Zum Tod von Konrad Hoffmann am 4. Juni 2007
Prof. Dr. Konrad Hoffmann, der zunächst als Assistent (ab 1965), - nach
zweijährigen Anstellungen an anderen Institutionen u. a. in New York - als
Privatdozent (ab 1971) und schließlich als Professor am Kunsthistorischen
Institut der Universität Tübingen zusammengerechnet fast 40 Jahre lehrte
und forschte, starb am 4. Juni 2007 in seiner Geburtsstadt Berlin. Eine
mit dem Eintritt in den Ruhestand 2003 aufgetretene Herzerkrankung führte
im Alter von 68 Jahren unerwartet früh zu seinem Tode.
Konrad Hoffmann als Kunst- und Kultur-Wissenschaftler und als
Hochschullehrer angemessen zu würdigen, ist in der Trauerrede zu seiner
Beerdigung kaum möglich. Mit einigen Sätzen soll dennoch sein Wirken im
Feld der Kunstgeschichte und der deutschen Universität umrissen werden.
Die Todesanzeige der Familie selbst hat mir das Stichwort zugespielt:
"Trennung von seinem vielfältig verknüpfenden Denken", die Allen schwer
fallen wird, die mit Konrad Hoffmann im intellektuellen und
wissenschaftlichen Austausch standen, ebenso wie die Trennung von seinem
legendären Humor, welcher Selbstdistanz und Distanzierung vom allzu
wichtig Genommenen ermöglichte. Hier spreche ich für viele Kolleginnen und
Kollegen, einige von Ihnen ehemalige Studierende, die - so wie ich selbst
- als Promovierende, als Habilitierende und/oder als Mitarbeitende von
Konrad Hoffmann betreut, gefördert und beraten wurden, von denen Viele zur
Beisetzung gekommen sind, um sich von ihm zu verabschieden.
Die Wirkungen persönlicher Begegnungen hängen immer auch davon ab, in
welchem Alter und welcher Verfassung intellektuelle Anstöße auf die
Wissbegierde von NachwuchswissenschaftlerInnen treffen. Konrad Hoffmann
war sich der damit verbundenen Verantwortung immer bewusst. Er hat uns,
seinen Studierenden, auf vielfältige Weise zu Denken gegeben. Nachträglich
ist dies deutlicher zu erkennen als seinerzeit, als uns das Wissen noch
fehlte, das Außergewöhnliche seiner Position im Feld der Kunstgeschichte
wahrzunehmen.
Er gab uns zu Denken durch die in der deutschen Kunstgeschichte in den
60er und 70er Jahren singuläre, sich u. a. auf Panofsky und Warburg, aber
auch auf Adorno und Norbert Elias beziehende, interdisziplinäre und
kulturwissenschaftliche Orientierung kunstwissenschaftlicher Forschung
(vor der Ende der 70er Jahre einsetzenden Rezeption Warburgs durch das
kunsthistorische Institut Hamburg). Er war mit Warburgs Denken während des
Studiums in Bonn und Berlin vertraut geworden und erwarb als erster
deutscher Student nach dem Krieg ein Stipendium für einen Aufenthalt
1962-63 am Warburg-Institute. Er hatte zudem weitere internationale
Erfahrungen gesammelt, nachdem er 1969 am Metropolitan Museum New York ein
Jahr lang für die Centennial-Ausstellung "The Year 1200" gearbeitet hatte.
Er gab uns zu denken durch die Themen und Fragestellungen, in denen er
anthropologische Fragen zu Angst, Gewalt und Erotik mit denen der
historischen Form, der Tradierung und der jeweiligen gesellschaftlichen
Funktion der Bilder verband, wofür der methodologischen Begriff der
Ikonologie viel zu eng gefasst ist.
Er gab uns nicht zuletzt zu denken durch die Ermutigung, eigene Wege zu
gehen, auch und vielleicht grade, wenn wir dabei manche, - auch aus seiner
Sicht - ausgetretene Pfade der traditionellen Kunstgeschichte verließen.
Manchmal geschah dies überfallartig, wenn er einem einen seiner berühmten
Zettel mit zahlreichen bibliografischen Angaben zu dem Thema, an dem man
gerade arbeitete, in die Hand drückte, und man sich der Mangelhaftigkeit
der eigenen Recherche nur allzu deutlich bewusst wurde - sein
Wissensvorsprung hat uns immer imponiert. Manchmal geschah dies en passant
mit einer bloßen Frage, die einem die gerade gewonnene scheinbare
Sicherheit des Wissens wieder raubte. Manchmal auch durch gezieltes
Schweigen. Für Studierende, die sich davon nicht entmutigen ließen, und
den Ehrgeiz hatten, diese verknüpfende und damit grundlegend unbeendbare
Wissensbewegung, die zudem ohne Aussicht auf ein endgültiges Ziel war und
allenfalls mit Zwischenergebnissen rechnen konnte, nachzuvollziehen und
sie produktiv für die eigenen Fragen umzusetzen, war Konrad Hoffmann ein
höchst anregender, herausfordernder und nicht zuletzt auch humorvoller
Hochschullehrer, Doktorvater, Kollege und Freund. Er zeigte uns, wie wir
damals aktuelle politische Debatten und Lebensfragen mit
wissenschaftlichen in Beziehung setzen konnten, so dass wir kulturelle
Traditionen aus welcher historischen Epoche auch immer im Benjaminschen
Sinne aus einem reflektierten zeitgenössischen Interesse heraus als
Unabgegoltene zu lesen lernten. Er unterstützte - und das ist heute immer
noch nicht selbstverständlich - Frauen ebenso wie Männer. Diese
Unterstützung galt nicht nur Personen, sondern auch den damals neu
formulierten Anliegen feministischer Kunstwissenschaftskritik. Ohne sein
Interesse, seine Anregungen und seine Kritik wäre es zu keinem "Hexenflug"
(meiner eigenen Dissertation zu Hexendarstellungen der frühen
Neuzeit,1982) oder weiteren Höhenflügen anderer DoktorandInnen gekommen.
Er war nicht zuletzt ein Verbündeter in hochschulpolitischen Konflikten,
wie sie das Kunsthistorische Institut Tübingen Dank selbstherrlicher
Ordinarien immer wieder erlebte.
Wie es immer ist, bedaure ich, ihm dies nicht schon zu Lebzeiten gesagt zu
haben, auch wenn es mehrfach Gelegenheit gab, ihm die Referenz zu
erweisen, wie dies in der Wissenschaft üblich ist, nämlich durch Hinweise
auf seine Texte in den eigenen, u. a. auch in der Festschrift zu Konrads
Hoffmanns 60. Geburtstag. Diese von den KollegInnen Peter Klein und Regine
Prange herausgegebene Festschrift "Zeitenspiegelung. Zur Bedeutung von
Traditionen in Kunst und Kunstwissenschaft" (Reimer, Berlin 1998) zeugt
von den vielfältigen kollegialen Beziehungen und dem intensiven
intellektuellen Austausch Konrad Hoffmanns und von den zentralen Themen
und Fragen mit denen er sich auseinandersetzte. Sie enthält zudem sein
Schriftenverzeichnis. Da wir ab sofort auf die Buchstaben verwiesen sind,
um mit ihm weiter im Austausch bleiben zu können, sind wir nun auf seine
Schriften angewiesen.
Ich möchte mit einer Beobachtung enden, die mir nachträglich aus einer
kritischen Sicht der heutigen Hochschulsituation und des
Wissenschafts"geschäfts" als besonders bemerkenswert erscheint, nämlich
Konrad Hoffmanns Bescheidenheit und wissenschaftliche Redlichkeit. Dazu
gehörten der Bezug auf und die Auseinandersetzung mit historisch
vorangegangenen AutorInnen. Die Bedeutung, die diese Referenzen für ihn
hatten, zeigt sich häufig u. a. im Verhältnis von eigenem Text zu den
Anmerkungen, das manchmal ein Drittel zu zwei Dritteln ausmacht. Sie zeigt
sich auch an seinen zahllosen Rezensionen und Besprechungen, von denen ein
großer Teil in den Beiheften zum Archiv für Reformationsgeschichte
erschien. Wie Konrad Hoffmann sich als Autor selbst verknüpft, ja fast
schon unsichtbar gemacht hat, und Anderen weit mehr "Redezeit" zugestand
als er für sich selbst beanspruchte, lässt sich heute als besondere
Qualität beschreiben. Sie hat mich und viele meiner KollegInnen tief
beeindruckt und geprägt. Er hat den Begriff der Bildkritik weitaus
komplexer angelegt und verstanden, als er heute in der Kunstgeschichte als
scheinbar neues Paradigma zirkuliert. Das lässt sich bereits mit einigen
Titeln von Konrad Hoffmanns Publikationen und um so mehr mit ihren
Inhalten belegen: Z. B.: "Geschichte des Sehens heute"; "Antikenrezeption
und Zivilisationsprozess im erotischen Bilderkreis der frühen Neuzeit",
"Angst und Gewalt als Voraussetzungen des nachantiken Todesbildes", "Das
Bild als Herrschaftskritik", "Die Hermeneutik des Bildes", "Das Bild als
Kritik", "Kunstwerk als politischer Begriff", um nur wenige zu nennen.
Es ist an der Zeit, an seine Publikationen auf eine Weise anzuknüpfen, die
er selbst vorgeführt hat. Das bedeutet, dass wir uns weiterhin mit seinem
Denken auseinandersetzen können und werden. Die Trauerarbeit wird von der
Arbeit der Erinnerung, der Auseinandersetzung und der Referenz
weitergeführt werden. Mit allem Respekt, den er selbst anderen AutorInnen
zugestand. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass die Trennung von seinem
Denken nicht absolut sein möge, ein kleiner Trost, aber doch ein Trost für
seine Frau, der Kunsthistorikerin Dr. Kathrin Hoffmann-Curtius, seine
beiden Söhnen Andreas und Wolfgang Hoffmann, seine Familie, seine Freunde
und KollegInnen. Ich schließe mich hiermit dem Wunsch der Familie an: Möge
ihm die Erde leicht sein.
Prof. Dr. Sigrid Schade
Leiterin des Institute Cultural Studies in Art, Media and Design
Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich
Reference:
Konrad Hoffmann (1938-2007). In: ArtHist.net, Jun 14, 2007 (accessed May 16, 2025), <https://arthist.net/archive/29413>.