Anlässlich der Retrospektive „Shifting Perspectives“ widmet das Haus der Kunst in Zusammenarbeit mit der Franz Erhard Walther Stiftung dem sechs Jahrzehnte umspannenden Lebenswerk des Künstlers ein ganztägiges Streaming Festival. Live-Aktivierungen von historischen Exponaten, ein Künstlergespräch, Interviews mit Werk-Kollaborateur*innen sowie zwei Podiumsdiskussionen mit Wissenschaftler*innen und Ausstellungsmacher*innen spüren der historischen wie gegenwärtigen Relevanz seines Werks nach.
Walther lässt den Betrachter zum Akteur und dessen Handlungen zu Bildern werden. Damit ist er zur Referenz für eine ganze Generation heutiger performativ arbeitender Künstler*innen geworden, die den Körper zu ihrem Material erklären und situationsbezogene, handlungsbetonte und ephemere Werke bildhaften Charakters schaffen.
Walthers Rolle als Schlüsselfigur in der konzeptuellen Abkehr vom Bild und seine Forcierung eines seit der europäischen Nachkriegszeit substanziell erweiterten Bildverständnisses stehen im Fokus. Inwiefern stellt Walther mit der zeitlebens andauernden Aussöhnung der vermeintlichen Antipoden von Objekt und Körper die Kunst dem Leben gegenüber und gelingen ihm Zirkulationssphären?
Öffentlichkeit wird zum Medium für Interventionen, mittels derer Walther dessen Verfasstheit thematisiert und herrschaftsfreie, gleichberechtigte Diskurse einfordert, die um eine menschlichere Lebenswirklichkeit kreisen. Welche Bedeutung hat sein Werk hier in der Vergangenheit eingenommen und kann es in der Gegenwart einnehmen?
Elemente wie Körper, Raum, Ort, Zeit und Sprache sind Walthers künstlerische Mittel, aber auch Nessel oder leuchtend vielfarbige Stoffe dienen ihm als Material und Innovationsträger für seine Aktivierungsobjekte. Der Mensch wird zum Erfahrungskörper in den Werkhandlungen, die auf sensitiver Kommunikation basieren und als transformative Ereignisse angelegt sind.
Das Prozessuale und die Handlung sollen als Konstanten im Walther’schen Schaffen befragt werden. Die Aktivierung eröffnet vielfältige Möglichkeitsformen, weshalb das Erscheinungsbild der Formationen ein veränderliches bleibt – und deshalb in seiner Gleichzeitigkeit nie greifbar ist. Hat Walthers radikale Verflechtung von Werkkategorien gleichermaßen zur Überwindung von abgeschlossenen Sphären musealer Präsentationsformen geführt?
Mit dem Streaming-Festival „Shifting Perspectives“ sollen diverse Perspektiven auf Walthers künstlerische Praxis eröffnet werden, die seiner Medienreflexion von historischer Bedeutung Anschaulichkeit verleihen und eine zukunftsgerichtet Lesart möglich machen.
Mit HDK LIVE können Sie das Streaming Festival online im Live Stream über unsere Webseite und über Facebook verfolgen.
https://hausderkunst.de/veranstaltungen/shifting-perspectives-streaming-festival
PROGRAMM
10 Uhr
Begrüßung
Andrea Lissoni, Künstlerischer Direktor, Haus der Kunst Susanne Walther, Vorsitzende, Franz Erhard Walther Foundation
Erik Verhagen, Professor für zeitgenössische Kunstgeschichte an der Université Polytechnique Hauts- de-France, Valenciennes
Einführung
Jana Baumann, Kuratorin, Haus der Kunst
10.30 Uhr
Künstlergespräch
Franz Erhard Walther im Gespräch mit Jana Baumann
Beim gemeinsamen Rückblick auf Franz Erhard Walthers künstlerisches Lebenswerk wird das Ineinandergreifen medialer Verknüpfungen – der Kern seiner Praxis – im Mittelpunkt stehen. Dabei wird die Verschiebung von der Repräsentanz des Bildes hin zur Präsenz des Körpers, vom Sehen zum Fühlen erörtert.
11.15 Uhr
Impulsreferate und Podiumsdiskussion I
Image as Action: Transforming Life Processes into the Visual
Moderiert von Catherine Wood, Kuratorin für internationale Kunst (Performance), Tate Modern, London
Gregor Quack, Doktorand, Yale University, New Haven, Connecticut
The Artist’s Image of Society: Textile Social Theory in the Work of Franz Erhard Walther
Gaëtane Verna, Direktorin, The Power Plant, Toronto
Franz Erhard Walther: A Call for Action
Auf die Diskussion folgen öffentliche Fragen und Antworten.
12.30 Uhr
Sechs Thesen à fünf Minuten: Doktorand*innen zum Werk von Franz Erhard Walther
Luisa Fink, Universität Hamburg
Dieter Groll, Rheinische Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn
Anne Simone Krüger, Universität Hamburg Sarah Lorbeer, Ruhr-Universität Bochum Gregor Quack, Yale University
Lucia Schreyer, Freie Universität Berlin
13 Uhr
Aktivierung von Gelbe Skulptur (1969—79) und Neues Alphabet / Form Z (1991) sowie weiterer Werke der Ausstellung
Die Gelbe Skulptur ist der Prototyp für die Wandformationen, Walthers umfassendste Werkserie. Indem der Künstler Elemente entwickelt, die angezogen oder betreten werden können, wird der Körper zum Modul und Mittel der Darstellung.
Die Sprache dient Walther als Stoff, aus dem er die textile Wand- und Bodenskulptur Form Z abgeleitet hat. Der aktivierbare plastische Buchstabe wird zur Handlungsform und der Betrachter zum Benutzer.
14Uhr
Gespräch
Susanne Walther, Vorsitzende, Franz Erhard Walther Foundation, und Johanna Walther, Textilingenieurin und Werk-Kollaborateurin von Franz Erhard Walther
Johanna Walther fertigt seit 1963 in enger Zusammen- arbeit mit Franz Erhard Walther dessen genähte Werke. Gleichermaßen ist Susanne Walther seit 1996 in ihrer Eigenschaft als Koordinatorin der Ausstellungs- realisierungen und als Vorsitzende der Franz Erhard Walther Stiftung (2007) dem Werk des Künstlers eng verbunden. Die Beiträge seiner Wegbegleiterinnen sollen in ihrer zentralen Bedeutung für die Werkgeschichte greifbar werden.
14.45 Uhr
Impulsreferate und Podiumsdiskussion II
Generative Praxis: Medial Entanglements as Artistic Expansion Moderiert von Erik Verhagen, Professor für zeitgenössi- sche Kunstgeschichte, Université Polytechnique Hauts-de-France, Valenciennes
Yasmil Raymond, Rektorin, Hochschule für Bildende Künste – Städelschule, Frankfurt am Main
Franz Erhard Walther: Drawing Up a Common Ground
Gregory Williams, Außerordentlicher Professor für zeitgenössische Kunstgeschichte und Kunst der Moderne, Boston University
Practice Situations: Franz Erhard Walther and the Framing of Action
Christian Rattemeyer, ehem. Direktor, SculptureCenter, New York
Franz Erhard Walther: Sculpture into Painting
Auf die Diskussion folgen öffentliche Fragen und Antworten.
16.15 Uhr
Öffentliche Fragen und Antworten mit Franz Erhard Walther
17 Uhr
Aktivierung von Mantelstahlstück (1969) mit Lehmann Walther
Mit der Aktivierung von Mantelstahlstück durch Lehmann Walther, den Sohn des Künstlers, wird eine einzigarti- ge Verbindung zwischen Körper und Objekt geschaffen. Bewegungen sind aufgrund der in den Manteltaschen befindlichen Stahlplatten, die während der Aktivierung auf die am Boden platzierten Stahlplatten gewor-
fen werden, nur langsam möglich. Für Walther ist die Verlangsamung ebenso wie die Ummantelung Werkzeug zur „plastischen Modellierung“ des Körpers in seinem Bezug zum Raum.
17.30 Uhr Schluss
Die vom Künstler durchgeführten Werkaktivierungen von Gelbe Skulptur (1969/79) und Das Neue Alphabet / Form Z (1991) wurden in der Aufbauphase der Ausstellung filmisch dokumentiert und werden im Rahmen des Streaming Festivals erstmalig zu sehen sein.
Das Streaming-Festival wird in englischer Sprache stattfinden.
Davon ausgenommen sind die beiden Gespräche, welche vorab aufgezeichnet und mit englischen Untertiteln unterlegt worden sind.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation zwischen dem Haus der Kunst und der Franz Erhard Walther Foundation.
Reference:
CONF: Streaming Festival zum Werk von Franz Erhard Walther (online, 28 Nov 20). In: ArtHist.net, Nov 18, 2020 (accessed Jul 13, 2025), <https://arthist.net/archive/23937>.