CONF 11.03.2004

Framing (HKW, Berlin 20.+27.03.04)

Arnold, Sven

Konferenz

Zur Umrahmung der Kulturen der Welt
Teil I: 20. + 27. März 2004, HKW Berlin

Eintritt frei
Konferenzsprache:
Englisch/Deutsch mit Simultanübersetzung

FRAMING:

Das Themengeflecht von Ästhetik, Internationalisierung und Ökonomie steht
im Vordergrund der Symposien unter dem Titel "Framing:

Zur Umrahmung der Kulturen der Welt", und die Frage, inwiefern
Präsentationen von Kunst und Kultur die Wahrnehmung dessen beeinflussen,
was ausgestellt wird. Museale und kuratorische Prinzipien werfen ebenso
Fragen zu Wahrnehmungsstrukturen auf wie der materielle und immaterielle
Rahmen einer Ausstellung. Materiell insofern, als eine ganz bestimmte
Ausstellungsarchitektur einen Rahmen schafft, innerhalb dessen
Kunstobjekte positioniert werden; und immateriell, indem kulturelle
Institutionen mittels Strategien Kulturen "inszenieren". Ein Rahmen
beeinflusst die Wahrnehmung des jeweiligen Objekts und definiert seinen
Kontext. Derjenige, der den Rahmen setzt, verfügt über die strategisch
bedeutsame Macht, Wahrnehmung zu steuern und Bedeutung zu erzeugen.
Ausgehend von den verschiedenen Bedeutungen des englischen Begriffs
"framing", wurde die Konferenzreihe entwickelt: "framing" als materieller
Rahmen, der ein Kunstwerk von seiner Umgebung ab- bzw. eingrenzt und
damit
den Blick auf das Objekt in ganz bestimmter Weise lenkt; "framing" als
immaterieller Rahmen im Sinne eines Kontextes, in den ein Gegenstand
gestellt wird. Die individuelle Wahrnehmung setzt ebenso einen Rahmen,
innerhalb dessen Kunstbetrachter ein Objekt verorten.

Und schließlich gilt "framing" als Synonym für "jemandem etwas
unterstellen". Im Kontext von Ausstellungspraxis bedeutet dies,
kuratorische Auswahlkriterien kritisch zu hinterfragen. Wie jedes Museum
oder jede Kunsthalle fordern diese Aspekte auch das Haus der Kulturen der
Welt zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Darstellungspraxis auf.
Allein der Name "Haus der Kulturen der Welt" weckt gewisse Erwartungen,
die unabhängig von den Intentionen sind. Inwiefern aber erzeugen
solcherart kulturelle Repräsentationen "Otherness/Fremdheit", und mit
welchen Mitteln machen Institutionen außereuropäische Künste für ein
hiesiges Publikum konsumierbar? Diese Fragen sind einerseits in einem
machtpolitischen Raum zu erörtern, andererseits ist das Gesetz von
Angebot
und Nachfrage, dem auch der Kulturmarkt unterliegt, ein wichtiger Aspekt
dieser Konferenz. Städte dienen ebenfalls als Ausstellungsplattformen,
indem sie Kunst und Kultur öffentlich zur Schau stellen. Kultur im
öffentlichen Raum wird immer häufiger von Städten sozio-ökonomisch und
politisch instrumentalisiert und dient der Standort- und Imageaufwertung.
Eine Folge dessen ist der derzeitige Prozess der (Ethno-)
Festivalisierung, mithilfe derer Kultur zu einer symbolischen Ökonomie
der
Stadt wird.

Während die Konferenzreihe FRAMES OF VIEWING (Mai 2002), MIGRATING IMAGES
(November 2003) und GLOBAL ICONS (Mai 2004) eher bildtheoretisch
orientiert ist, widmet sich die Veranstaltungsreihe FRAMING der
Hinterfragung von Ausstellungs- und Darstellungspraxis. Die Reihe ist in
drei Symposien mit unterschiedlichen Schwerpunkten angelegt:
Ausstellungspraxis ist Thema bei den Veranstaltungen im März,
Repräsentationsregime werden im April zur Debatte stehen. Abgeschlossen
wird die Veranstaltungsserie im Juni 2004 mit den Themen kulturelle
Ökonomie der Städte, Kulturpolitik und Ethnomarketing.

ÜBERBLICK TEIL I:
Samstag 20. März 2004 : 18 Uhr

IRANISCHE KUNST DARSTELLEN
UND WAHRNEHMEN

Referenten:
Negar Azimi, Rose Issa, Shaheen Merali, Farhad
Moshiri, Shirana Shahbazi

Samstag 27. März 2004 : 14 Uhr

2
WESTLICHE NACHFRAGE
IM INTERNATIONALEN KONTEXT

Referenten:
Charlotte Bydler, Marion von Osten, Regina
Röhmhild, Ian Verwoert

Samstag 27. März 2004 : 16:30 Uhr

FRAMING UND VERDACHT

Referenten:
Boris Groys, Maria Lind, Tan Wälchli, Tirdad
Zolghadr

3
Spätestens mit dem internationalen Erfolg der Werke einiger namhafter
iranischer Künstler wie beispielsweise Shirin Neshat ist ein bestimmtes
Bild ihrer Arbeit entstanden, das die Erwartungen an moderne iranische
Kunst mitbestimmt. Künstler, Kuratoren und Experten diskutieren am
Beispiel der Ausstellung ENTFERNTE NÄHE, wie durch Ausstellungspraxis
sowie künstlerische und kuratorische Strategien eine spezifische
Wahrnehmung Irans ebenso wie der iranischen Kunst erzeugt wird. Ein
Schwerpunkt dieses Panels wird also sein, die "Repräsentation Irans"
dahingehend zu untersuchen, wie Iran repräsentiert wird und von wem.
Welche Rolle spielt es dabei, dass diese Ausstellung im Haus der Kulturen
der Welt gezeigt wird? Das Haus bildet einen immateriellen Rahmen mit
seiner Geschichte und Struktur, seiner Wahrnehmung im Berliner Kontext
und
in Deutschland. Welche Auswirkungen hat das Verhältnis von Kunst und
Ökonomie auf die Präsentation iranischer Kunst, und welchen Spielraum
nutzen nun ihrerseits die Künstler?

REFERENTEN:
Negar Azimi: lebt und arbeitet in Kairo als Journalistin und
Ausstellungsassistentin in der Townhouse Gallery für Zeitgenössische
Kunst. Sie verfasste zahlreiche Beiträge über zeitgenössische Kunst und
Kultur in Ägypten sowie über gesellschaftliche Belange.

Rose Issa: Kunstkritikerin und Autorin, Kuratorin der Ausstellung
ENTFERNTE NÄHE. Spezialisiert auf bildende Kunst und Film aus dem Nahen
Osten und Nordafrika. Leitete in den vergangenen zwanzig Jahren
zahlreiche
Filmfestivals und kuratierte diverse Ausstellungen zeitgenössischer Kunst
aus der arabischen Welt und Iran.

Shaheen Merali: Leiter des Bereiches Bildende Kunst, Film und Neue Medien
im Haus der Kulturen der Welt. 1988 war Shaheen Merali Mitbegründer der
Panchayat Arts Education Resource Unit in London, eines der umfassendsten
Kunstarchive in Europa, das seinen Fokus speziell auf außereuropäische
Künstler und "cultural producers" gerichtet hat. Der Künstler und Kurator
hat in den letzten Jahren vorwiegend in London gelebt und an der Central
Saint Martins School of Art and Design sowie der University of
Westminster
geforscht und gelehrt.

Farhad Moshiri: beschäftigt sich vorrangig mit Malerei und Videokunst,
wobei er sich als scharfer und kritischer Beobachter der iranischen
Gegenwartskultur erweist. Der urbane Alltag im heutigen Iran zählt ebenso
zu seinen Themen wie Konsumkultur oder Architektur in der
postrevolutionären Zeit. Moshiri lebt und arbeitet in Teheran.

Shirana Shahbazi: Studium der Kunst und Fotografie 1995 bis 2000 an der
FH
Dortmund und der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich, wo sie
heute lebt.

Panel I:
Iranische Kunst darstellen und wahrnehmen
Samstag, 20. März 2004, 18 Uhr

4
Die Mechanismen des Kunstmarktes gehören zu den mächtigsten Faktoren in
der Kunstwelt, und sie beeinflussen maßgeblich die Positionierung von
Kunst und Profilierung von Künstlern. Ist der Markt womöglich das neue
Medium, das Kunst filtert? Sicher ist er als Rahmen zu sehen, der den
Handlungsspielraum von Kulturschaffenden bestimmt. Nimmt nun der Markt
eine Schlüsselfunktion als autorisierter Repräsentant ein? Welche Chancen
haben künstlerische Erwägungen in diesem von ökonomischen Interessen
besetzten Feld, oder andersherum gefragt: Wie reagieren Künstler auf die
ökonomischen Interessen? Eine wichtige Rolle bei der Vermittlung und
Repräsentation von Kunst spielen Agenten, die Künstler innerhalb eines
ökonomisch regulierten Kunstbetriebs etablieren; sind Agenten also
lediglich als Exekutierende der Gesetzmäßigkeiten des Kunstmarktes zu
betrachten, der wiederum die ästhetischen Vorgaben diktiert? Auch
politische Aspekte werden bei dieser Diskussion berücksichtigt: Künste
dienen häufig dazu, Licht auf postkoloniale Strukturen zu werfen und
bewusst zu machen. Was aber wird unter ökonomischen Gesichtspunkten aus
den politischen Anliegen der Künstler?

REFERENTEN:
Charlotte Bydler: Kunstkritikerin, arbeitet derzeit
an ihrer Doktorarbeit zur Internationalisierung
der zeitgenössischen Kunst in der Abteilung
Kunstgeschichte der Universität Uppsala. Unterrichtet
seit Herbst 2003 Kunstgeschichte an
der philosophischen Fakultät für Kunst und Kommunikation
an der Södertörn Universität.

Regina Römhild: Universität Frankfurt a.M. Derzeit forscht sie über
Prozesse der Transnationalisierung, der kulturellen Globalisierung und
Europäisierung. Zuletzt leitete sie das Forschungsprojekt "Transnationale
Alltagskulturen in Frankfurt".

Ian Verwoert: studierte Kulturwissenschaft und Philosophie in Hildesheim
und London, lebt und arbeitet in Hamburg als freier Autor für die
Kunstzeitschriften "frieze", "springerin", "afterall", "metropolis m" und
"Camera Austria". Er erhielt 2001 den Preis für Kunstkritik der
Arbeitsgemeinschaft deutscher Kunstvereine (AdKV) und ist Gastprofessor
für zeitgenössische Kunst und Theorie an der Kunstakademie von Umeå
(Schweden).

Marion von Osten: nach einem Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und
Malerei als freie Künstlerin tätig. Seit 1990 setzt sie sich theoretisch
mit Geschlechterkonstruktion, Urbanismus und Ökonomie auseinander, seit
1994 schreibt sie als Kunstkritikerin Beiträge für die Zeitschriften
"Texte zur Kunst", "Springerin", "A.N.Y.P.". Von 1996 bis 1998 war sie
Kuratorin der Shedhalle in Zürich, seit 1999 ist sie als Dozentin an der
Schule für Gestaltung und Kunst in Zürich.

Panel II:
Westliche Nachfrage
im internationalen Kontext
Samstag, 27. März 2004, 14 Uhr

5
Als anerkannte Autoritäten in Bezug auf Kunstund Kulturrepräsentation
sammeln und archivieren Kulturinstitutionen Gegenstände, platzieren sie
in
einen Raum und haben somit die Macht, über Kunst zu bestimmen und
darüber,
was gezeigt wird. Ihre Auswahl unterscheidet das Alltägliche vom
Archivierungswürdigen; damit bestimmen sie, ob etwas als Kunst anerkannt
wird oder nicht. Auch das Arrangement von Kunstwerken im Raum kann als
Kunst gelten. Der Verdacht könnte also aufkommen, dass Kunstwerke
präsentiert werden, die in Wirklichkeit nur als Vehikel für bestimmte
(künstlerische, ökonomische oder politische) Interessen fungieren. Des
Weiteren ist eine Kulturinstitution immer auch Teil der Konstruktion
einer
Identität von nationalen und regionalen Kulturen, wie sehr sie sich auch
dagegen wehrt. Oftmals werden die gezeigten künstlerischen Positionen
nicht als individuelle Ausdrucksformen gedeutet, sondern der Künstler als
Repräsentant einer Kultur wahrgenommen. Der Besucher lässt sich auf eine
Inszenierung ein, die die Vorstellung von einer kulturellen Einheit
suggeriert. Das Haus der Kulturen der Welt, wie der Name es schon sagt,
inszeniert diese Begegnung mit anderen Kulturen. Schnell taucht hier ein
weiteres Verdachtsmoment auf, der "Exotismusverdacht". Dieser eher
verschwörerischen Bedeutung des Begriffs "framing" geht dieses Panel
nach.

REFERENTEN:
Boris Groys: einer der einflussreichsten Kunsttheoretiker der Gegenwart,
ist seit 1994 Professor für Philosophie und Medientheorie an der
Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Zu seinen aktuellen
Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Kunstformen in den ehemaligen
kommunistischen Ländern sowie Analysen der Avantgarden. Maria Lind:
Kunsthistorikerin, derzeit Direktorin des Kunstvereins München.
Zahlreiche
Lehraufträge an diversen Hochschulen. War 1998 und 2002 Beauftragte für
die schwedische Teilnahme an der Bienal de São Paulo und von 1997-2001
Kuratorin am Moderna Museet in Stockholm. Tan Wälchli: hat in Zürich
Literaturwissenschaft studiert und schreibt derzeit an einer Dissertation
über Freud und das Drama der Moderne. Mit Aude Lehmann entwickelte er das
Kunstbuch- Projekt whyart.net. Kulturjournalistische Artikel für diverse
Zeitungen und Magazine. Tirdad Zolghadr: Kulturwissenschaftler, seit 2000
intensive Forschungs- und Ausstellungstätigkeit in Teheran, Berlin,
Zürich, Genf. Setzt sich mit Fragen von Kunst, Globalisierung und
Rezeption auseinander. Autor und Regisseur des Dokumentarfilms "Tehran
1380" zusammen mit Solmaz Shahbazi. Mitorganisator der Arab Cinema Week,
2003; "Ethnic Marketing" Theoriepool Seminar, Hochschule für Gestaltung
und Kunst Zürich; Ko-kurator/Berater der Konferenz "Framing", Haus der
Kulturen der Welt, Berlin.

Panel III:
Framing und Verdacht
Samstag, 27. März 2004, 16.30 Uhr

Konzept: Tirdad Zolghadr in Zusammenarbeit
mit Kerstin Frei und Peter C. Seel

Mehr Informationen auf der Website des Hauses der Kulturen der Welt:
www.hkw.de Bestellungen der Newsletter zu den nächsten Teilen der Reihe
infohkw.de

Tagungsort:
Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin
030 - 39 78 71 75
www.hkw.de

Ausstellung:
ENTFERNTE N ÄHE
NEUE POSITIONEN IRANISCHER KÜNSTLER
20.3 - 9.5.2004
Di + Mi 10 - 18 Uhr, Do - So 12 - 20 Uhr

Quellennachweis:
CONF: Framing (HKW, Berlin 20.+27.03.04). In: ArtHist.net, 11.03.2004. Letzter Zugriff 26.04.2024. <https://arthist.net/archive/26231>.

^