bildlichen und
dramatischen Darstellungen sich ausdrückenden Deutungsmuster - von der
göttlichen Strafe bis zum erhabenen Spektakel - geben dabei Auskunft
über die jeweilige Selbstwahrnehmung des Menschen im Verhältnis zu den
zerstörerischen Elementarkräften.
Mit den legendären Zerstörungen von Sodom und Gomorrha, Troja und Rom
gehören Stadtbrände zum imagologischen Grundbestand der europäischen
Kulturen, an dem die Darstellungen realer Ereignisse wie etwa des
großen Feuers von London im Jahre 1666 ihre gestalterischen Vorgaben
und ihren Maßstab finden. So greifen Gelehrte wie Erasmus von
Rotterdam in ihren Überlegungen immer wieder auf die Topoi antiker
oder biblischer Brände zurück, variieren diese aber zugleich auf
bedeutsame Weise. Maler und Kunsttheoretiker wie Cristoforo Sorte,
Gian Paolo Lomazzo oder Carel van Mander distanzieren sich zunehmend
von klassischen Interpretationsvorgaben und sehen im Ereignis immer
auch die Möglichkeit zum künstlerischen Bravourstück.
An diesem Spannungsverhältnis von Tradition und Innovation als Folge
katastrophischer Ereignisse will die geplante Tagung ansetzen. Anhand
seiner künstlerischen Transformationen von der Antike bis in die Frühe
Neuzeit sollen die politischen, religiösen, sozialen, ökonomischen,
medialen und ästhetischen Dimensionen der Wahrnehmung des Stadtbrandes
untersucht werden. Damit rückt nicht zuletzt das jeweilige
Wechselverhältnis von Realereignis und den Möglichkeiten und
Zielsetzungen seiner "Sichtbarmachung" innerhalb einer historischen
Formation in den Blick. Gefragt wird also nach dem "Bild", das sich
eine Kultur von der realen, befürchteten und fiktiven Zerstörung ihres
urbanen Lebensraumes macht und welche Sinnstiftungsstrategien die
jeweiligen Formen der Darstellung maßgeblich prägen. Anhand konkreter
Werke sollen auch die Versuche betrachtet werden, den Stadtbrand in
den politischen und religiösen Diskursen der jeweiligen Zeit zu
instrumentalisieren. Von großer Bedeutung sind dabei die
Verschiebungen des gesellschaftlichen Wahrnehmungshorizontes im
Zusammenhang mit medientechnischen Entwicklungen, wenn die
Schilderungen lokaler Unglücksfälle etwa durch Flugschriften,
Chroniken und Reiseberichte verbreitet und in neue Kontexte übertragen
werden. Somit wird auch nach den Reichweiten und Grenzen der
jeweiligen Darstellungsweisen zu fragen sein. Welche Rolle spielen
Bilder und Texte von Stadtbränden für die Konstitution von historia
und memoria, inwieweit formiert und aktualisiert sich durch sie ein
kulturelles Gedächtnis, das weit über den Bereich der direkten
Erfahrung hinausgeht?
Gerade im Zusammenhang mit anderen Katastrophen wie Erdbeben,
Vulkanausbrüchen, Unwettern und Überschwemmungen, mit denen die
einzelnen Stadtbrände immer wieder verglichen werden, erscheinen
künstlerische Artefakte immer auch als Bemühung, das prekäre
Verhältnis von Kultur und Natur zu bestimmen. Von welchen Strategien
des Umgangs und der Bewältigung von Kontingenz und Gewalt der
Katastrophe zeugen ihre poetischen, ikonischen und dramatischen
Darstellungen? In welchem Verhältnis stehen die militärischen,
natürlichen oder ganz menschlichen Ursachen des Ereignisses zu den
topischen Deutungsangeboten oder dienen sogar als Modell ihrer
wechselseitigen Erklärung?
Ein wesentliches Ziel der Tagung ist, Stadtbrände als kulturhistorisch
bedeutsame Phänomene zu begreifen, an deren ästhetischen
Transformationen sich die relevanten Wahrnehmungs- und
Darstellungsweisen einer Zeit in herausragender Weise niederschlagen.
Aufgrund dieser weiten Perspektive sind ausdrücklich Beiträge aus
unterschiedlichen Fachrichtungen und Disziplinen erwünscht.

Die Tagung Urbs incensa bildet den Auftakt einer vierteiligen
Veranstaltungsreihe zum Thema Zerstörerische Elemente. Zur Wahrnehmung
und Darstellung der Katastrophe vor 1800. Die folgenden Tagungen
werden sich der kulturellen Wahrnehmung von Erdbeben und
Vulkanausbrüchen, Überflutungen sowie Stürmen und Unwettern widmen. Es
ist geplant, die Beiträge in thematischen Sammelbänden zu publizieren.

Ausdrücklich sind ForscherInnen aller Fachbereiche eingeladen, sich
mit einem Vorschlag zu bewerben. Exposés (max. 2 Seiten) nebst kurzem
Lebenslauf sind bis zum 31.05.2008 zu richten an Vera Koppenleitner
<koppenleitnerkhi.fi.it
> oder Hole Rössler <hole.roesslerunilu.ch>.

http://www.daswissendebild.de/
http://www.unilu.ch/kircher

Quellennachweis:
CFP: Urbs incensa (Berlin 26-27 Sep 08). In: ArtHist.net, 07.02.2008. Letzter Zugriff 10.05.2025. <https://arthist.net/archive/30131>.

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