CFP 07.11.2017

Archive und Museen des Exils

Frankfurt/Main, 13.–15.09.2018
Eingabeschluss : 31.01.2018

Burcu Dogramaci

Jahrestagung der Gesellschaft für Exilforschung
„Archive und Museen des Exils“
Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt/Main, 13.-15.9.2018

Exil, Flucht und Migration sind meist grenzüberschreitende Ortsveränderungen, die unweigerlich mehr als einen Staat betreffen. Migrationsbewegungen beziehen sich dabei nicht nur auf die Menschen, die gehen, sondern auch auf die materialen Zeugnisse, die sie mit sich führen, die auf den Wegen des Exils entstehen, angeeignet, verloren oder zurückgelassen werden. Die Zerstreuung der Überlieferung der Emigrant/innen und die Rekonstruktion von Exilwegen und -leben stellt die Forschung vor große Herausforderungen. Fragen und Methoden der Provenienzforschung, die in den vergangenen Jahren zu einem prominenten Forschungsfeld mit z.T. neu eingerichteten Professuren geworden ist, werden gerade auch in Bezug auf Institutionen verhandelt, die ausdrücklich auf die Sammlung von Zeugnissen des Exils ausgerichtet sind. Archive und Museen haben als sammelnde, bewahrende und ausstellende Institutionen und Erinnerungsorte eine besondere Bedeutung und Verantwortung im Kontext der Exil- und Migrationsgeschichte. Überlieferungen des Exils werden von vielen unterschiedlichen Institutionen bewahrt. Auch die Deutsche Nationalbibliothek mit ihrem Deutschen Exilarchiv 1933-1945 oder das Deutsche Literaturarchiv Marbach haben die Sammlung und Sicherung materialer Zeugnisse des Exils zu einer ihrer Aufgaben erklärt.

Kennzeichen ihrer Exil-Sammlungen bleibt dabei die Spannung zwischen dem nationalen Charakter der Institution und den Brüche und transnationale Bewegungen reflektierenden Charakter der Exildokumente. Neuere Konzepte international vernetzter (digitaler) Archive werden erprobt und erweisen sich als Prüfstein, inwiefern diese Alternativen tatsächlich umsetzbar sind. Das Deutsche Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt/Main hat auf die dem Exil unweigerlich inhärente Transnationalität auch mit einem virtuellen Museum der Künste reagiert. Dieses führt im digitalen Raum zusammen, was in verschiedenen Institutionen verwahrt wird. Ein anderes Konzept verfolgt das Deutsche Exilarchiv mit seiner physischen Ausstellung „Exil. Erfahrung und Zeugnis“ zum deutschsprachigen Exil 1933-1945, die 2018 in Frankfurt/Main eröffnet wird. Weitere Konzepte werden aktuell diskutiert, z.B. die Errichtung eines Exilmuseums in der Hauptstadt Berlin. In Publikationen zur Theorie und Geschichte des Archivs wird auf die Doppelsemantik des Begriffs und die „zwei Körper des Archivs“ hingewiesen, die es sowohl als Institution wie als Konzeption erscheinen lassen (Ebeling/Günzel 2009: 10). Kulturwissenschaftliche „Archivologien“ stützen sich dabei nicht zuletzt auf Ausführungen Jacques Derridas, der die politische Dimension des Archivs akzentuiert, indem mit der Einrichtung und Regulierung eines Gedächtnisspeichers an einem bestimmten Ort die dort geltende Ordnung wesentlich mitgeprägt werde, ohne dass doch von einem einfachen Entsprechungsverhältnis die Rede sein könne (Mal d’Archive, Paris 1995; Dem Archiv verschrieben 1997).

Michel Foucault beschäftigte sich in seinen Texten (u.a. L’Archéologie du savoir, Paris 1969) vor allem mit der geschichtsbildenden Macht sammelnder Institutionen wie dem Archiv, die eine Ordnung der Vergangenheit produzieren, anstatt diese zu repräsentieren. So ist das Archiv eine Institution, die Material und Wissen sammelt, jedoch zugleich für das Vergessen und Entsorgen einsteht, da der Aufnahme von Objekten in den Archivkörper ein Prozess des Selektierens vorangeht. Dies führt zu Fragen des Auslassens und der Leerstellen. Denn so wie das Gesammelte zu Aussagen über ein Leben und Schaffen im Exil führen kann, so kann auch das verlorene, entsorgte und zerstörte Material zumindest mitgedacht werden. Digitalisierungsprojekte, mit denen Archivalien global zugänglich gemacht werden sollen – eine zentrale Institution ist das Getty Research Institute – leiten zu weiteren Fragen: in welchem Verhältnis steht das originale Objekt zu seinem digital verbreiteten und verfügbaren Bild? Was passiert mit den musealisierten Dingen, die Krzystof Pomian als „Semiophoren“ (Pomian 1998: 49) bezeichnet, wenn sie in den digitalen Raum gelangen? Und geht mit der Digitalisierung nicht ein erneuter Prozess des Selektierens und des Vergessens einher?
Die Tagung ist interdisziplinär ausgerichtet und soll es ermöglichen, (archiv-)geschichtliche Fallbeispiele im Horizont allgemeinerer kulturwissenschaftlicher Archivtheorien sowie neuerer Konzepte digital vernetzter Archive oder Exilmuseen und -ausstellungen vorzustellen und zu diskutieren. Zur Bewerbung eingeladen sind daher Wissenschaftler/innen verschiedener Disziplinen wie auch Vertreter/innen einschlägiger Institutionen.
Kosten für Fahrt oder Unterkunft können leider nicht übernommen werden.
Eingereicht werden können Abstracts (max. 1.000 Zeichen + biobibliografische Angaben) für Beiträge von 30 Minuten bei Dr. Sylvia Asmus (s.asmusdnb.de).

Bewerbungsschluss: 31.1.2018

Konzeption und Organisation: Dr. Sylvia Asmus (Frankfurt/Main), Prof. Dr. Doerte Bischoff (Hamburg), Prof. Dr. Burcu Dogramaci (München)

Quellennachweis:
CFP: Archive und Museen des Exils. In: ArtHist.net, 07.11.2017. Letzter Zugriff 20.04.2024. <https://arthist.net/archive/16679>.

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