DOKUMENTARISMEN – DOKUMENTARISCHE STRATEGIEN (IN DER KUNST) ZWISCHEN INSZENIERUNG UND REFLEXION

Die aktuellen Debatten um Fake-News und die Rede von «alternativen Fakten» sind Ausdruck einer akuten Verunsicherung über den Wahrheitsgehalt von Nachrichten und Bildern in einer Zeit, in der offenkundig widersprüchliche Wahrheitsbehauptungen ungehindert nebeneinanderher existieren können. Sie steigern den Wunsch nach Dokumentationen, die belegen können, dass es sich so und nicht anders zugetragen hat. Dabei geraten auch die Ambivalenzen und Unschärfen des Dokumentarischen von neuem in den Blick: Der Anspruch objektiver Zeugenschaft und der Glaube an die Möglichkeit, diese medial festzuhalten sowie zu überliefern, treffen auf grundsätzliche Zweifel an der Abbildbarkeit von Realität und das Wissen um die Manipulierbarkeit von dokumentarischen Behauptungen.

In diesem Spannungsfeld zu verorten sind auch Dokumentarismen im künstlerischen Feld, die mit dem Aufkommen der Videotechnologie in den 1970er-Jahren einen ersten Höhepunkt erlebten und seit den späten 1990er-Jahren derart vermehrte Aufmerksamkeit erfuhren, dass man mittlerweile von einem eigenen Genre sprechen kann. Hier fungieren dokumentarische Ausdrucksmittel einerseits als Authentizitätsstrategie im Rahmen von marktkompatiblen Inszenierungen vermeintlicher sozialer oder politischer Relevanz. Andererseits tragen sie bei zur Generierung von Gegenöffentlichkeiten und reflektieren die mediale Konstruktion von Realität bzw. von Wahrheit und verweisen derart auf die Verknüpfung von Wissen und Macht.

Im Rahmen der Vorlesungsreihe «Positionen und Diskurse in den Künsten und im Design» werden die Ambivalenzen von Dokumentarismen mit Gästen aus Theorie und Praxis aus unterschiedlichen Perspektiven erörtert und diskutiert.


Programm und Moderation: Sigrid Adorf und Sønke Gau

Montag, 2. Oktober 2017, 18.00-20.00 Uhr
«It's all new sincerity to me...»
Dokumentarische Bilder zwischen Darstellung und Nachstellung
MARIA MUHLE, Philosophin, München

Montag, 9. Oktober 2017, 18.00-20.00 Uhr
Dokumentarfilm in Zeiten der Filterblase
Zur Machart und Rezeption meines Films «Willkommen in der Schweiz»
SABINE GISIGER, Filmemacherin und Dozentin für Dokumentarfilm, Zürich

Montag, 16. Oktober 2017, 18.00-20.00 Uhr
Über das Dokumentarische als politische Praxis
Strategien zeitgenössischer Foto-Künstler_innen und Filmemacher_innen
MAREN LÜBBKE, Autorin, Kritikerin, Kuratorin, Berlin

Montag, 23.Oktober 2017, 18.00-20.00 Uhr
Reenactment?
Wie das Theater Geschichte Produziert
SYLVIA SASSE, Slavistin, Zürich

Montag, 30. Oktober 2017, 18.00-20.00 Uhr
Audiovisuelles Übersetzen Dokumentarischer Ideen
Dokumentarfilm – Szenischer Film. Raum des Inszenierens
NICOLAS STEINER, Regisseur, Autor, Produzent, Los Angeles/Turtmann

Montag, 6. November 2017, 18.00-20.00 Uhr
Why did you edit the knife out of the picture?
Die Montage von Wirklichkeit in Nachrichten
ERAN SCHAERF, Künstler, Berlin

Montag, 13. November 2016, 18.00-20.00 Uhr
Chaosmotic Crossings
Intensive Shifts from the Crisis in Greece
ANGELA MELITOPOULOS, Medienkünstlerin, Researcherin und Aktivistin, Berlin/Kopenhagen


Ort und Veranstalter:
Zürcher Hochschule der Künste
Departement Kulturanalysen und Vermittlung
Master of Arts in Art Education | Master of Arts in Transdisziplinarität
Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96, CH-8005 Zürich
Hörsaal ZT 5.T09, jeweils von 18:00-20:00 Uhr