CFP 07.03.2017

Tierstudien 13/2018. Ökologie

Berlin
Eingabeschluss : 01.08.2017

Jessica Ullrich

Ökologie
Tierstudien, Ausgabe 13/2018
Herausgegeben von Jessica Ullrich

Call for Papers

Das Verständnis von Ökologie hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Auch wenn Ökologie als Denkfigur noch nicht alt ist, hat es sich schon jetzt als besonders dynamisches und historisch wandelbares Konstrukt erwiesen, das derzeit in den Wissenschaften Konjunktur hat.
Die Environmental Humanities etwa sehen ihre Aufgabe darin, kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Ursachen, Folgen und Erzählungen der gegenwärtigen ökologischen Krise aufzuarbeiten. So hat sich beispielsweise in den Literaturwissenschaften mit der Ecocriticism eine Denktradition umweltkritischer Interpretation gebildet, und auch in den Medien- und Filmwissenschaften haben sich mit der Medienökologie oder dem Ecocinema neue Analysemethoden und Gegenstandsbereiche entwickelt.
Die Animal Studies untersuchen hingegen u.a. die Rolle der Tiere bei der anthropologischen Selbstverortung des Menschen sowie die kulturelle Bedeutung der Tiere in einer mit dem Menschen geteilten Umwelt. Gemeinsam ist den Forschungsrichtungen ihre Anthropozentrismuskritik und die grundsätzliche Sorge um das nichtmenschliche Andere. So hat sich z.B. die Tiefenökologie längst von der Vorstellung verabschiedet, dass der Mensch allein zentrale Instanz einer (Neu-)Gestaltung und (Neu-)Bewertung der Umwelt ist.
In der nächsten Ausgabe von Tierstudien soll es also um die naheliegende Verbindung von Ökologie- und Tierfragen gehen. Während die Animal Studies eher individuelle Tiere im Blick haben, fokussieren die verschiedenen akademischen (und aktivistischen) Ökologiebewegungen eher Ökosysteme. Zwar ist den Animal Studies und den Environmental Studies eine Ethik der Verantwortlichkeit gemeinsam, doch bezieht die Ökologiebewegung viele nicht-tierliche Entitäten in die Berücksichtigung ein, so dass es zuweilen zu Kollisionen zwischen Umweltschutz und Tierschutz oder Artenschutz kommen kann, aber auch zu fruchtbaren Begegnungsfeldern und Multispezies-Gemeinschaften.
Um Ökologie und Animal Studies zusammenzubringen, liegen inhaltlich Themen nahe wie: die Bedeutung von Habitaten und deren Gefährdung, Artenschwund bzw. Artensterben, Biodiversität, Nachhaltigkeit und Klimawandel. Es könnte in den Beiträgen für die kommende Ausgabe von Tierstudien z.B. darum gehen, wie das Zusammenleben mit Tieren und anderen Nicht-Menschen in Zeiten ökologischer Krisen und geopolitischer Konflikte gestaltet werden kann bzw. welche Narrationen dazu entwickelt werden. Es könnte danach gefragt werden, wie unter ökologischen Gesichtspunkten Beziehungen zu Tieren aufgebaut und unterhalten werden bzw. welche gegenseitigen Abhängigkeiten bestehen.
Weiterhin interessieren konkrete Fallbeispiele, in denen die Rolle von Tieren für die Aufrechterhaltung eines ökologischen Gleichgewichts deutlich wird, oder Studien zu den unterschiedlichen Vorstellungen von Tieren im sogenannten Anthropozän. Auch könnten innovative ökologische Projekte, die sich dem Schutz von bestimmten Spezies innerhalb ihres Ökosystems verschrieben haben Gegenstand von Beiträgen sein, genauso wie ökologische Artefakte des spekulativen Designs oder nachhaltige soziale Praktiken, die Tiere in den Blick nehmen. Auch suchen wir nach Studien der ökologischen Folgen von Auswilderungsprogrammen oder des tierinvolvierenden Ökotourismus.
Beiträge können sich mit konkreten Auswirkungen von Umweltverschmutzung auf Tiere ebenso beschäftigen wie mit Erzählungen von utopischen oder dystopischen Ökosystemen. Ein anderes Themenfeld wäre die Reflektion darüber, welches Verständnis von Tieren den unterschiedlichen Umweltgruppierungen wie etwa der Environmental Justice-Bewegung zugrunde liegt und mit welchen rhetorischen oder formalen Effekten Tiere in verschiedenen Umweltdebatten als Akteure oder Objekte charakterisiert werden.
Weiterhin können wissenschaftshistorische Beiträge zur Umwertung und Neufassung des Ökologie-Begriffs bzw. seiner Rhetorik und Historizität eingereicht werden. Seit Ernst Haeckels Definition von 1866, nach der Ökologie schlicht die Wechselwirkungen zwischen Lebewesen untereinander und ihrer Umwelt meint, hat der Terminus vielfältige Um- und Neudeutungen erfahren. Gregory Bateson, Félix Guattari, Philipp Descola, Jane Bennett, Rosi Braidotti oder Timothy Morton diskutieren Ökologie nicht einfach als Teilgebiet der Biologie, im Rahmen einer natürlichen Umwelt oder gar im Hinblick auf bloße Konservierung eines scheinbar intakten früheren Zustands, sondern untersuchen Ökologie in ihren komplexen Relationen von Biologie und Technik sowie hinsichtlich sozialer, politischer oder mentaler Konnotationen und Verflechtungen. So ist aktuell gar die Rede von einer „Ökologie ohne Natur“, von queer ecology oder hybrid ecology.
Gegenstand der Beiträge für Tierstudien können daher auch Texte, Kunstwerke, Praktiken oder Theorien sein, die sich repräsentativ, konzeptuell oder materiell mit diesen neuen Ökologiediskursen unter besonderer Berücksichtigung der Tiere auseinandersetzen. Sie können z.B. danach fragen, welches Tierbild sich in den unterschiedlichen ökologischen Konzepten manifestiert und wie sich die Vorstellungen von Tieren durch ökophilosophische Theorien verändert haben. Weiterhin könnten sich Beiträge mit den terminologischen Unterscheidungen oder praktischen Überschneidungen von ‚Umwelt‘ (z.B. in der Definition von Jakob von Uexküll oder als systemtheoretischer Begriff) und ‚Ökologie‘ beschäftigen.
Wir suchen nach Beiträgen aus dem Bereich der Environmental Humanities, des Ecocriticism, der Eco Art bzw. Environmental Art, des Ecocinemas, der Medienökologie, der Biosemiotik, des New Materialism und verwandten Feldern. Aber auch aus anderen, hier nicht aufgeführten Forschungsgebieten sind Beiträge zum Themenkomplex „Tiere und Ökologie“ willkommen.
Abstracts von höchstens 2.000 Zeichen senden Sie bitte bis zum 1. August 2017 an jessica.ullrichneofelis-verlag.de. Die fertigen Texte dürfen eine Länge von bis zu 25.000 Zeichen umfassen (inklusive Leerzeichen und Fußnoten) und müssen bis zum 1. November 2017 abgegeben werden. Danach gehen sie zur Peer Review an den wissenschaftlichen Beirat von Tierstudien, der über die Aufnahme des Beitrags entscheidet. Erscheinungsdatum für die angenommenen Texte ist Anfang April 2018.

Quellennachweis:
CFP: Tierstudien 13/2018. Ökologie. In: ArtHist.net, 07.03.2017. Letzter Zugriff 01.07.2025. <https://arthist.net/archive/14904>.

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