25. bis 28. September 2004
9. Symposium der Residenzen-Kommission in Halle an der Saale, 25. bis 28.
September 2004
Der Hof und die Stadt / La Cour et la Ville
Konfrontation, Koexistenz und Integration im Verhältnis von Hof und Stadt
in Spätmittelalter und Früher Neuzeit
Hof und Stadt - zwei miteinander konkurrierende, aber auch kooperierende
Organisationsformen von Macht und Herrschaft - stellen ein Leitthema der
mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte dar. Dem Hof mit einem
zentralen Mittelpunkt, dem Herrscher, steht die Stadt mit dem
mehrköpfigen Rat gegenüber. Man könnte auch vom Antagonismus zwischen
Adel und Bürgertum sprechen der sich, in späterer Zeit, in Stadt und Hof
wieder aufzulösen scheint. Gleichsam als Beispiel für die
unterschiedlichen Möglichkeiten der politischen Organisation von Macht
weisen beide Gebilde besonders im Spätmittelalter und in der Frühen
Neuzeit viele Berührungspunkte auf, die zu einem komplexen Wechselspiel
von Konfrontation, Koexistenz und Integration führten. Sehr oft
residierte der Hof in der Stadt, war auf ihre Infrastruktur und
Wirtschaftskraft angewiesen. Der Adel konnte der Stadt, zumindest in der
Anfangszeit, Schutz und Recht gewähren und ermöglichte so erst die
Entwicklung der Stadt zu einem eigenständigen Machfaktor. Schließlich
handelt es sich aber nicht nur um soziale Gebilde, sondern auch um deren
baulich, materielle Manifestation durch Burg, Schloß und herrschaftliche
Architektur in der Stadt und durch die Stadt. Wer also die Grundlagen
adeliger und bürgerlicher Gesellschaft und deren Selbstverständnis
verstehen will, muß eben jene Schnittmenge untersuchen, an denen beide
sich treffen.
Residenzbildung und Hofhaltung waren oft eng an die infrastrukturellen
Vorzüge einer Stadt gebunden, höfische Kultur und Repräsentation ohne das
"Publikum" und die "Bühne" der Stadt nur schwer zu inszenieren. Aus der
Verknüpfung von Hof und Stadt ergaben sich ebenso wirtschaftliche wie
soziale Impulse. Mit dem Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit läßt
sich vielerorts eine immer engere soziale Vernetzung zwischen der
Gesellschaft des Hofes und jener der Stadt beobachten. Die verstetigte
und zunehmend differenzierte Hofhaltung sowie der architektonische Ausbau
von Residenzen führte oft zu einer gesteigerten Attraktivität für
Zuwanderer was spezialisierte Innovationsträger ebenso wie einfache
Handwerker und Arbeiter anziehen konnte. Damit setzte nicht selten ein
langfristiger und tiefgreifender Wandel sozialer und wirtschaftlicher
Strukturen ein.
Derartige Veränderungen vollzogen sich keineswegs immer friedlich.
Sozialer und wirtschaftlicher Wandel innerhalb der Stadt kannte Gewinner
und Verlierer, erschütterte etablierte soziale Netzwerke und tradierte
Organisationsformen, stellte bestehende Machtverteilungen in Frage. Das
enge räumliche Nebeneinander von Hof und Stadt schuf und beförderte
überdies Konkurrenz zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Systemen,
entfachte Kämpfe um Herrschaftsansprüche und Autonomien, steigerte den
Wettstreit verschiedener Lebensweisen und die Formen ihrer
Repräsentation. Gerade im Konflikt schärfte sich aber auch das Bewußtsein
von der eigenen Identität, wuchs der Zwang zur Kreativität bei der Suche
nach Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Darstellung.
Stets bestimmte sich das Verhältnis zwischen Hof und Stadt auch nach der
Größe und Bedeutung der Stadt und des Territoriums, in dem sich der
Prozeß der Residenzbildung vollzog. Zugleich spielte die Frage, ob es
sich um eine geistliche oder weltliche Herrschaft handelte, und ob der
Hof die Stadt nur als Neben- oder als Hauptresidenz nutzte, eine wichtige
Rolle. Bislang sind bevorzugt geistliche Residenzen untersucht worden. Es
ist an der Zeit, mehr als zuvor den weniger zahlreichen, aber
gewichtigeren weltlichen Residenzen nachzugehen.
Ziel des Symposiums ist es somit, das komplexe Verhältnis zwischen Hof
und Stadt näher auszuleuchten. Als zentrale Kategorien zur Beschreibung
der Wechselbeziehungen dienen dabei die Begriffe "Konfrontation",
"Koexistenz"und "Integration".
Tagungsprogramm (Stand 29. April 2004):
Samstag, 25. September
Öffentlicher Abendvortrag (Bürgersaal)
18 h 00 Begrüßung
18 h 30 Ulrich Schütte (Marburg), Militär, Hof und urbane
Topographie. Albrecht Dürers Entwurf einer königlichen Stadt aus dem
Jahre 1527
19 h 30 Empfang durch die Stadt, anschließend individuelles
Abendessen
Sonntag, 26. September: Exkursion
Voraussichtliche Stationen: Merseburg, Bernburg und Quedlinburg mit
gemeinsamem Mittagsmahl unterwegs
Montag, 27. September (Alte Aula / Löwengebäude Universitätsplatz)
9 h 00 Begrüßung
9 h 15 Werner Paravicini (Paris), Einführung
9 h 30 Jörg Wettlaufer (Kiel), Zwischen Konflikt und
Symbiose. Überregionale Aspekte der spannungsreichen Beziehung zwischen
Hof und Stadt im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit
1. Nach dem Sieg: Stadt und Hof als Gewinner und
Verlierer
10 h 00 Matthias Meinhardt (Halle), Chancengewinn durch
Autonomieverlust? Sächsische und anhaltische Residenzstädte im
Spannungsfeld zwischen fürstlichem Gestaltungswillen und politischer
Selbstbestimmung
10 h 30 Michael Scholz (Potsdam), "... da zoge mein herre mit
macht hinein ...". Die Stadt Halle nach der Unterwerfung durch den
Erzbischof von Magdeburg 1478
11 h 00 Pause
11 h 30 Joachim Schneider (Würzburg), Nach dem Sieg des
Bischofs: Soziale Verflechtungen der Würzburger Ratsfamilien mit dem
bischöflichen Hof um 1500
12 h 00 Pierre Monnet (Paris), Le cas de Francfort: une ville
"capitale" sans cour est-elle possible à la fin du Moyen Age?
12 h 30 Diskussion
13 h 30 individuelles Mittagessen
2. "Krieg der Zeichen"? Die symbolische Besetzung des
öffentlichen Raumes durch Stadt und Hof (1)
15 h 00 Arnd Reitemeier (Kiel), Hof und Pfarrkirche der Stadt
15 h 30 Renate Kohn (Wien), Stadtpfarrkirche und
landesfürstlicher Dom. Der Interpretationsdualismus der Wiener
Stephanskirche
16 h 00 Pause
16 h 30 Jörg Martin Merz (Augsburg), Öffentliche Denkmäler
zwischen städtischer und höfischer Repräsentation
17 h 00 Patrick Boucheron (Paris), La cour, la ville,
l'espace public. Guerre des signes et dispute des lieux dans le Milan du
XVe siècle
17 h 30 Diskussion
Dienstag, 28. September (Alte Aula / Löwengebäude Universitätsplatz)
2. "Krieg der Zeichen"? Die symbolische Besetzung des
öffentlichen Raumes durch Stadt und Hof (2)
9 h 00 Guido von Büren (Jülich), Der Ausbau Jülichs zu
einer Residenzstadt des Herzogtums Jülich-Kleve-Berg in der Mitte des 16.
Jahrhunderts
9 h 30 Harriet Rudolph (Trier), Fürstenhof und
Residenzstadt als Gastgeber. Die Kaiserbesuche von 1575 und 1617 in der
kursächsischen Residenz Dresden (Kurzreferat)
9 h 45 Barbara Uppenkamp (Hamburg), Die Wolfenbüttler
Ratswaage im Jahre 1602: Ein Streit um das Nützliche und das Schädliche,
über Schönheit, Neuerung und Tradition (Kurzreferat)
10 h 00 Wolfgang Wüst und André Krischer (Erlangen/Köln),
CEREMONIALIA AUGUSTANA ET COLONIENSES. Visualisierungen fürstlicher
Herrschafts- und reichsstädtischer Autonomieansprüche in Augsburg und
Köln
10 h 30 Diskussion
11 h 00 Pause
3. Stadtgesellschaft - Hofgesellschaft: Spannungen
und Verflechtungen
11 h 30 Sybille Schröder (Berlin), Luxusgüter aus London. Die
Stadt und ihr Einfluß auf die materielle Kultur am Hof Heinrichs II. von
England
12 h 00 Andreas Sohn (Paris), Paris als Festung. Zu
Architektur und Infrastruktur der französischen Hauptstadt im Hohen
Mittelalter
12 h 30 Claude Gauvard (Paris), La ville de Paris et les
cours royales et princières à la fin du Moyen Age: une source de
conflits?
13 h 00 Diskussion
13 h 30 individuelles Mittagessen
15 h 00 Ulf Christian Ewert (Chemnitz), Fürstliche
Standortpolitik und städtische Wirtschaftsförderung. Eine ökonomische
Analyse des Verhältnisses von Hof und Stadt im vormodernen Europa
-
Eliten der Stadt. Identitätsbewußtsein, Lebensweisen und
Repräsentationsformen stadtbürgerlicher und höfischer Eliten im
literarischen Leben Wiens zur Zeit Herzog Albrechts III. (1365-1395)
16 h 00 Pause
16 h 30 Christian Hesse (Bern), Städtisch-bürgerliche Eliten
am Hof. Die Einbindung der Residenzstadt in die fürstliche Herrschaft
17 h 00 Marc von der Höh (Halle), Das Spiel der Ressourcen.
Stadt und Hof in der Grafschaft Stolberg/Harz im 15. und 16. Jahrhundert
17 h 30 Diskussion
18 h 30 Andreas Ranft (Halle), Zusammenfassung
20 h 00 Gemeinsames Abendessen
Weitere aktuelle Informationen und ein Anmeldeformular finden Sie unter
der Adresse:
http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de/sympos_halle.htm
Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- Residenzen-Kommission -
Arbeitsstelle Kiel
c/o Historisches Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Olshausenstr. 40
24098 Kiel (Briefe)
24118 Kiel (Päckchen)
Tel/Fax/AB 0431/880-1484
http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de
Reference:
CONF: 9. Symposium der Residenzen-Kommission in Halle an der Saale, 25. bis 28. September 2004. In: ArtHist.net, May 2, 2004 (accessed Mar 22, 2025), <https://arthist.net/archive/26379>.