eikones Jahrestagung
Zeigen. Die Rhetorik des Sichtbaren
Schaulager, Basel, 15. - 17. November 2007
Mit der Diskussion über die Voraussetzungen und die Reichweite
bildlicher Repräsentation kommt auch das Zeigen auf eine neue Weise
in den Blick. Zwar gehört DEIXIS seit langem zum begrifflichen
Repertoire, vor allem in der Philosophie und Rhetorik, trotzdem
konnte das Zeigen die wissenschaftliche Aufmerksamkeit nicht wirklich
fesseln oder gar die Rolle eines Leitbegriffes übernehmen. Im
Gegenteil: Dem Zeigen haftet etwas Primitives an, eben das
Handgreifliche der Gebärde oder Geste, die Hilfsfunktion eines
Zeigers oder Zeichens. Im Vergleich zur Sprache oder dem Denken
scheint das Zeigen als blosser Verweis weniger komplex zu sein. Erst
die Erkundung des Bildes als ein selbst nicht verbales Symbolsystem
erlaubt es, das Zeigen intensiver zu erforschen. Dabei tritt in den
Blick, dass sein Ursprung im Felde der Sichtbarkeit liegt, dort wo
ein Blick auf eine Sache trifft, die Wahrnehmung auf sich darbietende
Aspekte. Das Zeigen als Lenkung der Wahrnehmung spielt an den Rändern
der Evidenz. Von dort her bildet es Formen des Sichtbaren aus, die
oft nicht in den Blick treten, nicht selbst zum Gegenstand werden.
Diese "Rhetorik des Sichtbaren" oszilliert zwischen Zeigen und Sich-
Zeigen. Das Sehen selbst ist deiktischer Natur. Die Wechselbestimmung
zwischen einer eröffnenden Sicht und einer eröffneten Ansicht ist
aber auch die Achse jeder ikonischen Repräsentation, handelt es sich
nun um innere oder äussere Bilder, um Sprachbilder oder performative
Inszenierungen bzw. um bildlich geprägte Anordnungen, wie z.B.
Museumswände oder Atlanten. So lässt sich die meist verschwommene
Rede von einer "Rhetorik des Bildes" unter dem Vorzeichen der Deixis
rekonstruieren und auf ihre sachliche Tragweite erkunden.
Konzept: Gottfried Boehm, Sebastian Egenhofer, Christian Spies
PROGRAMM
Donnerstag, 15. November 2007
1. Die Theorie bzw. die Philosophie des Zeigens
In dieser Sektion geht es um den Stellenwert des Zeigens im Gange
theoretischer Argumentationen: Nicht nur, wenn es um die fundamentale
Rolle von Sprache, sondern auch wo es um die Bestimmung von Evidenz
geht, bezieht man sich auf deiktische Figuren. In gleichem Masse
interessiert aber auch die Tradition der Rhetorik, die dem Zeigen
eine grosse Wichtigkeit zumass. Schliesslich steht das Zeigen in den
Strukturen des Sichtbaren zur Diskussion, so wie es sich im Bild als
Voraussetzung darbietet.
17.00 - 17.15 Eröffnung: Theodora Vischer, Direktorin
Schaulager
Antonio Loprieno, Rektor der Universität Basel
17.15 - 18.15 Gottfried Boehm: Die Logik des Zeigens
18.15 - 19.15 Günter Figal: Bildpräsenz. Zum deiktischen
Wesen des Sichtbaren
19.30 - 20.30 Gunter Gebauer: Was sich zeigt, kann nicht
gesagt werden. Wittgensteins zwei Konzepte, wie Bilder zeigen
Moderation: Sebastian Egenhofer
Freitag, 16. November 2007
2. Zeigen und Sich-Zeigen
Bilder können nur dadurch etwas anderes zeigen, indem sie auch sich
selbst zeigen. Dieses Spannungsverhältnis ist seit jeher in
künstlerischen Bildern untersucht und ausgetestet worden. Vor allem
ist es der Ort gewesen, an dem sich die künstlerische Arbeit der
Moderne verankert hat. Sie operierte mit der Offenlegung der
materialen Bedingungen des Bildes, mit der Destruktion und
Entgrenzung konventionalisierter Darstellungssysteme. Immer wieder
ging es darum, Zeigen und Sich-Zeigen gegeneinander auszuspielen,
wobei stets deutlich werden musste, dass die Wechselwirkung der
beiden Modi des Zeigens für das Bild unentbehrlich ist.
09.00 - 10.00 Victor Stoichita: Deixis und Geschmack.
Tizians Venusfest
10.00 - 11.00 Yve-Alain Bois: Newman's "End of Silence"
11.00 - 11.30 Kaffeepause
11.30 - 12.30 Martina Dobbe: Für eine Bildtheorie des
Fotografischen
Moderation: Christian Spies
3. Weisen - Beweisen
Der dritte Arbeitsbereich betrifft die Rolle des Zeigens innerhalb
der Wissenschaft, nicht zuletzt einer, die mit mathematischen Mitteln
operiert. Hier ist ein Pathos nüchternen Auf-, Nach- und Be-weises
anzutreffen, z.B. wenn mit anschaulichen Modellen operiert wird, die
einen Sachverhalt mit reduktiven Mitteln einsichtig machen, Diagramme
oder Simulationen deiktische Aufgaben erfüllen. Das klassische
Paradigma einer persuasio, das sich zudem an der Grenze von Kunst und
Wissenschaft bewegt, ist die zentralperspektivische Konstruktion, die
Bilder nach ihren regelhaften Strukturen vorentwirft, aber auch
wissenschaftlichen Anwendungen gedient hat.
14.00 - 15.00 Bernd Mahr: Bilder zeigen Modelle -
Modelle zeigen Bilder
15.00 - 16.00 Hanneke Grootenboer: "The Rhetoric of
Transparency"
16.00 - 16.30 Kaffeepause
16.30 - 17.30 Robin Rehm: Raumzeigen - Raumbilden. Die
Transformation des Perspektivbildes vom stereoskopischen Instrument
zum neuronalen Gebilde
Moderation: Johannes Grave
4. Zeigen und Sagen
Diese Sektion knüpft an den Vergleich zwischen dem Zeigen und der
Sprache an und erweitert sie auf das Feld der Poesie, der Geste und
Gebärde. Zu den paradoxen Möglichkeiten der Poesie gehört es, die
Sprache selbst als eine inhärente "Bildrede" zu gebrauchen. Sie zeigt
oder suggeriert, lässt ihre Imagination im Fortgang der Lektüre
kommen und gehen. Von welcher Deixis muss sprachliche Artikulation
Gebrauch machen, wenn sie glaubwürdig sein will? Auch diese
Problemstellung belegt, dass die geläufige Opposition zwischen Bild
und Sprache durch komplexe Interaktionsverhältnisse ersetzt wird.
17.30 - 18.00 Rüdiger Campe: Zeigen statt Sagen. Kleists
"Jetzt" und "Hier" und die Figuren des Sichtbaren
Samstag, 17. November 2007
09.00 - 10.00 Wolfram Hogrebe: Protodeixis. Was zeigt
sich zuerst?
10.00 - 11.00 Erika Linz/Gisela Fehrmann: Shifting
gestures. Deiktische Verfahren in sprachlicher und visueller
Kommunikation
11.00 - 11.30 Kaffeepause
Moderation: Mladen Gladic
5. Dispositive des Zeigens
Die Kunst- und Wunderkammern sind ein zuletzt viel diskutiertes
Exempel dafür
gewesen, wie Ordnungen bestimmte Sichtbarkeit beinhalten, persuasive
Prozesse initiieren oder zu Ende bringen. Von da aus öffnet sich der
weite Bereich des Sammelns und der inhärenten deiktischen Logiken,
die Bilderatlanten, die Kunstmuseen mit ihren Hängungen, der white
cube oder die der Produktion von Kunst gewidmete factory. Die damit
verbundenen latenten Bildlichkeiten sind Gegenstand der in diesem
Kontext beabsichtigten Debatten.
11.30 - 12.30 Charlotte Klonk: Sichtbar im Kunstmuseum
12.30 - 13.30 Mittagspause
13.30 - 14.30 Patricia Falguières: La requête du tout:
exposer la nature
14.30 - 15.30 Helmar Schramm: Ausblendungen "Theater" als
Dispositiv des Zeigens
Moderation: Nina Samuel
Referentinnen und Referenten
Gottfried Boehm,
Professor für neuere Kunstgeschichte,
Direktor des NFS Bildkritik, Universität Basel
Yve-Alain Bois,
Professor für Kunstgeschichte,
Institute for Advanced Studies, Princeton University
Rüdiger Campe,
Professor für Deutsche Literatur, Johns Hopkins University
(Department of German), Baltimore
Martina Dobbe,
Professorin für Kunstgeschichte,
Fakultät Bildende Künste, Universität der Künste Berlin
Patricia Falguières,
Enseignant chercheur; Professeur agrégé EHESS,
Centre de sociologie du travail et des arts, Ecole des Hautes Etudes en
Sciences Sociales, Paris
Gisela Fehrmann,
Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg "Medien und Kulturelle
Kommunikation", Universität zu Köln
Günter Figal,
Professor für Philosophie,
Philosophisches Seminar der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg
Gunter Gebauer,
Professor für Philosophie,
Institut für Philosophie, Freie Universität Berlin
Hanneke Grootenboer,
Research Leader. Amsterdam School for Cultural Analysis,
Royal Netherlands Academy of Arts and Scienes, Universiteit van
Amsterdam
Wolfram Hogrebe,
Professor für Philosophie, Institut für Philosophie,
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Charlotte Klonk,
Kunstgeschichtliches Seminar, Humboldt-Universität zu Berlin
Erika Linz,
Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg "Medien und Kulturelle
Kommunikation", Universität zu Köln
Bernd Mahr,
Professor für formale Modelle, Logik und Programmierung,
Technische Universität Berlin
Robin Rehm,
Kunsthistorisches Institut, Universität Zürich
Helmar Schramm,
Professor für Theaterwissenschaft,
Institut für Theaterwissenschaft, Freie Universität Berlin
Victor Stoichita,
Professor für Kunstgeschichte,
Département d'histoire de l'art et de musicology, Université de Fribourg
Information
Veranstalter
eikones, Nationaler Forschungsschwerpunkt Bildkritik
in Zusammenarbeit mit Schaulager
Veranstaltungsort
Schaulager, Ruchfeldstrasse 19, CH-4142 Münchenstein/Basel
- ab Bahnhof SBB, Tram Nr.11, (Richtung Aesch) bis Station Schaulager
- ab Badischer Bahnhof, Tram Nr.2 (Richtung Binningen Kronenplatz)
bis Station Bahnhof SBB, umsteigen in Tram Nr.11, (Richtung Aesch)
bis Station Schaulager
Anmeldung erwünscht bis 1. November 2007 bei www.eikones.ch, da die
Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschränkt ist.
Die Teilnahme ist kostenlos. Programmänderungen vorbehalten.
Informationen unter:
www.eikones.ch
www.schaulager.org
Quellennachweis:
CONF: Zeigen. Die Rhetorik des Sichtbaren (Basel, 15-17 Nov 07). In: ArtHist.net, 30.10.2007. Letzter Zugriff 29.04.2024. <https://arthist.net/archive/29726>.