ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
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Immer noch Unbehagen in der Kultur?
Zu Sigmund Freuds 150. Geburtstag
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Symposium im ZKM_Medientheater
Freitag–Sonntag 01.–03. Dezember 2006
Fr ab 16 Uhr, Sa und So ab 10 Uhr, Eintritt frei
Vorträge in deutscher und französischer Sprache
Sigmund Freud wäre in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden. Anlass genug,
um in einem Symposium die Fragen, die er so weitsichtig – wie in seinem
Werk »Das Unbehagen in der Kultur – gestellt hat, nochmals aufzuwerfen,
zu diskutieren und das Weiterwirken der von ihm konstatierten Prozesse
zu analysieren. In dem Symposium »Immer noch Unbehagen in der Kultur?«
vom 01.–03.12.06 diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
der unterschiedlichsten Disziplinen als auch Künstlerinnen und Künstler
die Dringlichkeit der Frage, wie sich Zivilisation und das Chaos
gegenseitig bedingen und die daraus sich entwickelnden
gesellschaftlichen Phänome.
Teilnehmende:
Jaques Aubert, Bernard Baas, Jean Bollack, Pierre-Henri Castel, Edmond
Couchot, Hubert Damisch, Monique David-Ménard, Daisuke Fukuda, Nicole
Gabriel, Marcela Iacub, Franz Kaltenbeck, Patrice Maniglier, Geneviève
Morel, Claus-Dieter Rath, Francois Rouan, Jacopa Stinchelli, Anne-Lise
Stern, Klaus Theweleit, Peter Weibel.
Kuratiert von Franz Kaltenbeck und Peter Weibel.
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Detaillierte Informationen
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Freud ist derjenige, der über unsere Zeit und die Zeit, die vergeht,
berichtet, d.h. über die Geschichte und über die Möglichkeit, dieser
einen Sinn zu verleihen. 1930, als die Brandung des Horrors anfing,
spürbar zu werden, schrieb er »Das Unbehagen in der Kultur«.
Freud hat endgültig mit dem Dualismus der Ursprünge der Psychoanalyse
gebrochen. Er stellt nicht mehr die Primitivität der Triebe der
exzessiven Strenge der Zivilisation gegenüber. Trotz der zeitweiligen
und oft bereitwilligen Wachsamkeit des Gewissens, verweist er nicht mehr
auf die Gefahr der Verdrängung und Rückkehr der Primitivität der Triebe.
Die Gefahren der Zivilisation sucht er allein in der Zivilisation. Er
ist sicher einer der ersten, nach Nietzsche vielleicht, der mit dieser
Sinnesschärfe die Ambivalenz des Fortschrittes erkennt: Während der
moderne Mensch immer mehr technische und politische Mittel des Glücks
besitzt, fühlt er sich unbehaglich und träumt davon, die Zivilisation
gegen sich selbst zu wenden.
Freud zeigt die Verbindungen der Kultur mit den triebhaften Kräften und
den Kräften des Über-Ichs auf. Sie verdankt ihre Errungenschaften sowohl
der Sublimierung der Triebe als auch dem Verzicht auf deren
Befriedigung, der durch das Über-Ich auferlegt wird. Nun aber
funktioniert die Sublimierung nicht ohne die Mobilisierung des
Todestriebes, und der Verzicht auf den Trieb verstärkt das Über-Ich in
einem Teufelskreis: Je mehr man auf die Befriedigung verzichtet, desto
stärker wird es. Diese Prozesse wiegen zu schwer auf den Schultern des
Menschen und machen das von Freud postulierte Unbehagen aus, welches
jedermann im Sozialisierungsprozess spüren soll.
Man wird sagen, dass die Analyse Freuds weiterwirkt. Profitieren wir
nicht von der »sexuellen Revolution«, die die Schlagzeilen der 1960er
Jahre gefüllt hat? Sind wir nicht sozial, ökonomisch und politisch in
die größte Phase des weltweiten Wohlstandes eingetreten? Lässt uns das
Ende des Kalten Krieges nicht weiterhin auf eine Regulierung der
internationalen Gewalt durch das Recht hoffen, trotz der
offensichtlichen Ungewissheiten? Zeigt nicht die neueste technische
Revolution in der Informatik und bald auch in der Biologie, dass der
Begriff des wissenschaftlichen Fortschritts weit davon entfernt ist,
verbraucht zu sein?
Es geht natürlich nicht darum, über unsere Zeit zu richten. Es geht
darum, mit Freud eine Reflexion fortzuführen, die genauso von den
brutalen Naivitäten des imperialistischen Humanismus befreit ist wie vom
gekünstelten Schrecken, der in diesen glücklicherweise konfusen Zeiten
im Geiste der Wachsamkeit seinen Platz hat. Denn Freud ist sicher
derjenige, der mit der schärfsten und am wenigsten gefälligen Forderung
den Geist der Aufklärung einem Gedanken unterworfen hat, der um die
Ambivalenz des Fortschritts besorgt ist. Er gibt dem Universellen nicht
nach, aber er lehrt uns, dass die Barbarei kein Überrest ist, den die
Zivilisation erfolgreich absorbiert und in den Dienst ihrer idealen
Ziele gestellt hätte. Vielmehr ist die Barbarei das Produkt der
Zivilisation selbst. Die Kultur mit ihrem Unbehagen, und nicht die
Utopie ihrer Befreiung; den Beitrag der verschiedenen Dimensionen der
Kultur, ihre wirtschaftliche, sexuelle, politische, ästhetische,
literarische Dimension als ein Menschheitsschicksal zu denken, kann eine
Form der Ehrung Freuds 150 Jahre nach seiner Geburt sein.
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Programm
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Freitag, 1.12.06
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16:00 Uhr
Daisuke Fukuda: »L'amour du prochain selon Freud«
16:30 Uhr
Franz Kaltenbeck: »Verbrechen, Kultur, Gesellschaft«
17:00 Uhr
Diskussion
17:30 Uhr
Pause
17:45 Uhr
Edmond Couchot: »Quelques petits chemins de traverse qui pourraient nous
éloigner de l’abîme. L'image et le temps aujourd\'hui.«
18:15 Uhr
Claus-Dieter Rath: »Unbehagen in der Kultur – Behagen in der Unkultur?«
18:45 Uhr
Diskussion
19:15 Uhr
Pause
19:30 Uhr
Bernard Baas: »De l’amour du prochain à la guerre inhumaine«
20:15 Uhr
Marcela Iacub: »Par le trou de la serrure: le droit et la pudeur publique«
20:45 Uhr
Diskussion
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Samstag, 2.12.06
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10:00 Uhr
Pierre-Henri Castel: »Freud sans malaise?«
10:30 Uhr
Jacopa Stinchelli: »Psychoanalyse als Kulturarbeit«
11:00 Uhr
Diskussion
11:30 Uhr
Pause
11:45 Uhr
Peter Weibel: »Freud’s Medientheorie. Technik und Schrift – Medien der
Absenz«
12:15 Uhr
Hubert Damisch: »Malaise, illusion, effets de crise«
12:45 Uhr
Diskussion
13:15 Uhr
Mittagspause
15:00 Uhr
Klaus Theweleit: »Über Übertragungen, psychoanalytisch und
technisch-medial.«
15:30 Uhr
Anne-Lise Stern: »W-FRAGEN / WIE-SLOCH?«
16:00 Uhr
Diskussion
16:30 Uhr
Pause
16:45 Uhr
Geneviève Morel: »Figures et maximes du surmoi contemporain«
17:15 Uhr
Buchvorstellung: Jean Bollack, »Parménide, de l’étant au monde«
17:45 Uhr
Diskussion
18:15 Uhr
Pause
18:30 Uhr
Monique David-Ménard: »LES NORMES IMPARFAITES: formes juridiques et
destins pulsionnels «
19:00 Uhr
Jacques Aubert: »D’une écriture de l’insu, au moment Freud«
19:30 Uhr
Diskussion
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Sonntag, 3.12.06
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10:00 Uhr
Patrice Maniglier: »Malaise dans la structure.«
10:30 Uhr
Filmpräsentation: François Rouan, »Sans le savoir« und »Le Bloc notes
magique«
11:15 Uhr
Diskussion
11:45 Uhr
Pause
12:00 Uhr
Nicole Gabriel: »Unbehagen in der Kultur und Glücksversprechen. Freud
und Adorno«
12:30 Uhr
Diskussion
13:00 Uhr
Ende des Symposiums
Pressekontakt:
ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
Irina Koutoudis
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Lorenzstraße 19
76135 Karlsruhe
Fon: 0721 / 8100 – 1220
Fax: 0721 / 8100 – 1139
E-Mail: pressezkm.de
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Reference:
CONF: Immer noch Unbehagen? Zu S. Freud (Karlsruhe 1-3 Dec 06). In: ArtHist.net, Nov 18, 2006 (accessed Nov 2, 2024), <https://arthist.net/archive/28692>.