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(English version below)
Künstlersammlungen: Objekte, Ordnungen, Programmatiken
München, 26.-27.6.2020
Call for papers
KünstlerInnen haben seit jeher die unterschiedlichsten Dinge gesammelt: Schöne, seltene und „exotische“ Artefakte und Naturalia, Meisterwerke, Memorabilia, Künstler-Reliquien, Paraphernalia, Bildmaterial, Fundstücke und Nippes. Wie andere Sammlungen auch schwanken Künstlersammlungen häufig zwischen Kontingenz und Kohärenz, sie etablieren Ordnungsentwürfe und verstoßen gegen andere. Darüber hinaus treten hier jedoch Rezipieren und Produzieren in ein besonders spannungsvolles Wechselverhältnis: Künstlersammlungen versprechen einen Einblick in die Genese neuer Werke, dienten sie ihren BesitzerInnen doch oftmals als Inspirationsanlagen, als Labore für künstlerische Ideen und Verfahren, oder, besonders in früheren Zeiten, als Lehr- und Vorlagensammlungen. Zugleich weisen sie zeittypische Geschmacks- und Interessenskonjunkturen im Umgang mit dem auf, was für sammelwürdig erachtet wird. Auch in künstlersoziologischer Hinsicht bieten Künstlersammlungen reiches Material: Sie zeugen mitunter von sozialem Aufstieg, sie machen künstlerische Netzwerke sichtbar und sie zeigen sich als Schauplätze von Geselligkeit, Kennerschaft und künstlerischem Wettstreit. Kurz: Sie stellen einen besonders aufschlussreichen Sonderfall des Sammelns dar – nicht zuletzt, weil das Sammeln KünstlerInnen die Möglichkeit gibt, das eigene Werk zu kuratieren, es in Kontext zu setzen und damit Einfluss auf die Rezeption ihres Werks zu nehmen.
Das bisherige Interesse an Künstlersammlungen konzentriert sich vornehmlich auf prominente Fälle wie etwa Vasari, Rubens, Le Nôtre, Degas, Liebermann, Warhol oder Baselitz. Dieses Kolloquium möchte erstmals Beiträge vereinen, die eine umfassendere Perspektive auf Künstlersammlungen von der Frühen Neuzeit bis heute anbieten: Was motiviert Künstlerinnen und Künstler dazu, eine Sammlung zusammenzustellen, ihr gar eigens einen Aufbewahrungs- und Präsentationsort zu widmen? Folgen sie hierbei gängigen Sammelmoden oder erschließen sie neue Sammelfelder? Wie verhalten sich künstlerisches Schaffen und Sammelaktivitäten zueinander: Kann das Sammeln als Fortsetzung des künstlerischen Werks mit anderen Mitteln betrachtet werden oder kontrastiert es mit diesem? Auf welche Weise formt die Sammlung den Blick auf das eigene Œuvre – und umgekehrt? Wie wirkt die Sammlung in die Rezeptionsgeschichte fort?
Gerade auch für die Kunst der Gegenwart, wo finanzkräftige PrivatsammlerInnen das Feld dominieren, erscheint ein Blick auf KünstlerInnen als SammlungsakteurInnen interessant, agieren diese doch längst als wichtige LeihgeberInnen nicht nur ihrer eigenen Werke, sondern auch ihrer Sammlungsobjekte. Gleichzeitig können Künstlersammlungen auch als dem Kunstmarkt zumindest vorübergehend entzogene Objektzusammenstellungen fungieren, die, oftmals aus Geschenken unter befreundeten KünstlerInnen entstanden, primär einer Logik des Tausches und der Gabe gehorchen.
Besondere Aufmerksamkeit möchte unser Kolloquium dem Sammlungsdisplay – als räumlicher Manifestation des Sammlungskonzepts und Kontaktfläche zum Publikum – widmen. Im Sinne eines erweiterten Werkbegriffes soll untersucht werden, inwiefern KünstlerInnen sich durch das Sammeln, Ordnen, Kompilieren und Präsentieren Objekte oder Werke Anderer aneignen – und diese in Dialog mit dem eigenen Werk bringen. Doch auch jenseits offensichtlicher szenografischer Setzungen soll die Eigenreferenzialität künstlerischer Sammelpraktiken herausgearbeitet werden.
Willkommen sind Themenvorschläge zu Künstlersammlungen aller Epochen und geografischer Kontexte, die einen rein sammlungsmonografischen Blickwinkel verlassen, um sich mit Fragestellungen grundsätzlicherer Natur auseinandersetzen. Diese können sich beispielsweise an den folgenden Aspekten orientieren:
- Sammlung im Bild / Sammlung als Bild: Wie präsentiert das Sammlungsdisplay das Sammlungskonzept und seine Interaktion mit dem eigenen künstlerischen Werk – und wie wird das Display weiter medial verstetigt?
- Status von Original und Reproduktion: Welchen Stellenwert hat es für KünstlersammlerInnen, authentische Werke und Hinterlassenschaften anderer KünstlerInnen zu besitzen, wann wird ihr Sammeln primär von ikonografischem oder materialästhetischem Interesse angetrieben?
- Bildnerische Aneignungspraktiken: Inwiefern lassen sich Reproduktionen, Retuschen, Übermalungen, Restaurierungen, Kompilationen von Sammelgut als Fortsetzung sammlerischer Praxis betrachten?
- Figurationen des Künstlersammlers/der Künstlersammlerin in Bild und Text: Wie setzen sich KünstlerInnen mit den Werken ihrer KollegInnen und Vorbilder ins Bild – bzw. werden ins Bild gesetzt? Wie imaginiert die (Kunst-)Literatur die Figur des Künstlersammlers/der Künstlersammlerin – zwischen Künstlermythen und Sammlerklischees?
- Inklusionen und Exklusionen: Welche Rolle spielen Geschlecht und Herkunft beim Sammeln? Verfestigen Künstlersammlungen bestehende (homosoziale) Netzwerke? Wann orientieren sich KünstlerInnen im Sammeln an einem globalisierten Sammlungsgeschmack, wann greifen sie auf lokale Traditionen zurück?
- Sammlungen als Schauplätze künstlerischen Wettstreits: Wie messen sich KünstlerInnen in ihrem Sammlungsarrangement mit „der Antike“, den ProtagonistInnen der Kunstgeschichte, ihren ZeitgenossInnen?
- Kanonisierungsprozesse und Gegenerzählungen: Inwiefern erproben KünstlerInnen mit ihrer Sammlung alternative kunsthistorische Modelle und Genealogien, wann werden in ihren Sammelpraktiken Strategien der Selbstmusealisierung greifbar?
Die Tagung findet vom 26.-27. Juni 2020 in München statt und wird organisiert von Dr. Ulrike Keuper und Dr. des. Léa Kuhn, Institut für Kunstgeschichte der LMU München. Teilnehmerinnen und Teilnehmern werden, vorbehaltlich der Mittelzusage, die Übernachtungs- und Reisekosten erstattet.
Bitte senden Sie Ihren Themenvorschlag für einen 25-minütigen Vortrag bis zum 3.11.2019 als Abstract von 300 Wörtern auf Deutsch, Englisch oder Französisch gemeinsam mit einem knappen CV an die beiden Organisatorinnen: artistscollections.ukeupergmx.de, lea.kuhnlmu.de
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Artists’ Collections: Objects, Frameworks, Ideas
Munich, June 26-27, 2020
Call for papers
Artists have always assembled a range of artefacts and naturalia: beautiful, rare or “exotic” things, memorabilia, works by other artists, paraphernalia, studio materials and models, artists’ “relics,” found objects and knick-knacks. Like other collections, those of artists often oscillate between contingency and coherence, and between establishing epistemic categories or rejecting them. However, artists’ collections are spaces in which the production and the reception of artefacts intersect in particularly productive ways. Indeed, since they are often installed for the purpose of inspiration, a study of them has special potential to reveal the dynamics through which new works are formed. They serve as laboratories for ideas and artistic methods, or, in earlier times, as educational sites and repositories for models. At the same time, they reflect common collecting tastes and norms of their time. Artists’ collections are a rich field for sociological inquiry: They can be seen as material (auto)biographies that bear witness to artistic careers and social advancement; as spaces of sociability, connoisseurship, and artistic rivalry, they make artistic networks visible. What makes them exceptional cases of collecting is the fact they give artists the chance to curate their own work: through collecting, artists create a context for their art-making and thus exert influence on the perception and reception of their oeuvre.
The interest in artists’ collections has thus far focused primarily on prominent cases such as Vasari, Rubens, Le Nôtre, Degas, Liebermann, Warhol, or Baselitz. This symposium seeks to open the field by assembling papers that offer a more inclusive perspective on the collecting practices and spaces of artists from the early modern period to today. Why do artists collect? Do they create spaces specifically designed for the display of their collections? To what extent do they follow common collecting tastes, or establish new or unusual areas of collecting? How do collecting and art-making interact? Is the art-making process informed by collecting—or the other way around? To what extent do artists’ collections affect the wider perception of their works?
The artist as collector seems a topic particularly relevant to the contemporary art world, with its potent private collectors that dominate the field. Recently, artists have also emerged as lenders not just of their own works but also of works from their collections. Since artists’ collections often include gifts from artist friends, they can however also function as repositories that are to some extent separate from the flow of commodities, informed more by the logic of donation and exchange.
Our symposium will treat such collections both as spatial manifestations of underlying concepts and as spaces of interface with the public. We would like to investigate the ways artists appropriate objects and the works of others by collecting, arranging, compiling and curating them. Is a collection describable as a body of work in its own right, and if so, who is its author? Strong emphasis will thus be placed on the self-referential nature of artistic collecting practices.
We welcome proposals that go beyond a monographic approach to address fundamental issues of artists’ collecting practices. This could include the following:
- Displays of display: How does the display of a collection represent underlying ideas? What kind of interactions does it stimulate between items in the collection and the owner’s own works? What types of media are used to generate the public image of a collection?
- Original and copy: What importance do artists place on possessing the authentic works and material traces of other artists? When do they collect more for the purpose of assembling interesting models or materials?
- Appropriation practices: To what extent is the copying, retouching, overpainting, restoration or compiling of collection items an extension of collecting practices?
- The image of the artist-collector: How do artist-collectors represent themselves in pictures, or how are they represented by others? How are they imagined in (art) literature?
- The politics of otherness: How do artist-collectors act in relation to homosocial or ethnocentric networks that inform collecting practices? To what extent are such networks reproduced or disrupted in collecting practices?
- Staging rivalry: How do artists use collections to stage competitions between their own works and those of their peers, or other protagonists of art history or antiquity?
- Collecting and the canon: Do artists’ collections produce counter-narratives to the dominant canon? When is artistic collecting a form of self-museification?
The international symposium will take place June 26-27, 2020 in Munich, Germany. The organizers are Ulrike Keuper, Ph.D., and Léa Kuhn, Ph.D, member of the art history department of LMU Munich. Travel and accommodation expenses will be reimbursed subject to the commitment of funding.
Please send CVs and abstracts of no more than 300 words in German, English or French for a circa 25-minute presentation to artistscollections.ukeupergmx.de and lea.kuhnlmu.de no later than November 3, 2019.
Reference:
CFP: Künstlersammlungen: Objekte, Ordnungen, Programmatiken (München, 26-27 Jun 20). In: ArtHist.net, Oct 2, 2019 (accessed Oct 9, 2024), <https://arthist.net/archive/21720>.