CFP 20.03.2002

Kunstdiskurs und weibliche Portraitkultur, 7.-8.03.03, Giessen

Sigrid Ruby

Call for Papers:
Kunstdiskurs und weibliche Portraitkultur noerdlich der Alpen
07./08. Maerz 2003

Eine vielfach zitierte Darstellung aus Albrecht Duerers "Unterweysung der
Messung" (publ. 1538) zeigt den "Zeichner des liegenden Weibes", der
ansetzt, sein Bild vermittels eines Rasters zentralperspektivisch korrekt zu
Papier zu bringen. Das abzubildende Modell ist eine annaehernd nackte Frau,
die in unbequemer Haltung auf dem Tisch des Zeichners posiert. Der weibliche
Koerper fungiert hier nicht nur als Motiv des massgerechten Zeichnens,
sondern zugleich auch als Sinnbild der Zeichenkunst. Einige Jahre spaeter
verfasst der franzoesische Dichter Pierre Ronsard seine "Elegie à Janet"
(publ. 1555). Das Gedicht ist die Beschreibung eines Gemaeldes, das Ronsard
dem Hofmaler Francois Clouet zu malen aufgibt. Es handelt sich um ein
Portrait seiner Geliebten Cassandre, einer "beauté de cour", deren ideale
Schoenheit der Dichter nach petrarkistischer Manier detailliert schildert.
Das in den Versen evozierte imaginative Bild der Frau ist Anlass und
Gegenstand eines paragone, eines fiktiven Wettstreits zwischen Malerei und
Dichtung.

Zwei Stationen eines sich herausbildenden Kunst- und Kuenstlerdiskurses
noerdlich der Alpen, der antike und italienische Vorbilder aufgreift und
damit offenbar auch das Konstrukt vom Bild der schoenen Frau bzw. von der
Frau als schoenes Bild uebernimmt. Wie normativ ist diese Gleichsetzung von
Frau, Schoenheit und Kunst? Welchen Stellenwert hat es fuer die
kuenstlerische Praxis einerseits und fuer soziale Praktiken im Umgang mit
Bildern andererseits? Diese Fragen scheinen fuer den nordalpinen Raum
bislang kaum gestellt zu sein. Um einen Anfang zu machen, will unsere Tagung
vor allem zwei Fragen nachgehen: Inwiefern sind Frauen und ihre
(Selbst-)Darstellungen an der Herausbildung, Weiterentwicklung und
Modifizierung des Kunstdiskurses noerdlich der Alpen beteiligt? Welche
Bedeutungen haben die Frau im Bild und (neue) Vorstellungen von der Frau als
Bild fuer den gesellschaftlichen Status der Frau - und vice versa? Bei den
historischen Frauenfiguren kann es sich um einzelne Kuenstlerinnen,
Maezeninnen, Fuerstinnen, Aebtissinnen u.a., aber auch um weibliche
Interessengruppen, Verbaende und ganz unterschiedlich motivierte
Gemeinschaften von oder mit Frauen aus dem nordalpinen Raum handeln.
Erwuenscht sind Beitraege zu Fallbeispielen, bei denen eine konkrete
weibliche Portrait- bzw. Repraesentationskultur das Spannungsfeld zwischen
Mimesis und Idea, also zwischen unterschiedlichen Darstellungsabsichten und
Realitaetsbezuegen, aufzuzeigen und in seiner sozialen Wirksamkeit zu
diskutieren erlaubt. Besonders willkommen sind Beitraege aus dem Bereich der
Fruehen Neuzeit (16.-18. Jh.).

Um die Zusendung eines Beitragsvorschlags (Titel, abstract von ca. 1-2
Seiten) wird bis zum 1. September 2002 gebeten.

Dr. Sigrid Ruby / Simone Roggendorf M.A.
Kunstgeschichtliches Seminar der JLU Giessen
Otto-Behaghel-Strasse 10 / G
35394 Giessen
Tel.: (0641) 99-28291
Fax: (0641) 99-28289
sigrid.rubygeschichte.uni-giessen.de /
simone.v.roggendorfkunst.geschichte.uni-giessen.de

Quellennachweis:
CFP: Kunstdiskurs und weibliche Portraitkultur, 7.-8.03.03, Giessen. In: ArtHist.net, 20.03.2002. Letzter Zugriff 24.04.2024. <https://arthist.net/archive/24895>.

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