TOC 28.01.2002

Jahrbuch fuer Universitaetsgeschichte, Bd 5/2002

Marie-Lusie Bott

X-Post H-Soz-u-Kult: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de

Jahrbuch fuer Universitaetsgeschichte

Band 5 / 2002

Universitaet und Kunst

Gastherausgeber
Horst Bredekamp, Gabriele Werner

Herausgeber: Ruediger vom Bruch
Redaktion: Marie-Luise Bott
Tel.: (030) 2093 1801
e-mail: bottmlgeschichte.hu-berlin.de

Anschrift der Redaktion:
Prof. Dr. Ruediger vom Bruch
Humboldt-Universitaet zu Berlin
Institut fuer Geschichtswissenschaften
Lehrstuhl fuer Wissenschaftsgeschichte
Unter den Linden 6
D - 10099 Berlin
Tel.: (030) 2093 2870
Fax: (030) 2093 2792
e-mail: vombruchrgeschichte.hu-berlin.de

INHALT

Horst Bredekamp, Gabriele Werner:
Editorial [9

I. Abhandlungen

Detlev Ganten:
Universitaet und Kunst. Der Dreiklang aus Wissenschaft, Kunst und Humanitaet
[13]

Ernst Peter Fischer:
Wissenschaft und Kunst. Ueber die Rolle der Bilder in der Ausuebung und
Vermittlung von Naturwissenschaft [17]

Angela Fischel:
Bildfehler und Fehler der Natur. Bildtheorie und Erkenntnistheorie bei
Ulisse Aldrovandi [41]

Elke Schulze:
"Einfuehrung in die Kunst des Zeichnens zum Zweck bewussten Sehens." Das
Lektorat Akademisches Zeichnen an der Friedrich-Wilhelms-Universitaet [51]

Andrea von Huelsen-Esch:
Gelehrte als uomini famosi in Oberitalien im 14. und 15. Jh. [69]

Kathrin Hoffmann-Curtius:
Das Kriegerdenkmal der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universitaet 1919-1926:
Siegexegese der Niederlage [87]

Johannes Bauer:
Gipsabgusssammlungen an deutschsprachigen Universitaeten. Eine Skizze ihrer
Geschichte und Bedeutung [117]

Andrea Meyer Ludowisy:
The Académie Royale de Peinture et de Sculpture and the native roots of its
didactic traditions [133]

Franz-Joachim Verspohl:
Ueber den "Mangel an Gemaelden und andern Kunstwerken auf deutschen
Universitaeten". Preussische Aufklaerung [151

Gudrun Kuehne, Rainer Dietz:
Kunst und Klinik. Die Galerie der Franz-Volhard-Klinik in Berlin-Buch [163]

Marek Podlasiak:
Paul Ssymank - Chronist der deutschen Studentengeschichte [171]

Patricia Mazón
Die Auswahl der "besseren Elemente". Auslaendische und juedische Studentinnen
und die Zulassung von Frauen an deutschen Universitaeten 1890-1909 [185]

II. Editionen

Folker Reichert:
Max Webers Abschied von Heidelberg [199]

III. Miszellen

Thomas Henne, Carsten Kretschmann:
Friedrich Carl von Savignys Antijudaismus und die 'Nebenpolitik' der
Berliner Universitaet gegen das preussische Emanzipationsedikt von
1812. Anmerkungen zu einem beruehmten Fall der
Universitaetsgerichtsbarkeit. [217]

Michael Borgolte:
Marc Bloch und sein Studium in Berlin [227]

IV. Aus den Universitaetsarchiven

Winfried Schultze:
Nachlaesse im Archiv der Humboldt-Universitaet zu Berlin. Schriftgut
persoenlicher Herkunft als Bereicherung der Verwaltungsakten [233]

V. Rezensionen

Matthias Middell:
Zur Nachkriegsgeschichte deutscher Universitaeten 1945-1949 (Heidelberg,
Freiburg, Bonn) [245]

Matthias Steinbach:
"Die permanente Erfindung einer Tradition." Neuerscheinungen zur Universitaet
Tuebingen in Kaiserreich und Weimarer Republik [247]

Wolfgang Eric Wagner:
"Landesuniversitaet" und "Auslandsstudium". Neue sozialgeschichtliche
Untersuchungen der Universitaetsbesucherschaft im spaetmittelalterlichen Reich
[251]

Klaus Meyer:
Die Universitaetsgeschichte Petersburgs im Streit [255]

Marc Schalenberg:
Finanzierung von Universitaet und Wissenschaft in Vergangenheit und
Gegenwart. Ein Tagungsbericht [258]

Autorenverzeichnis [261]

EDITORIAL

Universitaeten waren seit ihrer Gruendung nicht nur Galerien der
Repraesentation ihrer Mitglieder in Bild und Stein sowie Auftraggeber
fuer die kuenstlerische Ausgestaltung ihrer Raeume, sondern auch, was
weniger bekannt ist, Orte, an denen Kunst gesammelt und ausgestellt
wurde. Zudem schulten Universitaeten ueber Jahrhunderte das
Wahrnehmungsvermoegen und die aesthetische Bildung, indem sie im
Rahmen des Studium generale einen allgemeinen Zeichenunterricht
anboten.

Von diesen vier Hauptfeldern, die das Verhaeltnis von "Universitaet und Kunst"
bestimmt haben, ist die bildliche Wuerdigung bedeutender Forscher und Lehrer
zurueckgegangen, auch die Institution des Universitaetszeichenlehrers findet
sich nur noch an wenigen Universitaeten. Im Rahmen von Kustodien werden an
fast allen Universitaeten weiterhin die Kunstbestaende betreut, vermittelt und
vermehrt. Zudem sind im Verhaeltnis von Kunst und Naturwissenschaften sowie
Medizin neue Begegnungsmoeglichkeiten und Ueberschneidungen hinzugekommen.

Visualisierungstechniken werden auf ihre Tauglichkeit zur Informations- und
Wissensvermittlung von der Kunst und der Wissenschaft gleichermassen erprobt.
Und da sich immer wieder erwiesen hat, daß Kunst und Naturwissenschaften
parallel vorgehen, wurde und wird angenommen, daß die Kunst ein Seismograph
und Kompensator fuer all das sei, was die Naturwissenschaften aus dem Rahmen
ihrer Apriori ausblenden muessen. Dabei scheint offen zu bleiben, ob sie die
Schoenheit und das der Vernunft nicht Zugaengliche nur kryptisch zu
reflektieren bereit seien oder ob ihnen die Idee des Schoenen eine subversive
und engagierte Kategorie innerhalb ihrer eigenen Disziplinen sein koenne.
Detlef Gantens Beitrag und das Interview mit Reiner Dietz sind Dokumente
einer solchen eindringlichen Erwartung an die Kunst von Seiten der Medizin
und der Naturwissenschaften. Ueberdies ist das Feld einer aesthetischen Praxis
hinzugekommen, die, bislang weitgehend unerkannt, aus den Werkstaetten und
Labors selbst stammt. Im selben Maß, in dem sich die Versuchsreihen auf die
Bildschirme der Computer verlagert haben, ist ein Gestaltungswille in die
Welt der Naturwissenschaft gezogen, der es oftmals schwer macht, die Grenzen
zum Design und zur Bildenden Kunst zu ziehen.

Aus diesem Grund schien es geboten, den Themenschwerpunkt des Jahrbuchs zur
Universitaetsgeschichte nicht nur durch die facettenreiche Geschichte der
Verbindung von Universitaet und Kunst an Beispielen schlaglichtartig zu
beleuchten, sondern auch die aktuellen Entwicklungen anzusprechen. Ernst
Peter Fischer beschreibt, wie die Wahrnehmung von Welt bei der Herstellung
eines Weltbildes beginnt und dieses als kulturell-aesthetisches imago vom
kuenstlerischen Bild abhaengt. Um jedoch deutlich zu machen, dass dies kein
ausschliessliches Problem des Medienzeitalters ist, steht der aktuellen
Diskussion ein historisches Beispiel zur Seite. Angela Fischels Analyse des
Bildarchivs von Ulisse Aldrovandi zeigt, wie der kunsttheoretische Blick auf
die technischen Bilder als Arbeits- und Erkenntnismittel die Forschungen zu
den historischen Anfaengen der visuellen Naturphilosophie und Naturgeschichte
aktualisiert hat.

Arma et litterae, Waffe und Buch, koennte als gemeinsames Motto ueber den
historisch weit auseinanderliegenden Beitraegen von Andrea von Huelsen-Esch
und Kathrin Hoffmann-Curtius stehen. Daß der Gelehrte die
militaerische Staerke als zivile Tugend adaptiert und im Herrscherlob
die Waffenstaerke mit der Gelehrsamkeit verbindet, hat in der
Fruehmoderne andere Ursachen als die
kriegerische Propaganda, mit der Professoren der
Friedrich-Wilhelms-Universitaet Revanche fuer den verlorenen ersten
Weltkrieg
dadurch forderten, dass sie unter dem Motto Invictis victi victuri im Jahre
1926 ein Kriegerdenkmal im Universitaetsgarten der heutigen
Humboldt-Universitaet zu Berlin errichteten. Indem beide Beitraege aber von
einer verwandten professoralen Identitaetsgeschichte handeln, werden die
politischen Zwecke deutlich, denen die Allianz zwischen Universitaet und
Kunst dienen konnte.

Dieser Aspekt begleitet auch Johannes Bauers Beitrag zu den
Gipsabgusssammlungen an deutschsprachigen Universitaeten. Er zeigt die
wechselvolle Geschichte der Abguesse antiker Skulpturen fuer die Schulung des
Sehens in der universitaeren Ausbildung. Dieser didaktische Auftrag
beschraenkte sich nicht auf die von den Antiken angesprochenen Faecher der
Klassischen Archaeologie und der Kunstgeschichte. Dies gilt auch fuer die von
Elke Schulze am Beispiel der Berliner Universitaet untersuchte Institution
des Universitaetszeichenlehrers, dessen Aufgabe neben dem Unterricht
für Hoerer aller Fakultaeten vor allem auch in der Zeichenausbildung
der Mediziner und Naturwissenschaftler lag.

In der genauen Darstellungen der Forschungsergebnisse waren Kunst und
Medizin ueber Jahrhunderte enge Verbuendete, und dies galt
gleichfalls fuer alle naturwissenschaftlichen Faecher, denen es um
die visuelle Praegnanz des
Forschens und Darstellens ging. Dabei gab es jedoch immer wieder
Wechselwirkungen zwischen der aesthetischen Darstellung und der Konstruktion
des Bildes der erforschten Ergebnisse. Was von naturwissenschaftlichen
Faechern visualisiert wurde, laesst sich daher kaum von den Stilen und dem
aesthetischen Geschmack der Epochen trennen. Da sich dies bis heute nicht
veraendert hat, waere eine Jahrbuch zum Thema "Universitaet und Kunst" nicht
vollstaendig, wenn diese besondere Verbindung, die dann allerdings eher
"Naturwissenschaft und Kunst" heissen muesste, nicht auch thematisiert wuerde.
Das Jahrbuch wird daher mit diesem Thema eroeffnet und geschlossen.

Zunächst jedoch eroertert Andrea Meyer Ludowisy, mit welchem didaktischen
Programm sich die 1648 gegruendete Académie Royale de Peinture et de
Sculpture von ihren italienischen Vorbildern absetzte und sich
stattdessen auf die intellektuelle Tradition des franzoesischen
Systems einer Hoeheren Bildung
berief. Ein in der Forschung wenig beruecksichtigter Umstand, der
Analphabetismus einer hohen Zahl der Kunststudenten, wird von Meyer Ludowisy
als ein Zentralproblem der theoretischen kunstgeschichtlichen Ausbildung an
der Académie mit markiert.

Die letzten beiden Beitraege sind Beispiele aktuellen Maezenatentums durch
Universitaeten. Ausgehend von einem Artikel, der 1794 in der Berliner
Monatsschrift erschienen war und in dem der Mangel an Kunstwerken in den
damals "beruehmtesten Universitaeten im Protestantischen Deutschlande" -
Goettingen, Halle und Jena - beklagt wird, entwickelt Franz-Joachim Verspohl
die Geschichte der kunsthistorischen Lehre und der Sammlung in Auftrag
gegebener oder angekaufter Kunst an der Universitaet Jena, die bis zu den
"Acht Magnifizenzen" von Anke Doberauer aus dem Jahr 1997 und zu Frank
Stella fuehrt.

In der Universitaetslandschaft Berlins einzigartig sind die kuenstlerischen
Aktivitaeten auf dem Campus Berlin-Buch mit dem Skulpturenpark des
Max-Delbrueck-Centrums fuer Molekularbiologie und mit der nun schon seit vier
Jahren erfolgreich betriebenen Galerie in der Franz-Volhard-Klinik. Gudrun
Kuehnes Beschreibung der Wirkung ihrer Galerietaetigkeit schliesst
den Kreis zu Detlef Gantens einleitenden Worten.

Horst Bredekamp, Gabriele Werner, November 2001
--

Quellennachweis:
TOC: Jahrbuch fuer Universitaetsgeschichte, Bd 5/2002. In: ArtHist.net, 28.01.2002. Letzter Zugriff 26.04.2024. <https://arthist.net/archive/24804>.

^