CFP 26.05.2006

Mediologie als Methode

CALL for PAPERS

Mediologie als Methode

Auf Initiative des AVINUS Verlags, der 1999 eines der Hauptwerke der
französischen Mediologie, Jenseits der Bilder von Régis Debray, in deutscher
Übersetzung veröffentlichte, ist eine Publikation geplant, die über eine
Bestandsaufnahme der Entwicklung der Mediologie und ihrer Rezeption in
Deutschland hinaus vor allem eine Reflexion über die Applikation
mediologischer Ansätze und Fragestellungen in verschiedenen Fachdisziplinen
versuchen soll.

Entwicklung und Rezeption der Mediologie
Von Régis Debray erstmals anfangs der 90er Jahre in Frankreich prominent
vorgestellt, ist die Mediologie keine neue Medientheorie und hat auch mit
Medienwissenschaft im engeren Sinne nichts zu tun, sondern versteht sich als
neue Wissenschaftsdisziplin in Gründung, die weit über enge Fachkreise hinaus
Beachtung und nicht zuletzt in der Gesellschaft für Mediologie (AD REM) und in
den Zeitschriften Cahiers de Mediologie und medium eine breite
Diskussionsplattform gefunden hat. Bekannte Intellektuelle wie Jacques Derrida
oder Derrick de Kerkhoven setzten sich nicht nur explizit mit Mediologie
auseinander, sondern entwickelten auch eine je eigene Auffassung von
Mediologie wie etwa Daniel Bougnoux, Bernard Stiegler oder Pierre Lévy, um nur
einige wenige zu nennen. Die Ausdifferenzierung des mediologischen Projekts,
die je nach disziplinärer Zugehörigkeit und individuellem Standpunkt
zahlreicher Autoren unterschiedlich akzentuiert wurde (und damit ihre
Rezeption in Deutschland nicht erleichterte), hat jedoch einen gemeinsamen
methodischen Kern: AD REM, definiert die Mediologie ganz allgemein als
Untersuchungsmethode der komplexen Korrelation zwischen einem symbolischen
Körper (z.B. einer ästhetischen Form), einer Form der kollektiven Organisation
(z.B. einem Wirtschaftssystem) und einem technischen System der Kommunikation.
Dabei setzt die Mediologie bei dem Prozess der kulturellen Übermittlung bzw.
Übertragung - der transmission culturelle - an, d.h. bei der Tatsache, dass
alle Formen kulturell vermittelten Wissens materiale, technische, soziale oder
auch ökonomisch geprägte Übertragungs- oder Übermittlungsprozesse durchlaufen,
die nicht allein nur vordergründige Bedeutungen übertragen, sondern immer
zugleich auch implizite Regeln der Übertragung selbst mit übermitteln.
Obwohl dieser Ansatz keineswegs ohne Vorläufer ist, zielt die Mediologie in
der Zuspitzung dieser Problematik auf einen blinden Fleck des
Wissenschaftsdiskurses: auf die Frage nach der Medialität kultureller
Übermittlungsprozesse (und mithin eigener Erkenntnisse).
In Deutschland wurde die französische Mediologie bisher nur zögerlich
rezipiert (z.B. bei Belting, Sloterdijk, Vogl, Hartmann), doch finden sich
auch in Arbeiten, die sich nicht explizit auf die französische Mediologie
beziehen, offensichtliche Parallelen zu mediologischen Fragestellungen (z.B.
Krämer, Jäger u.a.).

Mediologie als transdisziplinäre Methode?
Was verbindet Autoren ganz unterschiedlicher Fachdisziplinen, wenn sie
mediologische Fragestellungen aufgreifen? Gibt es eine Lücke im
Wissenschaftsbetrieb, die mit den Mitteln der jeweiligen Fachdisziplinen nicht
zu schließen ist? Oder öffnet die Mediologie gar neue Perspektiven, stellt
also Fragen, an die bisher gar nicht gedacht wurde?
Was leistet die Mediologie für eine Bildwissenschaft, die nicht mehr nur
Kunstgeschichte sein will, für eine Kulturwissenschaft, die die Materialität
des symbolischen Austauschs kultureller Vermittlung zur Kenntnis nimmt, für
eine Geschichtswissenschaft, die nicht mehr nur am Primat der geschriebenen
(oder gedruckten) Quellen festhält, für eine Rechtswissenschaft, die das
Rechtssystem nicht mehr allein als positivistische Textauslegung begreift, für
eine Religionswissenschaft, die nunmehr mit der materialen Übertragung von
Glaubenssystemen rechnet, für eine Philosophie, die die Medialität des eigenen
Denkens beobachtet und nicht zuletzt auch für eine Medienwissenschaft, die
sich weniger über die Definition des Medienbegriffs streiten als vielmehr das
Zusammenspiel ganz unterschiedlicher Faktoren bei medialen
Übermittlungsprozessen erkunden will?
Gesucht werden Beiträge von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen,
die entweder die Entwicklung und Rezeption der Mediologie behandeln oder aber
mögliche mediologische Applikationen bzw. Perspektiven für die verschiedenen
Fachdisziplinen.

Organisatorisches
Die einzelnen Beiträge sollten einen Umfang zwischen 10 - 15 Manuskriptseiten
haben und mit einem abstract von 5 - 15 Zeilen angekündigt werden. (Längere
Beiträge oder abweichende Vorschläge bitte vorher mit der Redaktion
absprechen). Der AVINUS Verlag hat eine Veröffentlichung des Buches
zugesichert, sofern die Beiträge den thematischen und qualitativen
Anforderungen entsprechen und den vom Verlag vorgegebenen Umfang nicht
sprengen. Die Redaktion behält sich daher eine Auswahl der Beiträge vor.
1. Interessierte melden sich bitte mit einem abstract von nicht mehr als 1500
Zeichen bis zum 15. Juli 2006 bei der Projektleitung:
Dr. Thomas Weber, Schönholzer Str. 2, 13187 Berlin, Tel. 030 - 92 405 410,
E-Mail:
thoweberweb.de
2. Ein Treffen (Tagung o.ä.) könnte evtl. für Anfang 2007 in Berlin angesetzt
werden (Reisekosten oder Vortragshonorare können derzeit noch nicht zugesagt
werden).
3. Die Beiträge sollten spätestens bis zum 15. März 2007 bei der Redaktion
eingegangen sein.

Träger des Projekts (derzeit):
Deutsche Gesellschaft für Mediologie (in Gründung), AVINUS Verlag
Redaktion: Dr. Birgit Mersmann und Dr. Thomas Weber

Dr. Birgit Mersmann
eikones - NFS Bildkritik
Universität Basel
Rheinsprung 11
CH 4051 Basel
Tel.: 0041 (0)61 2671851

Quellennachweis:
CFP: Mediologie als Methode. In: ArtHist.net, 26.05.2006. Letzter Zugriff 15.01.2025. <https://arthist.net/archive/28196>.

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