CFP 16.01.2019

Positionen zum Künstleratelier in der DDR (Marburg, 13-15 Jun 19)

Philipps-Universität Marburg, 13.–15.06.2019
Eingabeschluss : 02.03.2019

Sigrid Hofer

Drei von vielen. Positionen zum Künstleratelier in der DDR

Internationale Tagung des Arbeitskreis Kunst in der DDR
Konzept: Sigrid Hofer (Philipps-Universität Marburg) und Martin Schieder (Universität Leipzig)

Im Jahr des Mauerbaus drehte Jürgen Böttcher in Dresden seine erste DEFA-Dokumentation "Drei von vielen". Sie erzählt von drei Freunden – ein LKW-Fahrer, ein Chemigraph sowie ein Steinmetz –, die in ihrer Freizeit malen, zeichnen und bildhauern. Ein Trio, wie es nicht besser das Bitterfelder Ideal verkörpern könnte. Doch statt heroischem Arbeiterpathos sieht man junge Künstler, die jenseits des sozialistischen Ideals nach individuellen Lebensformen à la Bohème suchen, mit einem Lastwagen der VEB eine Spritztour zu den Elbwiesen machen und anstatt Brigadelieder zu singen, lieber Jazz hören. Am Ende des vom jungen Manfred Krug kommentierten Films heißt es aus dem Off: „Sie sagen, was ihnen nicht gefällt. […] Sie wollen keine großen Künstler sein. Sie möchten ausdrücken, was ihre Freunde und Arbeitskollegen empfinden. Sie möchten sein, was sie sind. Drei von vielen.“

Der Film stellt die grundsätzliche Frage nach den Orten des künstlerischen Schaffens in der DDR. In welcher Form stellte das Künstleratelier einen spezifischen Raum der künstlerischen Praxis in der DDR dar? Welchen „Produktionsbedingungen“ unterlag es angesichts der Tatsache, daß der Kunstbetrieb bis zum Ende der DDR durch die SED und das Ministerium für Kultur zentralistisch gesteuert und ideologisch reglementiert wurde? Und inwieweit konnte das Atelier ein Raum der sozialen Kommunikation sein, in dem neben dem Künstler und seinem Modell auch andere Agenten des Kunstbetriebes ein- und ausgingen?

Blickt man in die Forschung, stellt man fest, daß das Künstleratelier in der DDR noch einen weißen Fleck auf der Landkarte bildet – sowohl in den Untersuchungen zur Kunstgeschichte der DDR als auch in den Studio studies. Dieses Desiderat hat seine Gründe: Zu vielfältig sind die Formen des Ateliers zwischen Staatsgründung und Mauerfall, zu heterogen die individuellen künstlerischen Positionen, zu komplex die politischen Rahmenbedingungen, zu disparat das Quellenmaterial, als daß sich überhaupt von dem Künstleratelier in der DDR sprechen ließe. Es ist vielmehr ein Raum, dessen funktionelle Grenzen zwischen Werkstatt, Wohnung, Ausstellungsraum und Galerie ebenso verschwimmen wie dessen Status zwischen privat, halb-öffentlich und öffentlich. Das Atelier in der DDR blieb bis zu deren Ende ein Raum, in dem die SED ihren politischen Einfluß und ihre ästhetischen Vorgaben geltend zu machen versuchte. Doch die politisch gewollte Knappheit der materiellen und räumlichen Ressourcen ließen in der Honecker-Ära immer mehr Künstler nach alternativen Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten suchen, Ateliergemeinschaften und Produzentengalerien gründen sowie leerstehende Gebäude besetzen, um sie als kreative Räume zu nutzen.

Gleich einem Atelierrundgang möchte die Tagung Drei von vielen. Positionen zum Künstleratelier in der DDR in einer internationalen und gattungsübergreifenden Perspektive nach dem Raum, nach den Funktionen und nach den Topoi des Ateliers in der DDR fragen. Dieses wird als espace autre verstanden, in dem Gespräche über den kreativen Prozeß geführt wurden, wo man sowohl dem Klassenfeind als auch der Stasi begegnete, das als sozialistischer Lehrraum diente, in dem sich der Staat und seine Künstler inszenierten, Drei von vielen produktiv waren und wo man alternativ im Kollektiv arbeitete. Zugleich gilt es den Blick auf die Frage zu lenken, inwieweit zum einen die alternativen Formate der künstlerischen Praxis in der DDR der späten 1980er Jahre als elementarer Beitrag zu einer sich wandelnden, „anderen“ kulturellen Identität und zu einem „Dritten Weg“ verstanden werden können. Zum anderen wird zu diskutieren sein, welche Auswirkungen die „Friedliche Revolution“ und die Wiedervereinigung auf die Kreativität und Arbeitsbedingungen der ostdeutschen Künstler hatten. Von diesen Prämissen ausgehend, sollen ausgewiesene Experten sowie Nachwuchswissenschaftler das Atelier als eine réalité diskutieren, die die Kunstgeschichte der DDR in all ihren Modi und Ästhetiken, Ambivalenzen und Brüchen widerspiegelt.

Bitte senden Sie uns Ihr Exposé mit max. 400 Wörtern auf Deutsch oder Englisch sowie einen kurzen Lebenslauf bis zum 2. März 2019 im PDF-Format an: hoferfotomarburg.de sowie schiederuni-leipzig.de

Die Tagung wird gefördert durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Reise- und Übernachtungskosten werden von dem Veranstalter übernommen.

Quellennachweis:
CFP: Positionen zum Künstleratelier in der DDR (Marburg, 13-15 Jun 19). In: ArtHist.net, 16.01.2019. Letzter Zugriff 23.11.2024. <https://arthist.net/archive/19886>.

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