CONF 04.12.2007

Bild- und Textordnungen im religionskulturellen Vergleich (Berlin, 6-8 Dez 07]

Sabine Zimmermann

Bild- und Textordnungen im religionskulturellen Vergleich

Symposium des Projekts Topographie pluraler Kulturen Europas, in
Rücksicht auf die 'Verschiebung Europas nach Osten'

gefördert im Schwerpunkt Geisteswissenschaften im gesellschaftlichen
Dialog des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin, Schützenstr. 18,
10117 Berlin-Mitte

6.--8. Dezember 2007

Zum Thema:
In den aktuellen Konflikten um Bilder und Texte, die zwischen
verschiedenen Religionskulturen ausgetragen werden -- etwa der
Karikaturenstreit oder die Auseinandersetzung über die Satanischen Verse
-- geht es nicht nur um Kunstautonomie und Meinungsfreiheit. Die
Erregungen, die sich an Bildern entzünden, werfen auch die Frage auf, ob
dabei unvereinbare Vorstellungen, Praktiken und Traditionen im Bild- und
Schriftverständnis unterschiedlicher Religionen im Spiele sind.
Die großen Religionen sind Speicher von Symbolen und aufgeladenen,
'starken' Zeichen, generationenübergreifende Arsenale und Vehikel für
das kulturelle Gedächtnis. Sie haben nicht nur Formen des
disziplinierenden Ein- und Ausschlusses hervorgebracht, sondern auch
Ordnungssysteme. Zu deren wichtigsten gehören die von Bildern und
Texten, die in kanonisierten und verbrannten Schriften, in verehrten und
zerstörten Bildern gleichermaßen Ausdruck finden. Diese Ordnungen leben
auch in säkularen Gattungen von Literatur und Kunst fort. Unterschiede
im Hinblick auf die Macht der Bilder, Bilderverbot und Bilderkult,
unterschiedliche Schriftkonzepte zwischen Offenbarung und Repräsentation
gehen aber nicht einfach im Gegensatz von West und Ost, von Christentum
und Islam oder Judentum auf.

Textordnungen stellen Zusammenhänge zwischen Religion, Schrift und
Kultur her, sie strukturieren die Bedeutung religiöser Überlieferungen
und ihres Ausdrucks noch in der Säkularisierung und Modernisierung.
Unter Textordnungen werden nicht nur Fragen des Genres verstanden --
etwa, dass in den Literaturen des Osmanischen Reichs der Roman unbekannt
und nur als 'Import' aus dem Westen vorstellbar war. Hier geht es auch
um die Bedeutung unterschiedlicher Aufschreibsysteme, um Ein- und
Mehrsprachigkeit, um Übergänge zwischen verschiedenen Sprachen und
Alphabeten, Schriftsysteme und Medien. Diskutiert werden Probleme von
Oralität und Literarizität in je verschiedenen Abstufungen und
Wertungen, sowohl was die Möglichkeitsbedingung von Schrift und
Öffentlichkeit als auch die 'Nötigung zur Literatur' angeht.

Bildordnungen spielen gegenwärtig in den auf internationaler Bühne
ausgetragenen Konflikten eine zentrale Rolle. Die Filmaufnahmen der
zusammenstürzenden Twin Towers, die Fotos aus den serbischen Lagern, aus
Abu Ghraib und Guantanamo sind zu Ikonen der Zeitgeschichte und zum
Argument in den politischen Auseinandersetzungen geworden, und dies
kraft ihrer massenmedialen Verbreitung und ihrer unausgewiesenen
Referenz auf das europäische Bildgedächtnis. Vor allem Film und Video
erweisen sich als die privilegierten Medien globaler Pop- und
Subkulturen, die Bilder zwischen verschiedenen Registern hin- und
herschieben, zwischen Kontinenten und Kulturen zirkulieren lassen. Vor
dem Horizont einer solchen globalen Bilderpolitik muß danach gefragt
werden, ob und wie unterhalb dieser Oberfläche Spuren aus der Geschichte
unterschiedlicher, wenn nicht entgegengesetzter Bildtraditionen wirken.
Dabei interessieren sowohl die religionsspezifischen Voraussetzungen
kultureller Differenzen als auch der genau Umfang und die vielschichtige
Bedeutung der christlichen 'Bilderliebe' im Gegensatz zum -- aus Sicht
des Westens -- universalen jüdischen und islamischen Bilderverbot. Nicht
zuletzt geht es um die oft verschlungenen Zusammenhänge von Bild, Person
und Memorialkultur, von Ikone und Idol.

Programm:
Donnerstag, 6. Dezember

16.30
Sigrid Weigel (ZfL): Begrüßung und Einführung

I. Schrift - Bild - Kult im Religionsvergleich
17.00
Martin Treml (ZfL): Bild, Schrift, Sakrament -- Darstellen und Ordnen in
den Religionen
Cornelia Vismann (MPIRG Frankfurt/M.): Byzanz und die genealogische
Ordnung des Textes

19.30
Angelika Neuwirth (FU Berlin): Schrift und Körper -- Überlegungen zum
koranischen Monotheismus

Freitag, 7. Dezember
II. Gottesbilder, Bilderverbot und Bilderkult
9.30
Glenn Peers (Univ. of Texas, Austin): Portraits by God in Byzantium and
Islam
Almir Ibric (Wien): Das Bilderverbot des Islam im Digitalzeitalter

12.00
Alex Stock (Univ. Köln): Trinität am politischen Horizont. Zu Tizians La
Gloria und Andrej Rubljews Svjataja Troica
Janis Augsburger (ZfL): Idol und Idolatrie. Das Buch vom Götzendienst

III. Die Bilder Europas
15.30
Stefan Troebst (GWZO Leipzig): Staat -- Kirche -- Meer: Visualisierungen
polnischer Maritimitätskonzepte
Elke Werner (FU Berlin): Die Figur der Europa. Zu Funktion und Bedeutung
eines Bildmotivs im Zeitalter der Konfessionalisierung


18.00
Hans Belting (HdK Karlsruhe): Zwei Medien der Religion: Westliche Bild-
und islamische Schriftkultur

19.30
Dan Diner (Simon Dubnow Institut Leipzig): Gestaute Zeit

Samstag, 8. Dezember
IV. Buch, Text, Literatur
9.30
Andrea Polaschegg (HU Berlin): Literarisches Bibelwissen zwischen Topos,
Bild und Text am Beispiel Maria Magdalenas
Georg Witte (FU Berlin): Schriftbildlichkeit in Russland. Eine
literarische Emanzipationsgeschichte

12.00
Andreas Pflitsch (ZfL): Aladin Aladin und der Koran. Zur Frage, warum
und was Araber aufschreiben
Richard van Leeuwen (Univ. of Amsterdam): The Thousand and One Nights
and the European Tradition

15.00
Jurij Murasov (Univ. Konstanz): Sprache, Schrift und Schuld in der
jugoslawischen/bosnischen Literatur. Zu Ivo Andric's Erzählung "Der
verdammte Hof"
Torben Philipp (HU Berlin): Sakrale und dämonisierte Medienbilder.
Konturen einer Poetik des Visuellen bei F. M. Dostoevskij

V. Medien und Öffentlichkeit
17.30 Zaal Andronikashvili (ZfL): Denkmäler im säkularisierten
Öffentlichkeitsraum (Georgien)

19.00
Sigrid Weigel (ZfL): Karikaturen im Streit der Kulturen
Elke Hartmann (FU Berlin): Bildlichkeit, öffentliche Meinung,
fotografische Propaganda

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Sabine Zimmermann
Zentrum für Literatur- und Kulturforschung
Schützenstr. 18
D-10117 Berlin
www.zfl.gwz-berlin.de

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Quellennachweis:
CONF: Bild- und Textordnungen im religionskulturellen Vergleich (Berlin, 6-8 Dez 07]. In: ArtHist.net, 04.12.2007. Letzter Zugriff 12.05.2025. <https://arthist.net/archive/29894>.

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