CFP 23.02.2007

The Parallax View (Koeln, 26 Mar 07)

Kai Sicks

[x-post H-Germanistik]

CALL FOR PAPERS

The Parallax View Zur Mediologie der Verschwörung

Konferenz, Köln, 18./19. Oktober 2007
Beitragsdeadline: 26.3.2007

Verschwörungstheorien handeln von Doppelagenten, unsichtbaren Netzwerken
und verdächtigen Objekten. Sie postulieren geheime Dimensionen des
Politischen. Als „Verschwörungstheoretiker“ wird in der Regel der
politische Gegner bezeichnet. In diesem Zusammenhang artikuliert der
Begriff den Vorwurf, dass eine simplifizierende, meist manichäische Logik
und ein pathologisches Denken an die Stelle eines rationalen Diskurses
treten. Was aber, wenn man Verschwörungstheorien als Theorien und somit
als Verfahren der Wissensgenerierung ernst nimmt? Sie weisen dann, so die
These, nicht nur logische und häufig komplexitätssteigernde Züge auf,
sondern auch aufschlussreiche Parallelen zu anderen Formen der Wissens-
und Theoriebildung.

Die spezifische Leistung der Verschwörungstheorie kann dabei als
„Parallaxe“ („parallax view“) begriffen werden. Obwohl ihre Formen der
Beobachtung, Speicherung und Auswertung denen wissenschaftlicher
Vorgehensweisen ähnelt, gewährleistet sie einen fremden Blick auf die
Welt, eine Verschiebung der Perspektive, die neues Wissen generieren kann.
In der Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorie wird überdies deutlich,
dass die Produktion von Wissen grundsätzlich narrativ verfasst ist und
zwischen Fakten und Fiktion oszilliert.

Medien bilden den zentralen Reflexionsgegenstand der Verschwörungstheorie.
Diese thematisiert asymmetrische Wissensbestände unterschiedlicher Gruppen
(Arkanwissen), die Zirkulation von Information und Desinformation zwischen
ihnen (simulatio/dissimulatio/Spionage), Überwachung und verborgene
Kontrolle. Verschwörungstheorie und Medientheorie sind sich insofern
ähnlich, als sie beide Agenten der Wissensproduktion unter der Oberfläche
zu lokalisieren suchen.

Die Tagung nähert sich dem spezifischen Wissen der Verschwörungstheorie
aus drei Perspektiven:

I. Epistemologie der Paranoia
„Ob in der Theorie mehr Wahn enthalten ist, als ich möchte, oder in dem
Wahn mehr Wahrheit, als andere heute glaublich finden“, fragte sich
bereits Sigmund Freud bei der Formulierung seiner Theorie der Paranoia.
Grundlegend gemeinsam ist Theorie und Paranoia der Versuch, Strukturen und
Regelmäßigkeiten zu beobachten sowie Ursache-Wirkungs- Verhältnisse
etablieren und Handlungen zuschreiben zu können. In der Paranoia werden
zwar nicht die Phänomene selbst registriert, ihre wahnhafte Verdopplung
lässt aber die Ordnung erkennbar werden, die ihren symbolischen und
imaginären Verknüpfungen zugrunde liegt. Im Aufschreibesystem des
Verfolgungswahns werden die medialen Formationen, die epistemischen
Bedingungen und die rhetorischen Verfahren, die der Produktion von Wissen
zugrunde liegen, sichtbar.

II. Poetologie des Verdachts
Der Verdacht ist die entscheidende poetologische Figur der
Verschwörungstheorie. Sie erzeugt immer wieder von neuem die Vermutung,
dass sich hinter der sichtbaren Oberfläche der Zeichen eine unsichtbare
Zone, ein „submedialer Raum“ (Groys), befindet, in der Manipulation,
Intrige und Verschwörung wirken. In den Narrativen des Verdachts geht es
nicht mehr primär um die Markierung von Freund und Feind. Stattdessen
beginnt in Anknüpfung an phantastische Motive sich die Grenze zwischen
Subjekt- und Dingwelt aufzulösen. Die Dinge entwickeln ein Eigenleben in
der unheimlichen Ikonographie einer globalen Totalität technischer Medien.

III. Verschwörungskulturen
Verschwörungstheoretische Wissensproduktion trägt zur kulturellen
Differenzierung bei. Sie realisiert einen distinkten „Denkstil“, der nach
Ludwik Fleck durch ein „gerichtetes Wahrnehmen“ gekennzeichnet ist. Am
deutlichsten zeigt sich dies an der Ausbildung so genannter Subkulturen
entlang von paranoiden Szenarien. Die Inszenierung eines übermächtigen
Gegners sowie die Anstrengungen und Gefahren der
verschwörungstheoretischen Recherche dem eigenen Wissen höchste Relevanz,
Exklusivität und somit kulturelle Bindungskraft. Spezifische und hoch
selektive Formen der Wissensgenerierung und der Mediennutzung etablieren
subtile Codes von Andeutungen, von Sagbarkeiten und von plötzlichen
Evidenzen. Die Verschwörungskulturen sehen sich allerdings auch der Gefahr
ausgesetzt, mit dem Verdacht in alle Richtungen jede stillschweigende
kulturelle Voraussetzung und Gemeinsamkeit über kurz oder lang in Frage zu
stellen.

Vorschläge für einen Tagungsbeitrag richten Sie bitte mit einigen
persönlichen Angaben in Form eines Abstracts von ca. einer Seite als
E-Mail-Attachment bis zum 26. März an die Adresse arno.metelinguni-koeln.de.

Universität zu Köln - SFB/FK 427
Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg „Medien und kulturelle
Kommunikation“ Bernhard-Feilchenfeld-Str. 11
50969 Köln

Sabine Hänsgen, Marcus Krause, Arno Meteling, Markus Stauff E-Mail:
arno.metelinguni-koeln.de

Quellennachweis:
CFP: The Parallax View (Koeln, 26 Mar 07). In: ArtHist.net, 23.02.2007. Letzter Zugriff 22.12.2024. <https://arthist.net/archive/28977>.

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