Call For Paper
Erzählraum Jerusalem (4. bis 15. Jahrhundert)
Interdisziplinäres Kolloquium, Kunsthistorisches Institut in Florenz,
Max-Planck-Institut
7./8. Dezember 2007
Jerusalem ist Schauplatz irdischer Geschichte, 'umbilicus mundi', Raum der
Erinnerung wie Ort endzeitlicher Erwartung, real erfahren, gesehen,
kollektiv tradiert oder 'nur' gedacht, imaginiert. In allen Variationen
offenbart Jerusalem seine konstitutive Bedeutung für jüdische, christliche
wie islamische Kultur. Durch die Jahrhunderte hindurch war die Stadt auch
Motivation, Ort oder Gegenstand von Erzählung in Text und Bild. Das
Spektrum der Erzählungen reicht von der biblischen Geschichte, den
apokryphen Legenden über Texte der Geschichtsschreibung und Romane bis hin
zum 'realen', fiktiven oder geistlichen Pilgerbericht. Jerusalem ist
erzählter, 'erzählender' oder mit Erzählung besetzter Raum, ein Raum, der
in der Erzählung bzw. durch diese noch einmal neu geschaffen wird, oder
ein solcher, in dem Erzählung entsteht, wobei u.a. Stadträume wie
Sakralräume, bildliche, literarische wie kartographische Räume in den
Blick kommen.
Die Begriffe der Erzählung und des Raumes sind ebenso vielschichtig wie
ihre Zusammenführung im Erzählraum komplex. Dieser soll im Rahmen der
Tagung nicht bzw. nicht nur im Sinne des Bachtinschen Chronotopos
verstanden werden. Vielmehr ist geplant, mit einem erweiterten Konzept zu
arbeiten. Die Polyvalenz einer konkreten, aber zugleich vielseitig
interpretierbaren Verknüpfung der Begriffe lässt Spielraum für vielfältige
Fragestellungen, Perspektiven und Herangehensweisen. Auf welchen Ebenen
und auf welche Weisen wird Jerusalem zum Erzählraum, welche Konzepte von
Narration und Raum liegen jeweils zugrunde und wie verändert sich mit
ihnen das Jerusalembild? Welche Verschränkung von narrativen und
ikonischen Dimensionen lassen sich beobachten? Welche Rolle spielen dabei
Text- und Bildmedien, die Autoren/Künstler und die Adressaten? Gefragt
wird nach der Stellung, die das Erzählen im Prozess der Tradierung
bestimmter Vorstellungen über Jerusalem einnimmt, oder danach, wie der
Aufbau, das 'Neuerschaffen' Jerusalems als epischer Raum erfolgt oder als
Bildraum durch dargestellte Handlung. Wie wird Jerusalem für Erzählung
eingesetzt, in narrativen Bildern (beispielsweise Tafeln der Passion) und
Bildsequenzen, bei der Illustration erzählender Texte, von Bibel und Haggadah?
Indem die Tagung Jerusalem mit den Kategorien Erzählung und Raum zusammen
sieht, möchte sie einerseits den Blick für Konstellationen schärfen,
welche verschiedene Erscheinungsformen, Wahrnehmungsweisen, Vorstellungen
und Instrumentalisierungen der Stadt offen legen, andererseits und
zugleich die Modi und Orte der Darstellung zur Diskussion stellen. Fragen
nach der Translozierung Jerusalems (in Bild und Text, in Bau, Landschaft
oder Reliquie) sollen damit über jene nach der 'Kopie' oder der
topographischen Entsprechung hinausgehend interdisziplinär neu
aufgeworfen werden, wobei es gerade um die Verschränkungen von Erzählungen
und Orten geht: Wie konkretisieren sich Orte in und durch die Erzählung,
bzw. wie haftet sich Erzählung an Orte, bringt sie hervor und/oder
transferiert sie? Es geht hierbei also nicht um präexistente "Inhalte",
sondern um die Prozesshaftigkeit von Traditionen, auch um Zwischenräume,
die sich in diesen Prozessen auftun. Narration kann dabei Ausgangspunkt,
Auslöser, intermediärer Schritt, inszenatorischer Beitrag oder Endprodukt
sein.
Wir erhoffen uns Beiträge aus allen mediävistischen Bereichen der
Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Geschichte, Theologie, Judaistik
und Islamwissenschaft sowie benachbarter Fächer.
Beitragsvorschläge (1 Seite) senden Sie bitte bis zum 10. Mai 2007 an:
Annette Hoffmann und Gerhard Wolf
Kunsthistorisches Institut in Florenz, Max-Planck- Institut Via Giuseppe
Giusti 44 Kunsthistorisches Institut in Florenz
50121 Firenze Italia
Tel.: 0039-055-2491178
Fax.: 0039-055-2491166
e-mail: hoffmannkhi.fi.it
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Quellennachweis:
CFP: Erzaehlraum Jerusalem (Florenz, 7-8 Dec. 07). In: ArtHist.net, 19.03.2007. Letzter Zugriff 05.01.2025. <https://arthist.net/archive/29029>.