CFP May 6, 2013

kritische berichte: Stilfragen / Stilgeschichten

Universität Siegen
Deadline: May 20, 2013

Joseph Imorde

Call for Papers

Stilfragen / Stilgeschichten

kritische berichte 1/2014

Herausgegeben von Joseph Imorde und Jan von Brevern

Stil - das ist der Untote der kunsthistorischen Theoriebildung. Bereits unzählige Male zu Grabe getragen, fährt er fort, das Fach methodisch unsicher zu machen. Dabei hatte alles so gut angefangen. Aus dem legitimen Wunsch heraus, künstlerische Formen und ihre Veränderung zu erklären, waren die großen historischen Entwürfe des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Semper, Burckhard, Riegl, Worringer etc.) vom Ringen mit dem Stilbegriff geprägt. War Stil der Ausdruck von materiellen Gegebenheiten einer bestimmten Zeit? Entstand er aus der Arbeit eines gesellschaftlichen Kollektivs oder wurde er doch durch singuläre Individuen gesetzt?
An solchen Fragen entschied sich, wie Geschichte gedacht und geschrieben werden konnte. Doch was als stark diskutiertes Konzept begann, verkam seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem verkrusteten Klassifikationsinstrument. Im gefürchteten 'Gänsemarsch der Epochen' schien die Kunst dem Stil geradezu ausgeliefert zu sein. Wer auf sich hielt, hielt sich fern vom Stil. "It is now a word to avoid", stellte George Kubler 1979 fest. Das hieß natürlich nichts anderes, als das der Begriff im Untergrund proseminaristischer Indoktrination sein Unwesen trieb. Bezeichnend, dass Rosalind Krauss an der Basis von Konzepten wie Authentizität und Originalität einen unreflektierten, immer noch mächtig wirksamen Stilbegriff ausmachen konnte.
Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Aber parallel zur Fortschreibung heuristischer Stereotype hat der Stilbegriff vor allem in der Literaturwissenschaft neues Interesse auf sich gezogen. Nicht als Klassifikations- und Analysekategorie, sondern als historisches Konzept, das Verhaltens­orientierung bot, Wahrheitsanspruch besaß und das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft modellierte. Wenn wir also vorschlagen, das Heft 1/2014 der kritischen berichte dem Stil zu widmen, dann sicherlich nicht, um einen weiteren Wiederbelebungsversuch der Stilgeschichte zu unternehmen. Eher schon, um die Theoriegeschichte von formalistischen Methoden wie Stilgeschichte oder Kennerschaft besser zu verstehen. Was hat der Stilbegriff in der Kunstgeschichte geleistet, was hat er angerichtet? Vor allem aber möchten wir Anregungen aus der Literaturwissenschaft, aus der Soziologie und der Wissenschafts­geschichte aufgreifen und die historische Funktion von Stil untersuchen.
So bedeutet, um ein Beispiel zu nennen, die Verfügbarwerdung von Stil um 1800 zunächst einen gesellschaftlichen und epistemologischen Umbruch. Sich für einen Stil entscheiden zu können - sei es als Schriftsteller, als Maler oder als Einrichter der eigenen Wohnräume - bedeutete gleichermaßen Freiheit und Zumutung: die Zumutung der Moderne, sich als Individuum selbst definieren zu müssen. Flauberts Suche nach der eigenen Stimme war auch deshalb so verzweifelt, weil mehr auf dem Spiel stand als nur ein mögliches ästhetisches Scheitern. Mit solchen steigenden Anforderungen konnte der Stilbegriff seine alte Funktion der Verhaltensorientierung auf Dauer nicht erfüllen. Hier möchten wir ansetzen und nach dem historischen Ort des Konzepts Stil fragen.

Wir freuen uns über Vorschläge zu knappen oder ausschweifenden, knochentrockenen oder rasanten, belehrenden, unterhaltenden und berührenden Beiträgen in allen drei Stillagen.

Bitte Abstracts oder Ideenskizzen bis zum 20. Mai 2013 an imordekunstgeschichte.uni-siegen.de und jan.brevernfu-berlin.de

Reference:
CFP: kritische berichte: Stilfragen / Stilgeschichten. In: ArtHist.net, May 6, 2013 (accessed Apr 25, 2025), <https://arthist.net/archive/5272>.

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