-- Englich version below --
Bild und Freiheit
Freiheit kann in Bildern zum Thema werden oder sich in Bildpraktiken manifestieren. Stehen Bild und Freiheit ausserdem in einer inneren Beziehung? Behindern oder ermöglichen sie einander?
Philosophischer Bildkritik als Metaphern- und Ideologiekritik ist es herkömmlicherweise um das Freiheitspotential diskursiver Erkenntnis und wohlinformierten Handelns zu tun. Mit ihr korrespondiert ein individualistischer Liberalismus, für den die/der Andere nur als Grenze meiner Freiheit in Betracht kommt. Nach stoisch-intellektualistischer Auffassung vermag das Subjekt von dem, wodurch es in der Welt bedingt und eingeschränkt wird, zurückzutreten und sich aus diesem Abstand ungebunden dazu zu verhalten.
Wie ist eine solche Freiheit angesichts eines geschlossenen Kausalzusammenhangs überhaupt möglich? Ist unser Bild von uns selbst, demzufolge wir aus freiem Willen in der Welt kausal wirksam sind, bloßer Schein? Kants Antwort, dass eine als Autonomie aufgefasste Freiheit, die uns in den Raum praktischer Normen versetzt, dem Determinismus der Natur entgehe, befreit uns von dieser Frage um den Preis, uns ein letztlich ikonoklastisches Selbstverständnis nahezulegen.
Die Kritik am Ikonoklasmus der kantischen Autonomiekonzeption ist der Einsatzpunkt einer ästhetischen Erweiterung des Freiheitsbegriffs. Die Individuen müssen sich mit Anderen nicht mehr unter Freiheitsgesetzen vereinigen, weil sie sich in einer expressiven Freiheit gegenübertreten, in der sie einander in geselliger Weise Raum lassen. Freiheit lässt sich interaktiv vom Spiel her verstehen und in dessen künstlerischer Darstellung scheint Notwendigkeit zu verschwinden.
Eine Funktionalisierung des Ästhetischen für gesellschaftliche und politische Freiheit unterschätzt allerdings deren metaphysische Probleme. Wenn Freiheit vom adäquaten Bewusstsein der Freiheit abhängt – dies war Hegels Einspruch – dann sollten wir Kunstwerke als Bewusstseinsformen verstehen, die die Institutionalisierung von Freiheit ermöglichen, insofern sie darüber hinausführen. Kunst (wie Religion und Philosophie) bringt uns zur alltäglichen und geschichtlichen Praxis selbst in ein freies Verhältnis, weil sie ein nicht zweckhaftes Handeln modelliert und dazu einlädt.
Die Philosophie des 20. Jahrhunderts führt konstitutive semantische und phänomenologische Unterscheidungen ein, denen zufolge das Bild gleichsam amphibisch einer Doppelung von Bildträger und Bildobjekt, von Anwesenheit und Abwesenheit untersteht. Anthropologisch lässt sich diese ikonische Differenz als Freiheitsmerkmal lesen. In welchem Verhältnis steht aber ein solcher anthropologisch gefasster Freiheitsspielraum zu den Herausforderungen politischer Extremerfahrungen und Traumatisierungen und angesichts der Fortschritte in der Erklärung wissenschaftlicher Kausalzusammenhänge? Ist ein solcher Freiheitsbegriff diesen Herausforderungen gewachsen? Haben die Versuche, sich hier neu zu orientieren, Rückwirkungen auf die Bildtheorie?
In der Diskussion zwischen Jean-Paul Sartre und Maurice Merleau-Ponty stehen sich gegenüber einerseits eine begrifflich konsequent herauspräparierte Freiheit, die sich auf keine Weise naturalistisch reduzieren lässt und auf der anderen Seite die Freiheit in leiblich vorstrukturierten Impulsen, zu der es wesentlich gehört, sich in konkreten Situationen motivieren zu lassen. Beide Philosophen haben wichtige Beiträge zur phänomenologischen Bildtheorie geleistet und die Summerschool wird der Frage nachgehen, ob dabei Differenzen in der Freiheitsauffassung Unterschiede im Blick auf Bilder motivieren oder erklären.
Die ersten drei Tage des Kurses sind der Lektüre und Diskussion philosophischer Texte gewidmet, einschlägige kunsthistorische Diskussionen werden einbezogen. Es folgt eine zweitägige Tagung zu historischen und aktuellen Aspekten des Themas (https://eikones.ch/veranstaltungen). Die Kurssprache ist Deutsch, passive Deutsch- und Englischkenntnisse werden vorausgesetzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereiten alle Texte vor, sie beteiligen sich aktiv an den Diskussionen und übernehmen jeweils die (Ko-) Leitung einer Sitzung, zu der sie ein Kurzreferat oder einen Kommentar beitragen.
Die Bewerberinnen und Bewerber werden gebeten, in einem Motivationsschreiben (Umfang ca. 350 Wörter) ihr Interesse deutlich zu machen und darin die Anbindungen ihrer eigenen Forschungsarbeiten an das Thema des Kurses zu erläutern.
Bewerbungen von Studierenden im Master- und Doktoratsstudium aus allen thematisch relevanten Fachbereichen sind willkommen.
Der Bewerbung bitten wir einen tabellarischen Lebenslauf beizulegen. Ein genauer Plan der Veranstaltung und die ausgewählten Texte werden nach Ablauf des Auswahlverfahrens zur Verfügung gestellt. eikones übernimmt die Kosten für Unterkunft und Mittagsverpflegung.
Bitte senden Sie Ihre Unterlagen per Email (ein PDF-Dokument, max. 10 MB) bis spätestens 5.06.2017 an eikonesunibas.ch
Leitung: Brigitte Hilmer. Mit Inputs von Malika Maskarinec und Ralph Ubl
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Image and Freedom
Freedom can be a theme in images, or it can become manifest in pictorial practices. But beyond that, is there an inner relation between images and freedom? Do they impede or enable one another?
As a critique of metaphors and ideology, philosophical iconic criticism is usually about the freedom potential of discursive knowledge and well-informed action. It corresponds to an individualistic liberalism, for which the other only comes into consideration as a limit to my freedom. According to the stoic-intellectualist conception, the subject is capable of withdrawing from that which determines and limits it in the world and of acting out of this distance in an unfettered way with regard to it.
How is such freedom possible at all in view of closed causal relations? Is our image of ourselves, according to which we are causally effective in the world because of our free will, mere semblance? Kant’s answer—that freedom understood as autonomy, which moves us into the space of practical norms, escapes the determinism of nature—frees us from this question at the cost of suggesting, in the end, an iconoclastic self-understanding.
Criticizing the iconoclasm of the Kantian conception of autonomy is the point of intervention for an aesthetic expansion of the concept of freedom. Individuals no longer have to unite with others under the laws of freedom because they oppose one another in expressive freedom, in which they grant each other space in a convivial way. Freedom can be understood interactively as play, and in its artistic representation, necessity seems to disappear.
A functionalization of the aesthetic for social and political freedom underestimates, however, its metaphysical problems. If freedom depends on an adequate consciousness of freedom—this was Hegel’s objection—then we should understand artworks as forms of consciousness that make the institutionalization of freedom possible by going beyond it. Art (like religion and philosophy) brings us into a free relation to everyday and historical praxis itself since it models and invites actions that are not purposeful.
Twentieth-century philosophy introduces constitutive semantic and phenomenological differences that understand the image as amphibiously subject to a doubling of the medium and object of the image, of presence and absence. This iconic difference can be read anthropologically as a characteristic of freedom. But in what relation does such an anthropologically understood space of freedom stand to the challenges of extreme and traumatic political and in view of the advances in explaining causal relations in science? Is such a concept of freedom up to these challenges? Do attempts at reorientation have repercussions for image theory?
In the discussion between Jean-Paul Sarte and Maurice Merleau-Ponty, a rigorously articulated concept of freedom—which cannot be reduced naturalistically in any way—stands in opposition to the freedom in corporeal prestructured impulses, which significantly includes oneself being motivated in concrete situations. Both philosophers made important contributions to phenomenological image theory and the summer school will pursue the question of whether differences in the conceptions of freedom motivate or explain differences with regard to images.
The first three days of the course will be devoted to the reading and discussion of philosophical texts; relevant art-historical discussions will be included. A two-day conference on historical and current aspects of the theme will follow the course (https://eikones.ch/veranstaltungen). The course language is German; a passive understanding of German and English is expected. The participants will prepare all the texts beforehand, actively participate in the discussions, and assume (co-)leadership of one session, in which they will offer a short presentation or commentary.
PhD and MA students from all disciplines are welcome to apply.
Applicants are asked to explain their interest in the course and its connections to their own research in a cover letter (ca. 350 words). We ask that you include a CV in the application. A more specific plan of the summer school and the selected texts will be distributed after the application process is complete. Accommodation and lunches will be provided by eikones.
Please send your application by e-mail (one pdf, maximum 10 MB) eikonesunibas.ch by June 5, 2017.
Instructor: Brigitte Hilmer. With inputs from Malika Maskarinec and Ralph Ubl
Reference:
ANN: eikones Summer School (Basel, 11-16 Sep 17). In: ArtHist.net, May 11, 2017 (accessed Jul 15, 2025), <https://arthist.net/archive/15486>.