CFP 26.01.2006

Nationalsozialismus und Geschlecht (Berlin, 15-17 Feb 06)

Call for Papers

"Nationalsozialismus und Geschlecht"

Freie Universität Berlin, 15.-17. Februar 2007

Deadline: 30. April 2006

Der Nationalsozialismus war deutlich geschlechtsspezifisch organisiert.
Gemessen an der weit reichenden Bedeutung, die Geschlechterbildern bei der
Propagierung und Durchsetzung der nationalsozialistischen Weltanschauung
zukam, gibt es relativ wenige Studien zur Kategorie Geschlecht im "Dritten
Reich". Es ist das Verdienst der feministischen Forschung, die Wichtigkeit
dieser Kategorie für das Funktionieren der nationalsozialistischen
Herrschaft kenntlich gemacht zu haben. Die feministische Forschung entfachte
in ihren Anfängen in den 1970er Jahren nicht nur eine Diskussion um die
Position des "Weiblichen" in der gegenwärtigen Gesellschaft, sondern fragte
auch nach der Rolle von Frauen in der Geschichte und hier insbesondere
während der Zeit des Nationalsozialismus. Dabei tat sich die Frauenforschung
zunächst schwer mit dem nationalsozialistischen Erbe. Vor allem die Frage,
ob die weibliche Bevölkerung in ihrer überwiegenden Anzahl Opfer des
NS-Systems gewesen sei, oder ob sie sich maßgeblich an Aufbau und Erhalt der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft beteiligt habe, wurde zum zentralen
Thema. Hieran entzündete sich eine breit und kontrovers geführte Debatte,
die bis weit in die 1990er Jahre andauerte und weitestgehend in dem Konsens
endete, dass Frauen, abhängig von ihrer politischen Einstellung, ethnischen
Zugehörigkeit und gesellschaftlichen Position zur Zeit des
Nationalsozialismus, Opfer, Täterinnen, Zuschauerinnen, Mitläuferinnen oder
Widerstandskämpferinnen hatten sein können. Jedoch scheint es, als wäre der
kritische Diskurs zur Rolle von Frauen im "Dritten Reich" innerhalb der
Frauen- und Geschlechterforschung mit der Feststellung, dass Frauen eine
Vielfalt von Rollen im Nationalsozialismus einnahmen, eingeschlafen. So gibt
es zwar auch weiterhin Untersuchungen zu Frauen im Nationalsozialismus,
diese scheinen aber eher nebeneinander zu stehen, als kritisch aufeinander
Bezug zu nehmen.

Die Annahme einer Rollenvielfalt von Frauen im "Dritten Reich" bedeutet
keineswegs, dass die Frage nach der Kategorie Geschlecht ad acta gelegt
werden kann. Vielmehr scheint erst die Absage an Naturalisierungen und
Essentialisierungen von "Weiblichkeit" eine differenzierte Analyse der
vielfältigen Verbindungen von Sexualität, "Rasse" und Macht zu ermöglichen.
Eine wichtige Aufgabe der Frauen- und Geschlechterforschung zum
Nationalsozialismus ist es, die kritische Diskussion wieder aufzunehmen, die
bestehenden Forschungsprojekte und ihre Ergebnisse miteinander zu verknüpfen
und theoretische, analytische und methodische Hintergründe zu diskutieren,
da nur so unzulässigen Vereinfachungen, Essentialismen und
"Re-Objektivierungen" entgegen getreten werden kann.

Eine Möglichkeit zu einer solchen Wiederaufnahme der Diskussion soll die
interdisziplinäre Tagung Nationalsozialismus und Geschlecht bieten. Dabei
soll die Frage nach der Bedeutung der Kategorie Geschlecht im NS-System im
Zentrum der Analysen stehen. Willkommen sind Beiträge aus der Geschichte,
Kunstgeschichte, Soziologie, der Psychologie, den Kulturwissenschaften oder
ähnlichen Fachrichtungen. Die Vorträge können sich mit Machtstrukturen im
Nationalsozialismus zwischen den Geschlechtern, mit der Bedeutung von
Geschlecht innerhalb der nationalsozialistischen Weltanschauung, Kunst und
Kultur, mit Symbol- und Körperpolitiken, mit Sexualität, Sexualbildern und
sexualisierter Gewalt im Nationalsozialismus sowie mit Geschlechterbildern
in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nach 1945
beschäftigen. Es sind sowohl Ergebnisse der Biographieforschung als auch
Untersuchungen zu Institutionen und Organisationen möglich.

Abstracts (1 Seite) sowie kurze Angaben über den wissenschaftlichen
Werdegang richten Sie bitte bis zum 30. April 2006 an folgende
e-mail Adresse: NS-Gendergmx.de.

Dr. des. Elke Frietsch
Dipl. Soz. Christina Herkommer

Quellennachweis:
CFP: Nationalsozialismus und Geschlecht (Berlin, 15-17 Feb 06). In: ArtHist.net, 26.01.2006. Letzter Zugriff 18.12.2025. <https://arthist.net/archive/27830>.

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