Call for papers
Workshop zur Darstellung von Geschichte in verschiedenen Medien
7.- 8. Oktober 2005
Literaturwerkstatt Berlin, Knaackstraße 97 (Kulturbrauerei)
10435 Berlin
gefördert von der Studienstiftung des deutschen Volkes
Deadline: 3. Juni 2005
Jede Darstellung von Geschichte, wissenschaftlicher wie künstlerischer Art,
beruht auf grundsätzlichen Entscheidungen über die Auswahl, Verknüpfung und
Veranschaulichung ihrer Gegenstände. Die Frage, welcher Logik die
Modellierung historischen Stoffes in eine les-, hör- oder sichtbare Form
folgt, hängt von inhaltlichen und methodisch-theoretischen Erwägungen ebenso
ab wie vom gewählten Darstellungsmedium.
Die Frage nach dem Verhältnis von Analyse und Erzählung möchten wir aus
verschiedenen Perspektiven im Rahmen einer Tagung reflektieren, die
geschichtswissenschaftliche und -theoretische Überlegungen mit
künstlerischen und didaktischen Darstellungen verbindet. Aufbauend auf
neueren geschichtswissenschaftlichen und -philosophischen Positionen,
möchten wir zur Untersuchung der je spezifischen Darstellungslogik, der
Ausdrucksmittel, Rezeptionserwartungen und möglichen Selbstreflexivität
einzelner Medien einladen. Dabei bevorzugen wir Auseinandersetzungen mit den
primär visuellen und zugleich multimedialen Medien Film, Comic,
Ausstellungen und CD-Rom/Internet. Unser Anliegen ist es, aus der
Konfrontation der bisher getrennt geführten Diskussionen Impulse zu
gewinnen. Wir begrüßen Themenvorschläge zu folgenden Bereichen:
1) Geschichtswissenschaften
Nach dem postulierten Ende der großen Erzählungen hat das Problem der
Darstellbarkeit in der akademischen Historiographie eine neue Qualität
erreicht; die Debatte um die Konstruiertheit von Geschichte und die
Fiktionalität historischer Erzählungen (H. White) scheint beruhigt.
Einerseits ist das Wissen um die sprachliche Bedingtheit wissenschaftlicher
Texte beinahe selbstverständlich geworden, andererseits läuft der
geschichtswissenschaftliche Betrieb mehr oder weniger wie gewohnt weiter.
Wir wollen danach fragen, was es in praktischer Hinsicht bedeutet, nach H.
White & Co. Geschichte zu schreiben. Fragen in diesem Zusammenhang
betreffen
etwa die Konstruktion von Kausalitätszusammenhängen, die Bedeutung der
Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeiten und der Widersprüchlichkeit von
Entwicklungen. Ist die geschlossene Argumentationsform zwingend oder wird
ein fragmentarisches Erzählen manchem Gegenstand gerechter? Und auf welche
Art sind verschiedene Perspektiven in eine wissenschaftliche Darstellung
integrierbar?
2) Geschichte in bewegten und stillen Bildern (Film und Comic)
Im Film wie im erzählenden Comic gehören historische Themen zu den
beliebtesten Stoffen; längst spielen Bildmedien und Populärkultur eine
wichtige Rolle in der Prägung und Vermittlung historischer Bilder. Was
bedeutet es, Geschichte in Bildern zu erzählen? Wie werden Geschichte und
ihre Vermittlung konzipiert, wenn im Film beispielsweise die Maxime der
Emotionalisierung gilt, die Personalisierung oder dramatisierende Musik
leisten sollen? Wie sinnvoll ist die Unterscheidung zwischen konventionellen
und experimentellen Erzählstrategien und Ästhetiken (R. Rosenstone)? Auch
der Comic, der Geschichte in grafischen Bildfolgen erzählt, zeichnet sich
durch eine Mischung linearer und bildhafter Codes aus. In der Spannbreite
zwischen (pseudo)historischen Settings von Albumserien und erzählerisch
vielschichtigen Kunstwerken wie Art Spiegelmans MAUS bietet das
Bild-Text-Medium spezielle Gestaltungsmöglichkeiten. Neben Fragen zum
Verhältnis von Raum und Zeit, von Gezeigtem und Ausgeblendetem wären hier
etwa die visuelle Detailtreue und der Effekt von Hyperrealität zu
thematisieren.
3) Geschichte im realen und im virtuellen Raum (Ausstellungen und
Internet/CD-Rom)
Besucher einer Ausstellung oder Nutzer einer CD-Rom bewegen sich
selbstständig im (virtuellen) Raum durch das Angebot der Darstellung. Dabei
beruht die Anschaulichkeit einer historischen Ausstellung auf der sinnlichen
Erfahrbarkeit der Exponate und des gestalteten oder inszenierten Raumes.
Durch die Art des Arrangements wird den Objekten ihre Bedeutung erst
verliehen. Wie verhalten sich vor diesem Hintergrund narrative zu
assoziativen oder fragmentarischen Darstellungsformen, und mit welchen
Mitteln des Zeigens arbeiten historische Ausstellungen? Die Medien Internet
und CD-Rom bieten mit ihrem spezifischen Verhältnis zur Hierarchie neue
Möglichkeiten: Ihre Multimedialität und Multifunktionalität erlauben,
Quellen mit der "Erzählung" zu verknüpfen, große Datenmengen zu erschließen
und vergangene Lebenswelten modellhaft zu rekonstruieren. In diesem Bereich
stellen sich Fragen nach dem Verhältnis von Didaktik und Interaktivität
sowie nach der Struktur der angebotenen Erzählung in besonderer Weise.
Der Workshop, der von der Studienstiftung des deutschen Volkes unterstützt
wird, richtet sich vor allem an junge WissenschaftlerInnen und an Praktiker,
die ihre Arbeit und Überlegungen vorstellen und diskutieren möchten. Wir
freuen uns insbesondere auf Beiträge, die die angerissenen medien- und
erzähltheoretischen Fragestellungen anhand konkreter Fallbeispiele erörtern.
Wir bitten, Abstracts (maximal eine Seite) bis zum 3. Juni 2005 an die
Adresse past.forwardweb.de zu senden. Für jeden Beitrag sind 20-30 Minuten
geplant.
BETTINA EFFNER, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Erinnerungsstätte
Notaufnahmelager Marienfelde, enm.Projektlageso.verwalt-berlin.de
KATHRIN KOLLMEIER M.A., Humboldt-Universität zu Berlin, k.kollmeierweb.de
JESSICA KRAATZ MAGRI M.A., Humboldt-Universität zu Berlin, jkmxenien.net
Reference:
CFP: Darstellung von Geschichte in versch Medien(Berlin 7-8 Oct 05). In: ArtHist.net, May 21, 2005 (accessed May 10, 2025), <https://arthist.net/archive/27212>.