Wenn auch die gesellschaftliche und kunsthistorische Bedeutung der bildenden Künste in der DDR mittlerweile kaum noch ernsthaft bestritten wird – im öffentlichen Raum ist sie heute gleichwohl weitgehend unsichtbar. Das gilt für den ‚Westen‘ Deutschlands wie für die ‚neuen Bundesländer’. Seit dem Gesellschaftsumbruch lagert der größte Teil der in der SBZ und der DDR zwischen 1945 und 1990 geschaffenen Kunstwerke zumeist in Depots. Selbst in der Programmpolitik vieler ostdeutscher Museen, die über umfangreiche und oft sehr qualitätsvolle Kunstbestände aus der DDR verfügen, spielt dieser Besitz nur eine marginale Rolle.
Dabei erlangten die Bilder im Depot – und ihre zeitweise Präsentation in zum Teil spektakulären und hoch umstrittenen Ausstellungen – im „deutsch-deutschen Bilderstreit“ eine symbolische Bedeutung. Diese Kontroverse ist aufs engste mit der Frage nach dem Schicksal der Werke und Sammlungen verkoppelt. Der Bilderstreit erwies sich zudem als ein stellvertretender Diskurs über den gesamten Prozess der Wiedervereinigung.
Die Tagung „Die Wege der Bilder“, veranstaltet vom BMBF-Verbundprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“ in Zusammenarbeit mit dem Dresdner Institut für Kulturstudien, untersucht vor dem Hintergrund dieser Situation erstmals die Sammlungspolitik ostdeutscher Kunst in der DDR. Sie fragt ebenso nach deren musealer Repräsentanz in der Gegenwart und thematisiert die aktuellen Formen des öffentlichen Umgangs zwischen beginnender Akzeptanz und rigoroser Ausblendung. In interdisziplinärer Kooperation werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (Kunstgeschichte, Kultur- und Kunstsoziologie, Zeitgeschichte), darunter ausgewiesene Museumsfachleute, eine historisch-kritische Bestandsaufnahme versuchen.
In der Dresdner Tagung werden die spezifischen Formen des Bildtransfers, die institutionellen Sammlungstypen, die Handlungsspielräume der Akteure wie auch die konkreten „Wege der Bilder“ in die öffentlichen Sammlungen rekonstruiert. Dieses Thema berührt auch die aktuelle, oft genug unter rigiden Sparauflagen stehende Inventarisierungsarbeit und Provenienzforschung im musealen Alltag: Neben der musealen Eigenerwerbung waren in der DDR staatlich finanzierte Ankäufe und kulturpolitisch intendierte „Übereignungen“ entscheidend, die damals oft zu einer lückenhaften und nicht eindeutigen Erfassung der Kunstbestände führten. Insofern erweist sich die differenzierte Analyse der Erwerbspraxis in der DDR auch als grundlegende Voraussetzung musealer Arbeit in Gegenwart und Zukunft und für die Dokumentationsarbeiten des Verbundprojektes.
Veranstalter:
BMBF-Verbundprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“
mit den Partnern: Technische Universität Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Kunstarchiv Beeskow
In Kooperation mit dem Dresdner Institut für Kulturstudien e.V.
Kontakt:
BMBF-Verbundprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“
Institut für Soziologie
Technische Universität Dresden
01062 Dresden
Telefon: 0351/46337452 oder 0351/46337404
Fax: 0351/ 46337113
e-mail: bildatlas-ddrmailbox.tu-dresden.de
www. bildatlastagung.wordpress.com
Tagungsprogramm
Donnerstag, 5. Mai 2011
Ort: Stadtmuseum Dresden, Festsaal
15.00 Uhr
Begrüßung
Karl-Siegbert Rehberg (Wissenschaftlicher Koordinator des BMBF-Verbundprojektes „Bildatlas: Kunst in der DDR“)
15.15 Uhr
Grußworte
15.30 - 18.30 Uhr
Panel I - Deutsche Kunst im Bilderstreit
Moderation: Martin Sabrow (Potsdam)
15.30 – 16.30 Uhr
Joes Segal (Utrecht)
Kulturelle Einbürgerung. Künstlerische Tradition und nationale Identität im wiedervereinigen Deutschland
16.30 - 17.30 Uhr
Karl-Siegbert Rehberg (Dresden):
„Wessis in Weimar“? Museale Sammlungspolitik und skandalisierende Ausstellungen im deutsch-deutschen Bilderstreit (1990-2010)
17.30 – 18.30 Uhr
Ulrich Bischoff (Dresden)
unter Mitarbeit von Kathleen Schröter und Simone Fleischer (Dresden)
Dresden als Bühne der DDR-Kunst. Zur Geschichte und Programmatik der Gemäldegalerie Neue Meister Dresden
Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foyer und Galerie Neue Meister
19.00 Uhr
Grußwort des Generaldirektors der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Prof. Dr. Martin Roth
19.20 – 20.30 Uhr
Führung durch die Galerie Neue Meister mit Schwerpunkt auf der Präsentation von Werken aus der Zeit von 1945 bis heute
Ulrich Bischoff, Birgit Dalbajewa (Dresden)
Freitag, 6. Mai 2011
Ort: Blockhaus Dresden, Festsaal
09.00 -12.30 Uhr
Panel II - Sammlungspolitik:
Erwerbsformen und Sammlungstypen
Moderation: Sigrid Hofer (Marburg)
09.00 – 09.45 Uhr
Paul Kaiser (Dresden)
Andere Wege, andere Orte. Zur Sammlungspolitik ostdeutscher Kunst in und nach der DDR
09.45 – 10.30 Uhr
Jörg Sperling (Cottbus)
Randständige Versuchsanordnungen. Zeitgenössische Kunst aus der DDR im Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus
Pause
11.00 – 11.45 Uhr
Rudolf Hiller von Gaertringen (Leipzig)
Arbeiterklasse und Intelligenz. Die Kunstsammlung der Universität Leipzig im Sozialismus, ihre Entwicklung seit 1989 und ihre Perspektiven
11.45 – 12.30 Uhr
Jérôme Bazin (Amiens)
unter Mitarbeit von Angelika Weißbach (Berlin)
Wie wurden die Bilder bewertet? Honorarordnungen und Preisverhandlungen beim Erwerb von Kunst in der DDR
Pause
14.00 – 16.45 Uhr
Panel III - Sammlungspolitik: Wege der Bilder
Moderation: Bénédicte Savoy (Berlin)
14.00 – 14.45 Uhr
Petra Winter (Berlin)
„Mit dem frischen Strom lebender Kunst“. Ludwig Justi, die Galerie des 20. Jahrhunderts und die Anfänge der Sammlung zur DDR-Kunst in der Berliner Nationalgalerie
14.45 – 15.30 Uhr
Dorit Litt (Bonn)
Verfemte Moderne und späte Nobilitierung. Der lange Weg nonkonformer Kunst zu musealer Präsentation am Beispiel der Galerie Moritzburg Halle
15.30 – 16.15 Uhr
Brigitte Rieger-Jähner (Frankfurt/Oder)
Das Museum Junge Kunst in Frankfurt/Oder – Sammlungsstrategien vor und nach 1989
Pause
17.00 – 19.15 Uhr
Panel IV - Aus der Forschung: Aktuelle Befunde des BMBF-Verbundprojektes
Moderation: Monika Flacke (Berlin)
17.00 – 17.45 Uhr
Präsentation
Christian Heinisch und Paul Kaiser (Dresden)
Das BMBF-Verbundprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“: Programm und Status
17.45 – 18.30 Uhr
Eckhart Gillen (Berlin)
unter Mitarbeit von Tanja Matthes(Beeskow/Dresden:
Der ‚Bitterfelder Weg‘ als Travestie der sowjetischen Kulturrevolution 1928 – Auftragskunst und Bildnerisches Volksschaffen in DDR-Unternehmen (PCK Schwedt, SDAG Wismut, Energiekombinat Cottbus)
18.30 – 19.15 Uhr
Erik Stephan (Jena)
unter Mitarbeit von Claudia Petzold (Dresden):
„Kunst aus der DDR“ in der Kunstsammlung der Stadt Jena – Gründung, Programmatik und Ausblick
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Samstag, 7. Mai 2011
Ort: Blockhaus Dresden, Festsaal
09.00 – 11.00 Uhr
Panel V - Sammlungspolitik: Umbruch und Ausblick
Moderation: Joes Segal (Utrecht)
09.00 – 09.45 Uhr
Anja Tack (Potsdam)
Kunst im Umbruch – ein deutsch-polnischer Vergleich.
09.45 – 10.45 Uhr
Bernd Lindner (Leipzig):
Bildende Kunst zwischen „Lebensmittel“ und „Sperrmüll“. Rezeptionsmuster ostdeutscher Kunst vor und nach 1989
Pause
Öffentliche Podiumsdiskussion
11.00 – 13.00 Uhr
Raus aus den Depots?
Zum Umgang mit der Kunst aus der DDR
am Beispiel Dresdens
mit
Ulrich Bischoff (angefragt), Eckhart Gillen,
Hans Joachim Neidhardt, Karl-Siegbert Rehberg,
Brigitte Rieger-Jähner
Moderation: Paul Kaiser
Reference:
CONF: Die Wege der Bilder (Dresden, 5-7 May 11). In: ArtHist.net, Mar 18, 2011 (accessed Dec 25, 2024), <https://arthist.net/archive/1091>.