Körperlichkeiten
Expressionismus, Ausgabe 10/2019
Herausgegeben von Kristin Eichhorn und Johannes S. Lorenzen
Neben der Motivik der Großstadt, religiösen und spirituellen Thematiken sowie der Thematisierung von Wahnsinn und Geisteskrankheit ist der Körper bzw. der Leib eine so gut wie alle expressionistischen Kunstrichtungen dominierende Konstante. In allen literarischen Gattungen sowie in den theoretischen Schriften expressionistischer Schriftsteller/innen und Künstler/innen wird eine radikale Körpermetaphorik genutzt. Dementsprechend extrem sind die Motive in expressionistischer Literatur: Komplexe und symbolisch aufgeladene Bilder von Wunden (u.a. Franz Kafkas Ein Landarzt, aber auch die frühen Dramen von Hans Henny Jahnn), strömendes Blut (Gottfried Benns ‚Söhnezyklus‘) und auch der tote und vor allem deformierte Körper (bspw. Benns Morgue-Gedichte).
In der Bildenden Kunst hebt sich vor allem die Aktmalerei mit grotesken und provozierenden Darstellungen hervor (man denke an die freizügigen und verstörenden Porträts eines Egon Schiele) oder verbindet in der Darstellung von Großstadtillustration, Kriegsgräuel und Körperlichkeit mehrere Topoi expressionistischer Ästhetik (Georges Grosz). Auf der anderen Seite tendiert die Bildende Kunst auch stark dazu, Körper zu zerlegen (was sie mit dem Kubismus gemeinsam hat), bzw. die Darstellung von Körpern übernimmt eine untergeordnete Funktion und drückt wie bei Edvard Munch seelische Zustände aus. Während die literarischen Expressionist/innen vor allem von den französischen Modernist/innen beeinflusst wurden, lassen sich die „Ästhetik der Hässlichkeit“ (oder auch in Anlehnung an die Theoretikerin Julia Kristeva „Ästhetik des Abjekten“ genannt) und in der Malerei die „Groteske“ auf das bereits in der Klassik und der Romantik vorherrschende Bild des „versehrten Körpers“ zurückführen.
Die zehnte Ausgabe von Expressionismus will unter dem bewusst im Plural formulierten Titel „Körperlichkeiten“ zu einer intensiveren Beschäftigung mit der verschiedenste Diskurse aufnehmenden Thematisierung oder Funktionalisierung des Körpers einladen. Während in der Literaturwissenschaft bereits eine Monografie zu dem Thema vorliegt, so ist die Thematik in ihrer Vielschichtigkeit und Diversität dennoch längst nicht genügend erforscht. Gerade die häufigen Darstellungen von Wunden und geöffneten Körpern oder auch der Topos des strömenden Blutes bedürfen weiterer Untersuchungen. Nicht zuletzt wären Malerei und vor allem Plastiken und Skulpturen unter genuin expressionistischen Gesichtspunkten stärker einzubeziehen. Weiterhin könnten die augenscheinlich logische Aufnahme barocker und frühneuzeitlicher Bildlichkeiten sowie religiöse Aspekte von Leiblichkeitsdarstellungen als Thematik reizvoll sein. Schlussendlich bedarf es diachroner Untersuchungen zur jüngsten Vergangenheit wie beispielsweise der teilweise vitalistischen Darstellung von Sexualität und Nacktheit im Expressionismus als Vorgänger der Sexualitätsdiskurse der Nachkriegszeit in Kunst und Popkultur.
Abstracts zu den oben genannten, aber gerne auch anderen thematisch einschlägigen Aspekten von nicht mehr als 2.000 Zeichen senden Sie bitte bis zum 1. Dezember 2018 an eichhornneofelis-verlag.de und lorenzenneofelis-verlag.de. Zudem werden unabhängig vom Thema des Hefts auch immer Vorschläge für Rezensionen oder Diskussionsbeiträge zu aktuellen Forschungsdebatten entgegengenommen, die Phänomene der aktuellen Expressionismus-Rezeption vorstellen und besprechen.
Die fertigen Beiträge sollten einen Umfang von 20.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen und Fußnoten) nicht überschreiten und sind bis zum 1. Juni 2019 einzureichen. Das Heft erscheint im November 2019.
Bitte beachten Sie, dass es sich um eine wissenschaftliche Publikation handelt und wir deshalb nicht in der Lage sind, ein Honorar zu zahlen.
Quellennachweis:
CFP: Expressionismus 10/19: Körperlichkeiten. In: ArtHist.net, 03.10.2018. Letzter Zugriff 01.05.2025. <https://arthist.net/archive/19111>.