CFP 20.12.2006

Kunstgeschichte - Anthropologie (Eichstaett/Paris)

Kerstin Merkel

Internationales Netzwerk für Kunstgeschichte
5. Internationale Frühjahrsakademie

DIE KUNSTGESCHICHTE UND DIE HERAUSFORDERUNGEN DER ANTHROPOLOGIE

Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, 13.-19. Mai 2007

Call for papers

Das „Internationale Netzwerk für Kunstgeschichte“ widmet seine fünfte
„Internationale Frühjahrsakademie“ dem Thema Kunstgeschichte und
Anthropologie. Die Frühjahrsakademie wird auf Einladung von Prof. Dr.
Michael F. Zimmermann vom 13. bis zum 19. Mai 2007 in Eichstätt (Bayern)
ausgerichtet. Sie bietet jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
ein Forum, um ihre laufenden Forschungen einem internationalen
Fachpublikum vorzustellen und sie mit ausgewiesenen Fachleuten zu
diskutieren. Der Call for papers richtet sich in erster Linie an
Studierende auf den Ausbildungsstufen des Magisters/Masters und der
Promotion. Für die Vorträge werden jeweils 20 Minuten veranschlagt.
Round-table-Gespräche sowie Exkursionen (u.a. nach München) werden das
Programm ergänzen. Reise- und Übernachtungskosten werden in begrenztem
Umfang vom Veranstalter übernommen.

Die Begegnung mit anderen Kulturen verändert die humanistische
Grundausrichtung der Kunstgeschichte und der Bildwissenschaften ebenso wie
den Status der Werke, die diese erforschen. Gauguins Aufbruch nach Tahiti
bezeichnet vielleicht den Wendepunkt einer unumkehrbaren Neuausrichtung.
Die Konfrontation mit den "Anderen" lädt dazu ein, überkommene Konzepte
kultureller Identität und unverbrüchlicher Tradition in Frage zu stellen.
Anthropologie und Ethnologie bieten sich mehr und mehr als Vorbilder für
Diskurse an, von denen die Geistes- und Kulturwissenschaften vielleicht
eher noch fasziniert oder gar besessen als wirklich durchdrungen sind. Für
die Kunstgeschichte, ihrem Profil wie ihren institutionellen Zielen (der
Bewahrung von Kunstwerken und -denkmälern) nach wesentlich ein
konservatives Fach, stellen die anthropologischen Perspektiven seit Aby
Warburg eine Herausforderung dar: sie laden zu anderen Annäherungen an
Werke und Denkmäler ein als zur aktualisierenden Traditionsaneignung; sie
zwingen zu anderen Definitionen der kulturellen Überlieferung als die als
nationales Erbes. Methoden, die im Werk allein die auf Kontinuität und auf
langfristigen kulturellen Konstanten beruhenden Merkmale in den
Vordergrund stellen, sehen sich mit Strategien konfrontiert, deren
Augenmerk dem Heterogenen und dem im jeweiligen kulturellen Kontext
Anachronistischen gilt, das sich der Einordnung in Epochensysteme oder in
Traditionen verweigert.

Themenschwerpunkte Bewerber können sich in ihren Vorschlägen auf diese
Themenkreise beziehen, dies ist jedoch nicht erforderlich.

1. Das Vorbild der Anthropologie: Methode, Herausforderung Stellt die
anthropologische Perspektive die traditionellen Kategorien, durch die die
Kunstgeschichte bei ihrer Auseinandersetzung mit der materiellen Kultur
geleitet wird, in Frage (wie die Qualität, die Einzigartigkeit, die
Originalität etc.)?

2. Mythos als Symptom In welcher Weise sind die abendländischen Mythen der
Schöpfung und des Bildes - etwa die Suche nach dem Gral oder die nach dem
unbekannten Meisterwerk, der Blick des Narziss, die Herausforderung des
Prometheus, die Faszination der Medusa, Schleier und Schein -
symptomatisch für die Macht, die dem Bild in seiner Epoche jeweils
zugeschrieben wird?

3. Anthropologie des Körpers und Anthropologie der Sichtbarkeit Geste,
Bewegung, Farbe, Haltung, Maske, Mimik und Physiognomik beziehen sich auf
eine Anthropologie des Körpers und der Sichtbarkeit. Wie kodieren sie den
Gegensatz von unveränderlicher Natur und kultureller Formung der
Leiblichkeit wie auch des Augensinnes?

4. Ikonen, Reliquien, Fetische - religiöse und rituelle Praktiken Wie
wirkt sich die Perspektive der historischen Anthropologie auf das Studium
der Werke aus, wenn sie diese mit Blick auf ihren Ort in Kult und Ritual
studiert, die Verfahren des Sakralen und der Sakralisierung rekonstruiert,
die Praktiken der Herstellung von Ikonen, Reliquien oder auch von
Fetischen untersucht? Welches Licht werfen die ungemalten
(acheiropoietischen) Bilder auf die anderen?

5. Der Gebrauch der Künste: Anthropologien des Alltäglichen - und des
Außergewöhnlichen Diese Sektion konzentriert sich in zweifacher Hinsicht
auf die Macht der Bilder: In welchen Kontexten hat sich die Kunst, oft in
den abbildenden Strategien von Realismus und Naturalismus, für die
Anthropologie des Alltäglichen bis hin zu gewöhnlichen, ja banalen
Lebenspraktiken interessiert? Wie steht der Inszenierung des "Spektakels"
der Normalität die Konstruktion des Außerordentlichen, des Anomalen, des
Gewaltsamen und Ekstatischen gegenüber?

6. Die Frage nach dem Anderen: vom "Primitivismus" zur Gegenwartskunst Von
der Auseinandersetzung zwischen dem Abendland mit Byzanz und dem Islam bis
hin zur Entdeckung der "primitiven" Kulturen läuft der Austausch stets auf
einen "Transfer", auf eine Übersetzung und Neukodierung, hinaus. Wie hat
sich die abendländische Kultur im Zuge ihrer immer wieder neuen
Projektionen eines "Orients" mit dem Anderen auseinandergesetzt? Unter
dieser Fragestellung sollen Chinoiserie und Japonismus, "Primitivismus"
und "Negerkunst", das Mesoamerika und das Ozeanien der Surrealisten und
die "arts premiers" der "Magier der Erde" betrachtet werden. Wie haben
sich umgekehrt die "Anderen" mit der abendländischen Kultur
auseinandergesetzt, wie tun sie es bis hin zur "global conceptual art"?

7. Anthropologie und Kunstgeschichte: Museen und Ausstellungen Wie
gestaltete sich im Museum und auf Ausstellungen - von den Wunderkammern
bis zu den Welt- und Kolonialausstellungen - die Beziehung zwischen der
Kunst und ihrer Geschichte und von anthropologisch-ethnologischem
Kulturgut? Welchen Status haben zur Zeit der Museen des Anderswo die
volkstümliche und die Alltagskunst in der musealen Landschaft? Welche
Rolle hatten und haben Bilder (von der Druckgraphik bis zur Photographie,
von der Buchillustration zum Film) bei der Entstehung und in der
wissenschaftlichen Praxis der Anthropologie, auch der Ur- und Frühgeschichte?

8. Gegen-Anthropologien? Phantastische Kunst und Anthropomorphien Wie
werden in der phantastischen Kunst und in Werken, die mit anthropomorphen
Wirkungen operieren, die Ideen der Natur und der Kultur gegeneinander ins
Feld geführt und neu ausgehandelt? Im Brückenschlag zu der Sektion über
die Anthropologien des Körpers werden unter dieser Fragestellung die
Inszenierungen der Unterschiedlichkeit betrachtet, also die des Humanen,
das sich gegen essentialistische Humanismen wehrt, bis hin zum Posthumanen
und zu postmoderner Pluralität.

Studierende auf dem Niveau des Magisters/Masters und Doktoranden, die an
der Frühjahrsakademie im Mai 2007 teilnehmen möchten, sind dazu
eingeladen, ihre Bewerbung bis Freitag, den 9. Februar 2007 an die
jeweiligen nationalen Korrespondenten des „Internationalen Netzwerks für
Kunstgeschichte“ zu schicken: Die Adressen finden Sie auf der Website
www.proartibus.net; Einsendungen aus Deutschland adressieren Sie bitte
z.Hd. Dr. Iris Lauterbach, Zentralinstitut für Kunstgeschichte:
I.Lauterbachzikg.lrz-muenchen.de.

Die Bewerbung, die in englischer, französischer, italienischer oder
deutscher Sprache verfasst sein kann, sollte das Exposé für einen Beitrag
enthalten (bis max. 1800 Zeichen oder 300 Wörter) sowie einen kurzen
Lebenslauf (mit Angaben zu den Fremdsprachenkenntnissen und zur
Institution z.B. Universität, von der aus Sie sich bewerben). Wenn es
Ihnen sinnvoll erscheint, können Sie Ihren Vorschlag einen der
aufgeführten Themenbereiche zuordnen! Aus organisatorischen Gründen bitten
wir Sie, bereits in Ihrer Bewerbung die gewünschte Projektionstechnik
anzugeben. Im Februar werden die Vorschläge durch das Organisationskomitee
geprüft. Am 8. März 2007 wird die Liste der angenommenen Vorschläge in der
Website des „Internationalen Netzwerks“ (www.proartibus.net) veröffentlicht.

Um die Thematik und den didaktischen Ansatz der Internationalen
Frühjahrsakademie zu vertiefen, wird den Studierenden der Besuch des
Colloquiums „Histoire de l’art et Anthropologie“ in Paris ermöglicht
werden. Ausgerichtet wird dieses Colloquium durch das CIHA (Comité
International d'Histoire de l'Art) gemeinsam mit dem Musée du Quai Branly
in Partnerschaft mit dem INHA (Institut National d'Histoire de l'Art). Es
findet vom 21. bis zum 23. Juni 2007 in Paris statt.

Dr. habil. Kerstin Merkel
Koordination des Elitestudiengangs "Historische Kunst- und Bilddiskurse"
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ostenstr.26-29; Waisenhaus Raum 201
85072 Eichstätt
Tel. 08421-93 1560

Quellennachweis:
CFP: Kunstgeschichte - Anthropologie (Eichstaett/Paris). In: ArtHist.net, 20.12.2006. Letzter Zugriff 01.05.2024. <https://arthist.net/archive/28835>.

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