Internationale Tagung zu Frühneuzeitlichen Bildungsarchitekturen.
Eine außergewöhnliche Bildungseinrichtung des 18. Jahrhunderts waren die Glauchaschen Anstalten, die heutigen Franckeschen Stiftungen, in Halle in Brandenburg-Preußen. Hier wurden junge Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem sozialen Status und ihrem Geschlecht erzogen und ausgebildet. Zu diesem Zweck wurde ein in vier Typen gegliedertes Schulsystem (Elementarschulen, Lateinschule, Königliches Pädagogium, Mädchenschulen) geschaffen, in dem lebensnaher Unterricht, Lehrerausbildung und Begabtenförderung systematisch angewandt wurden. Das zugrundeliegende pietistische Erziehungskonzept ist in den erhaltenen Gebäuden der Stiftungen, die auch heute noch für pädagogische Zwecke genutzt werden, ablesbar. Doch wie außergewöhnlich waren die Stiftungen in einer übergreifenden, vergleichenden und internationalen Perspektive?
Während im Mittelalter und in der frühen Neuzeit der Unterricht oft in ein und demselben Raum im Haus des Lehrers stattfand, sind Schulen heute eigenständige, räumlich differenzierte und hoch spezialisierte Einrichtungen, deren Funktionen und pädagogische Leitlinien sich in der Architektur und inneren Struktur widerspiegeln. Den epochalen Umbruch vom Unterricht in Lehrerhäusern oder in säkularisierten und dann umgewandelten Klöstern zu geplanten und räumlich differenzierten Schulneubauten sieht die Forschung allgemein in der Zeit um 1800. Als ausschlaggebend dafür wird die von der Aufklärung geprägte Reformpädagogik genannt, die sich in der Gründung zukunftsweisender Schulen niederschlug. Ist dieses Paradigma noch aktuell?
Schaut man sich die Forschung an, so gewinnt man den Eindruck, dass es eine Vielzahl lokaler Studien zur Geschichte des Schulbaus vor 1800 gibt, die jedoch bisher - vor allem in internationaler Perspektive - unverbunden nebeneinander stehen. Umfassende und vergleichende Studien zu Schulbauten und Bildungsarchitektur in der Frühen Neuzeit gibt es jedoch kaum. Hermann Langes grundlegendes Buch "Schulbau und Schulverfassung der frühen Neuzeit" von 1967 ist hier immer noch eine zentrale Referenz. Wie kann also eine vergleichende Architekturgeschichte von Schulbauten und Bildungsräumen auf der Basis der Sozial-, Kultur-, Religions- und Bildungsgeschichte konzipiert werden?
Ausgehend von diesen Befunden und Fragestellungen wird sich die internationale Tagung aus interdisziplinärer Perspektive mit der Bildungsarchitektur der Frühen Neuzeit in Theorie und Praxis auseinandersetzen. Zugleich soll ein internationaler Arbeitszusammenhang zum Thema hergestellt werden, der fruchtbare und differenzierte Forschungen in verschiedenen Ländern miteinander verbindet. Dabei kommen sowohl konkrete Architekturbeispiele aus verschiedenen politischen Territorien und religiösen Kulturräumen als auch unterschiedliche Bildungskonzepte in den Blick. Lassen sich eigenständige, differenzierte Entwicklungslinien in der Geschichte des vormodernen Schulbaus ausmachen? Und inwieweit lassen sich Rezeptionen und Adaptionen länder- und kulturübergreifend beschreiben?
Um Anmeldung wird bis zum 10.10.2022 gebeten unter grunewald(at)francke-halle.de.
Tagungsprogramm
Donnerstag, 13. Oktober 2022
13 Uhr Ankunft und Welcome-Kaffee
14 Uhr Begrüßungen
Thomas Müller-Bahlke, Direktor der Franckeschen Stiftungen
Dr. Sebastian Putz, Staatssekretär in der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt
Einführung – Holger Zaunstöck, Halle
Eröffnungsvortrag
Schul-bildend? Ein Blick auf Architekturtheorie und Baupraxis der Frühen Neuzeit – Meinrad von Engelberg, Darmstadt
15.30 Uhr Kaffeepause
Panel I: Frühneuzeitliche Bildungsarchitekturen in internationaler Perspektive, Teil 1
16 Uhr The Early Modern School in England: the architectural resolution of 'state' vs 'private' provision – Maurice Howard, Sussex
16.45 Uhr The architecture of Jesuit Colleges in the Iberian Peninsula – a brief overview – Rui Lobo, Coimbra
17.30 Uhr Erfrischungspause
17.45 Uhr School landscape and school buildings in the Lands of Bohemian Crown in Early Modern Period – Martin Holý, Prag
Freitag, 14. Oktober 2022
Panel I: Frühneuzeitliche Bildungsarchitekturen in internationaler Perspektive, Teil 2
9.30 Uhr Schulen im frühneuzeitlichen Osmanischen Reich: Architektonische, räumliche und organisatorische Aspekte von Bildung in Kairo, Damaskus und Aleppo im 18. Jahrhundert – Stefan Knost, Halle
10.15 Uhr Neuzeitliche Räume jüdischer Bildungseinrichtungen im Wandel –Ulrich Johannes Knufinke, Braunschweig
11.00 Uhr Kaffeepause
11.30 Uhr Das »Malabarische Schul-Gebäude« in Tranquebar, 1741 – Christoph Haar, Löwen
12.15 Uhr Always a teacher – sometimes a building. Schooling in eighteenth-century Denmark – Charlotte Appel, Aarhus
13 Uhr Mittagspause
14.45 Uhr Ein (Schul-)Haus für alle? – Zur Rezeption der Architektur der Franckeschen Stiftungen im US-amerikanischen und deutschsprachigen pädagogischen Diskurs der Sattelzeit – Fanny Isensee/ Daniel Töpper, Berlin
15.30 Uhr Kaffeepause
Panel II – Die Schulstadt Franckesche Stiftungen
16.15 Uhr Die Franckeschen Stiftungen als Schulstadt – Thomas Grunewald, Halle
17 Uhr Schul(innen)räume und Verhaltensnormierung in Franckes Schulstadt – Johannes Süßmann, Paderborn
17.45 Uhr Erfrischungspause
18.30 Uhr Abendvortrag
August Hermann Franckes erfolgreiches Scheitern und die Transformation vom Waisenhaus zur Schulstadt unter Gotthilf August Francke – Thomas Eißing, Bamberg
Empfang (ca. 20 Uhr)
Samstag, 15. Oktober 2022 (ab 9 Uhr Kaffee auf der Veranstaltungsetage, Haus 1)
Panel III – Bildung für alle: Ein frühneuzeitliches Konzept?
9.30 Uhr Konzepte der frühneuzeitlichen Elementarbildung: mit Lesen und Schreiben die Gesellschaft verbessern – Stefan Ehrenpreis, Innsbruck
10.15 Uhr Bildung für alle? Bilder, Bildung und Bildungsarchitekturen in der Frühen Neuzeit – Christoph Fasbender, Chemnitz
11.00 Uhr Kaffeepause
11.30 Uhr Alles Einzigartig? Pädagogische Raumnutzung des Pädagogium Regium im 18. Jahrhundert in Bezug zur Zeit – Michael Rocher, Siegen
Anschließend gemeinsamer, thematischer Spaziergang durch die Franckeschen Stiftungen mit Abschlussdiskussion.
ca. 13.30 Uhr Kaffee und Abschluss der Konferenz
Reference:
CONF: Frühneuzeitlichen Bildungsarchitekturen (Halle, 13-15 Oct 22). In: ArtHist.net, Sep 19, 2022 (accessed Nov 23, 2024), <https://arthist.net/archive/37443>.