Q 18.01.2001

Re: Anfrage: Urheberrecht an Bildmaterialien

H-ArtHist - Donandt -

Auf die Anfrage von Dr. Marcus Weidner zu Urheberrechtsproblemen bei
Bildmaterialien im Web
antwortet der Historiker Dr. Klaus Graf (Uni Koblenz):

Da es sich um eine Rechtsfrage handelt, empfiehlt sich die Vorbemerkung,
dass ein Verstoss gegen das Rechtsberatungsgesetz nicht beabsichtigt ist.
Auch wenn ich mich seit ueber einem Jahrzehnt mit Fragen des Bildrechts
beschaeftige, bin ich doch kein Jurist, sondern (Allgemein-)Historiker.

Wenn ich die Frage richtig verstehe, zielt diese auf die Rechte von
Eigentuemern temporaerer Leihgaben. Das ist ueberraschend, denn eigentlich
erwartet man, dass die Frage

"ob Photographien z.B. von Gemälden fremder Leihgeber, die für die
Ausstellung
angefertigt worden sind, in die neue Website übernommen werden dürfen
oder ob in jedem einzelnen Fall (wie es scheint) die Genehmigung
eingeholt werden muß"

sich auf die Rechte der Fotografen nach dem Urheberrecht bezieht.

Was diese angeht, so ist bei dem Fehlen ausdruecklicher Vereinbarungen in
der Tat davon auszugehen, dass eine erneute Genehmigung eingeholt werden
muss. Gleiches gilt natuerlich fuer die Kuenstler bzw. die VG Bild-Kunst,
auf deren Internetseiten eine instruktive Einfuehrung "Museen und
Urheberrecht" zu finden ist:

http://www.bildkunst.de/rechte/museen.html

Aber merkwuerdigerweise wird nach "Urheberrechten" der Leihgeber gefragt.
Hier liegt eine leider weitverbreitete Konfusion vor. Urheber- oder (im
angloamerikanischen Raum) Copyright-Rechte stehen ausschliesslich den
Schoepfern der Werke und ihren Rechtsnachfolgern fuer die Dauer der
gesetzlichen Schutzfrist (Deutschland: 70 Jahre post mortem auctoris) zu.
Die Eigentuemer verfuegen nicht ueber ein Recht am Bild der eigenen Sache,
das dem urheberrechtlichen Immaterialgueterrecht entspraeche. Die
verbreitete Praxis der Reproduktionsgebuehren in Museen, die ich
kulturpolitisch und juristisch fuer fragwuerdig ansehe, verfuehrt zu
dieser Konfusion.

Ich verweise auf meine diesbezueglichen ausfuehrlichen
Online-Publikationen:

http://www.uni-koblenz.de/~graf/kultjur.htm

http://www.ub.uni-dortmund.de/Listenarchive/LIB-L/199910/19991022.html#0

Natuerlich ist es den Leihgebern unbenommen, dem ausleihenden Museum
Auflagen zu machen, was Fotoerlaubnisse und Reproduktionen angeht. Fehlt
eine solche Vereinbarung, so ist davon auszugehen, dass dem Besitzer (dem
ausleihenden Museum) fuer die Zeit des Besitzes die gleichen Rechte wie
dem Eigentuemer zukommen, er also nach Belieben Reproduktionen anfertigen
lassen kann. Die juristische Fachliteratur hat zu diesem Problem aber noch
nicht Stellung bezogen, soweit ich sehe.

Hinsichtlich zweidimensionaler Vorlagen (Stiche, Gemaelde etc.) ist zu
beachten, dass originalgetreue Reproduktionen vermutlich kein
Leistungschutzrecht des Fotografen entstehen lassen. Im amerikanischen
Recht hat die Bridgeman-Entscheidung von 1999 fuer Unruhe unter den Museen
gesorgt, die die Copyright-Faehigkeit solcher Reproduktionen verneint hat.
Siehe Link zum Urteil und weitere Materialien in meiner Virtual Library
Museumsrecht (im Rahmen der VL Museen), die auch Nachweise zum Foto- und
Urheberrecht (bzw. zum Recht der Museen, Archive, Bibliotheken und des
Denkmal- bzw. Kulturgutschutes) enthaelt:

http://www.uni-koblenz.de/~graf/museumr.htm

Wird ein gemeinfreies, keinem Urheberrechtsschutz mehr unterliegendes
Kunstwerk zulaessigerweise fotografiert oder nachgebildet, so stehen dem
Eigentuemer keine dinglichen Rechte zu, mit dem er etwa einem Dritten die
Verwertung der Abbildungen (beispielsweise im Rahmen des Zitatrechts)
untersagen koennte. Nach wie vor gilt im deutschen Recht nach wie vor die
BGH-Entscheidung "Apfel-Madonna" von 1964, aus der ich zitieren moechte:

"Durch die Vereinbarung einer schuldrechtlichen Verpflichtung des Museums,
allein der Klägerin die Vervielfältigung der
Skulptur zu gestatten, wird ein gegen Dritte wirkendes Ausschlußrecht
nicht begründet .... Die gegenteilige Auffassung würde zu
dem Ergebnis führen, daß der Eigentümer des einzigen körperlichen
Festlegungsexemplars eines gemeinfreien Kunstwerks
durch Abschluß derartiger 'Lizenzverträge' sich für einen unbegrenzten
Zeitraum das Recht der gewerblichen Nutzung dieses
Kunstwerkes durch Verbreitung von Kopien sichern könnte, deren Herstellung
er nur von ihm ausgewählten Vertragspartnern
gegen Zahlung einer 'Lizenzgebühr' gestattet. Dies wäre aber unvereinbar
mit dem Rechtsgedanken, der der zeitlichen
Begrenzung des Urheberrechtsschutzes zugrunde liegt, wonach nach Ablauf
der Schutzfrist das Werk als geistiges Gebilde der
Allgemeinheit für jede Art der Nutzung frei zugänglich sein soll."

Quelle: http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/goedan.htm

Angesichts der zunehmendes Versuche von Museen und anderen Eigentuemern,
gemeinfreies Kulturgut zu remonopolisieren und Bildrechte an ihm zu
behaupten, waere eine kulturpolitische Debatte, wem die Bilder eigentlich
gehoeren, ueberfaellig. Ich mache nur darauf aufmerksam, dass
Wissenschaftler nicht selten Probleme haben, ihre Arbeiten in angemessener
Weise zu illustrieren, wenn Reproduktionsgebuehren prohibitiv wirken.

Dr. Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf

Quellennachweis:
Q: Re: Anfrage: Urheberrecht an Bildmaterialien. In: ArtHist.net, 18.01.2001. Letzter Zugriff 26.04.2024. <https://arthist.net/archive/24282>.

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