CFP 06.11.2019

Das Heilige in der Kultur (Paderborn, 12-14 Nov 19)

Universität Paderborn, 12.–14.11.2020
Eingabeschluss : 22.11.2019

Stephanie Willeke

Unverfügbarkeit – Latenz – Widmung:
Das Heilige in der Kultur

Vom „Heiligen“ sprechen heißt, sich tief hineinbegeben in ein Feld anhaltender Definitionskämpfe. Ausgetragen wurden und werden sie mit teils harten Bandagen als Streit um Legitimations- und Machtansprüche, um Meinungsführerschaft und Aufmerksamkeit. Dabei hatte das Heilige über Jahrhunderte hinweg die Bedeutung einer starken, nicht hinterfragbaren Setzung gehabt. In den durch die Säkularisierung hindurchgegangenen Gesellschaften schien sie diese Bedeutung zwar vorübergehend verloren zu haben, mit der (vermeintlichen oder tatsächlichen) ‚Wiederkehr der Religion‘ bzw. des Religiösen als ‚Megatrend‘ (Horx 1995) formiert sich allerdings eine Gegenbewegung dazu. Diese aktuelle Meistererzählung antwortet zum einen auf die in den zurückliegenden Jahren zu beobachtende Herausbildung informeller oder latent religiöser Praktiken, Orientierungen und Organisationen jenseits der „‚offiziellen‘, autoritären religiösen Codes“ (Eisenstadt 2013, 357), die den „eurozentrische[n] Mythos einer modernen Gesellschaftsentwicklung der Vernunft, Wissenschaft und Technik“ (Wilke 2013, 34) als zumindest fraglich hat erscheinen lassen. Sie antwortet zum anderen auf eine mit der Indienstnahme von Heiligkeit als „prinzipiell unendliche[r] Ressource“ (Koschorke 2013, 256) in den kulturantagonistisch kodierten Kriegen seit den 1990er Jahren in Verbindung gebrachten Revitalisierung der Religion als politischer Formungsmacht, die nicht allein den Islam als ‚abject‘ (Kristeva 1982; vgl. dazu auch Treml/Weidner 2007) in den Fokus kulturwissenschaftlicher Debatten gerückt, sondern auch die Frage nach dem Heiligen als solche neu auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Vor diesem Hintergrund gilt es im Rahmen des Symposions die These zu überprüfen, dass das Heilige a) Ergebnis kommunikativ-praktischer, also kultureller und historischer Aushandlungen einer b) grundlegenden Spannung von – je nach Theoriesprache – Sinnstiftung und Distanzierung, Einschließung (‚In-der-Welt-sein) und Ausschließung (‚set apart sacred‘); Widmung (Inanspruchnahme) und Unverfügbarkeit (vgl. auch Schmidt 2016) ist. Dynamisch und prozessual, d.h. ein Phänomen in Bewegung, ist das Heilige im Verständnis der Veranstalter aus drei Gründen. Es ist erstens prozessual, weil seine Pole Ausschließung und Einschließung, Unverfügbarkeit und Widmung (Inanspruchnahme) ihrerseits Bewegungsprinzipien sind. D.h. das Heilige ist niemals auf einer dieser Seiten allein zu finden; vielmehr ergibt es sich stets aus der gegenstrebigen Dynamik bzw. als eine Variable aus den zwei Bewegungen. Zweitens ist das Heilige prozessual, weil beide Pole Bedeutung im Horizont kultureller Zuschreibungen erfahren. Diese Zuschreibungen, die explizit gemacht werden oder als unhinterfragte oder unhinterfragbare eine latente Wirksamkeit entfalten können, wechseln unweigerlich auch mit den Akteuren, ihren sozialen Konflikten, ihrer historischen Veränderung. Insofern wird das Heilige nach diesem Verständnis stets auch von außen in Bewegung gehalten. Drittens ist das Heilige prozessual, weil es als kulturelle Leitkategorie dem Transformationsprinzip von Kultur insgesamt unterliegt.

Diese grundlegende Dynamik des Heiligen zwischen zwei lediglich auf den ersten Blick einander ausschließenden, tatsächlich aber komplementären Bewegungsrichtun¬gen setzt voraus, dass es in sozialen Ordnungen (Gemeinschaften, Gesellschaften) – zumindest in den durch monotheistische Religionen geprägten – so etwas wie eine diskursive Systemstelle des Heiligen gibt. Sie erfordert es, das Heilige als eine immer wieder neu verhandelte Referenz kultureller Praxis mit unterschiedlicher Reichweite (zeitlich/historisch, kulturell, räumlich, semantisch, strukturell), Offenheit und Gewichtung zu denken, die auf unterschiedlichen Ebenen der ‚Lebensweltorientierung‘ (‚hoch‘/‘niedrig‘), auf der Makro-, aber auch auf der Mikroebene (z.B. also der Alltagskultur) beobachtet werden kann.

Mit seiner Themenstellung berührt das geplante Symposion es theologische Fragen, nimmt im Zuschnitt seiner Leitfrage aber eine dezidiert transdisziplinäre Perspektive ein, will vor allem den Fokus auf die Operationen des Unterscheidens und Skalierens und den ihnen zugrunde liegenden Logiken der Differenz im Bewegungsfeld der angedeuteten Aushandlungsprozesse richten, um von hier aus zusammenzuführen, was in Phänomenologie, Theologien, Religionswissenschaft, Philosophie, Künsten und Ästhetik andernorts gedacht worden ist, und die in der Regel nebeneinander herlaufenden Diskurse (theologische und nichttheologische) in einen verbindenden Fragehorizont zu stellen.

Mögliche Themenfelder für die Vorträge/für einzelne Sektionen können sein:
- Das Heilige außerhalb der Religion
- Säkularisierung und Sakralisierung
- Strategien der Heiligung, Widmung, Ingebrauchnahme
- Darstellungsstrategien des Heiligen und mediale und künstlerische Transformationen
- Das Heilige und die Macht / das Heilige und die Gewalt
- Dynamiken und Strukturen von Offenheit und Latenz des Heiligen
- Konzepte des Heiligen im Vergleich
- Das Heilige und das Geschlecht

Willkommen sind darüber hinaus signifikante Schnitte in der Form von Einzelstudien die es erlauben, die Diskussion um das Heilige in größere Kontexte einzuordnen.

In der Durchführung schließt die Konferenz an das erprobte Modell der DFG-Symposien an, die den Fokus auf Austausch und Gespräch gelegt haben. Daher sollen die Vorträge bereits vor Beginn der Tagung ausgearbeitet vorliegen und an alle Konferenzteilnehmer verteilt werden. Zum Vortrag im Plenum kommen lediglich noch einmal ca. 10minütige Zusammenfassungen als Impuls für die Diskussion. Vortragstexte und Impulsvorträge können sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache erfolgen.

Die Übernahme der Reise- und Unterbringungskosten ist angestrebt.
Eine Veröffentlichung der Beiträge ist vorgesehen.

Themenvorschläge und Exposés (maximal 1 Seite) werden bis zum 22. November 2019 erbeten an:

Prof. Dr. Norbert Otto Eke, Universität Paderborn, Fakultät für Kulturwissenschaften, 33095 Paderborn; Email: norbert.ekeuni-paderborn.de

Quellennachweis:
CFP: Das Heilige in der Kultur (Paderborn, 12-14 Nov 19). In: ArtHist.net, 06.11.2019. Letzter Zugriff 29.03.2024. <https://arthist.net/archive/21828>.

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