CFP Aug 10, 2002

Oeffentlichkeit und Privatheit in Mittelalter und Frueher Neuzeit (Goettingen, 1/2003)

Mallinckrodt, R.v.

Offen und Verborgen.
Kulturelle Strategien zur Imagination von
"Oeffentlichkeit" und "Privatheit" in Mittelalter und Frueher Neuzeit

Tagung der "International Max Planck Research School for the History and
Transformation of Cultural and Political Values" vom 23.-24.01. 2003 in
Goettingen

Ausgehend von medien- und kommunikationsgeschichtlichen Fragestellungen
wurden in den letzten Jahren - angefangen bei Rainer Wohlfeils Begriff der
"reformatorischen Oeffentlichkeit" (1984) - zunehmend unterschiedliche Formen
und Orte vormoderner "Oeffentlichkeiten" in den Blick genommen. Dennoch war
bislang die Zurueckhaltung hinsichtlich einer Uebertragung der modernen
Komplementaerbegriffe "oeffentlich - privat" auf mittelalterliche und
fruehneuzeitliche Epochen gross.
Die geplante Tagung moechte sich deshalb das Plaedoyer fuer einen
"kontrollierten Anachronismus" (von Moos, 1998) zu eigen machen und
erproben, inwiefern das Paradigma 'oeffentlich' - 'privat' insbesondere fuer
die Kulturwissenschaften fruchtbar zu machen ist. Dabei soll eine
Perspektive gewaehlt werden, die jene Teilsegmente mittelalterlicher und
fruehneuzeitlicher Kultur in den Blick nimmt, in denen Diskurse jenseits der
Institutionen- und Staatsgeschichte verhandelt werden. Die gemeinsam von
Philippe Ariès und Georg Duby herausgegebene "Histoire de la vie privée"
(1985-87), Sammelbaende von Gert Melville/ Peter von Moos (Das Oeffentliche
und das Private in der Vormoderne, 1998) und Gisela Engel/Brita Rang/ Klaus
Reichert/ Heide Wunder (Das Geheimnis am Beginn der europaeischen Moderne,
2002), aber auch Arbeiten zu oeffentlichem Handeln im Mittelalter (Gerd
Althoff, Horst Wenzel) sowie zu Fragen von Auffuehrung und Schrift (Jan Dirk
Mueller) haben hierzu bereits Grundlagen geschaffen, von denen aus folgende
Fragen gestellt werden sollen:

1) Mit welcher Terminologie kann in den Mittelalter- und
Fruehneuzeitwissenschaften operiert werden? Welche Begriffe legen die
Gegenstaende nahe und was repraesentieren sie? Welche Modi der Darstellung
entsprechen den Dichotomien oeffentlich-heimlich, offenlîch - tougen,
publicus - privatus in der Literatur, in der bildenden Kunst und der
Architektur, der Musik und der Wissenschaft?
2) Welche Raeume und Zeiten des Oeffentlichen und Privaten lassen sich
ausmachen (z. B. Kloster: Messe - Gebet/Meditation, Hof: herrschaftliche
Repraesentation - geselliges Fest, Schule/Universitaet: lectio - Lektuere,
Kirchenjahr: Karneval - Fastenzeiten)? Wo und wann konstituiert sich
repraesentative Oeffentlichkeit? Wo und wann hingegen (Teil-)
Oeffentlichkeiten? Wie koennen pars und totum ihre Kommunikation organisieren?
Welche Uebergangsraeume werden hierfuer geschaffen und imaginiert? Wodurch
zeichnen sich Akte der Absonderung aus und wie funktionieren sie?
3) Welche Strategien des Verbergens und Entdeckens, repraesentativer und
geheimer kultureller Handlungen lassen sich beschreiben? Worueber 'sprechen'
Texte, worueber 'schweigen' sie? Welche Brueche zwischen den Zeilen lassen
sich festmachen? Inwiefern koennen spezifische Latenz/Praesenz-Strukturen ueber
kulturelle Werte, Sinnangebote und Konflikte Auskunft geben?
4) Welcher Kommunikationsformen bedienen sich die Diskurse des
"Oeffentlichen" und des "Privaten"? Inwiefern stehen Form (z.B. Gattungen)
und Inhalt dabei in Korrespondenz? Welchen Normierungsgrad und im Gegenzug
welche Spielraeume entwickeln oeffentliche und private
Kommunikationsverfahren? Wie wird jeweils Verbindlichkeit und Geltung
erzeugt? Welche Wege nehmen 'kulturelle Sprengsaetze' (z.B. neues
geographisches, kosmologisches, naturwissenschaftliches, ethnologisches
Wissen) zu Beginn der Fruehen Neuzeit in "oeffentliche" und "private"
Diskurse? Wie koennen curiositas und 'Herrschaftswissen' mit diesem Paradigma
erfasst werden?

Die Tagung richtet sich vor allem an den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Beitraege zur Tagung sind aus allen mit Mittelalter und Frueher Neuzeit
befassten Disziplinen willkommen. Sie sollten sich einer der skizzierten
Fragestellungen zuordnen lassen. Exposés (max. 3 Seiten) sind bis zum
31.10.2002 bei der IMPRS "Werte und Wertewandel", Koordination: Rebekka von
Mallinckrodt, MPI fuer Geschichte, Hermann-Foege-Weg 11, 37073 Goettingen,
einzureichen. Eine Publikation der Vortraege im Rahmen eines
Tagungssammelbandes ist ins Auge gefasst.

Kontakt: Rebekka von Mallinckrodt, e-mail: rvmmpi-g.gwdg.de
<mailto:rvmmpi-g.gwdg.de>, Tel. 0551 / 4956 137

Rebekka von Mallinckrodt
Koordinatorin der International Max Planck Research School
Max-Planck-Institut fuer Geschichte
Hermann-Foege-Weg 11
37073 Goettingen
Tel.: 0551/ 4956-137
Fax.: 0551/ 4956-170
Mail: RvMmpi-g.gwdg.de

Reference:
CFP: Oeffentlichkeit und Privatheit in Mittelalter und Frueher Neuzeit (Goettingen, 1/2003). In: ArtHist.net, Aug 10, 2002 (accessed May 21, 2025), <https://arthist.net/archive/25161>.

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