CFP 24.10.2019

Digitale Transformation der Geisteswissenschaften? (Chemnitz, 22-26 Sep 20)

Technische Universität Chemnitz, 22.–26.09.2020
Eingabeschluss : 01.12.2019

Dr. Ralph Knickmeier

Panel „Digitale Transformation der Geisteswissenschaften? Theoretische und methodologische Provokationen durch die Digital Humanities“

16. Internationaler Kongress 2020 der Deutschen Gesellschaft für Semiotik (DGS) e.V. „Transformationen: Zeichen und ihre Objekte im Wandel“ (Chemnitz, 22. bis 26. September 2020)

Um ihre Ziele zu verwirklichen, organisiert die Deutsche Gesellschaft für Semiotik (DGS) e.V. Tagungen, Kolloquien, Arbeitstreffen, Kurse oder Ringvorlesungen zu den Themen ihrer Sektionen (Arbeitsbereiche). Außerdem richtet die DGS alle drei Jahre einen internationalen Kongress aus. Im Rahmen des 16. Internationalen Kongresses 2020 „Transformationen: Zeichen und ihre Objekte im Wandel“ (Chemnitz, 22. bis 26. September 2020) bittet die Sektion „Digital Humanities“ um Einreichung von Beitragsvorschlägen zu ihrem Panel.

Call for Papers
Digitale Transformationen sind längst schon in den Geisteswissenschaften angekommen. In raschem Tempo entwickelt sich derzeit ein ungeahntes Repertoire an computer- und softwarebasierten Methoden, die Geisteswissenschaftlern neue Perspektiven auf ihren Gegenstandsbereich ermöglichen. Der unter dem Schlagwort „Digital Humanities“ summierte Wandel bietet enormes Potential an praktischen Anwendungen, etwa Digitale Editionen, Virtuelle Ausstellungen, Sammlungsvisualisierungen, begehbare Rekonstruktionen archäologischer Stätten, Big-Data-Analysen historischer Datenbestände, Machine-Learning-Verfahren (z.B. zur Handschriftenerkennung), automatisierte Annotationsmodelle großer Textkorpora und vieles mehr. Mit diesen teils sogar kommerziellen Anwendungskontexten gelten die Digital Humanities manchen schon als „Wunderkind“ der Geisteswissenschaften, als Wachstumsmarkt, der bald zu den Ingenieurswissenschaften aufzuschließen vermag.
Zugleich wächst allerdings die Skepsis. Wissen wir eigentlich, was wir tun, wenn wir Analyseverfahren (oder zumindest einige Schritte davon) an den Computer übergeben? Gerade die hochaktuellen Deep Learning-Verfahren stehen im Ruf, eine Black Box zu sein, bei der die Prinzipien der vorgenommenen Kategorisierung nicht mehr einsichtig sind. Der Trend zur Mustersuche in gewaltigen Korpora oder Datenmengen („Big Data“) steht in den Geisteswissenschaften daher zugleich einer Rückbesinnung auf Theoriebildung und sorgfältige Abwägung der Voraussetzungen gegenüber, die in Methoden und Forschungsdesigns unhintergehbar einfließen.
Es stellt sich also die Frage, ob die Geisteswissenschaften nicht wesentliche Aspekte ihrer Kernkompetenz aufgeben, wenn sie vermehrt Algorithmen und Software in ihre Analyseverfahren einbinden, „close reading“ durch „distant reading“ ersetzen oder eine „cultural analytics“, wie von Lev Manovich vorgeschlagen, auf Zehntausende von Bildern ausdehnen. Doch auch berechtigte Kritik kann die Uhr nicht zurückdrehen: Die neuen Verfahren zeitigen unbestritten relevante Ergebnisse, und die „Humanities“ müssen sich daher damit auseinandersetzen, was das Attribut „Digital“ für sie in Zukunft bedeutet.
Aus semiotischer Perspektive können die neuen softwarebasierten Verfahren als Teilautomatisierung von Prozessen der Analyse und Interpretation aufgefasst werden, die für die Geisteswissenschaften charakteristisch sind. Seit jeher werden hier formale, inhaltliche und stilistische Muster und Regelmäßigkeiten in Texten, Kunstwerken, Artefakten gesucht, und anschließend unter möglichst umfassender Einbeziehung des Kontexts und relevanter Faktoren interpretiert. Skripte, Software-Tools und die Geschwindigkeit moderner Rechner übernehmen den ersten Schritt. Wann schlägt der quantitative Unterschied, etwa aufgrund beschleunigter Suchvorgänge, in eine qualitativ neue Betrachtungsdimension um? Für innovative Präsentationsformen und Artefakte bietet die Semiotik ein Repertoire an Begriffen und Analyseverfahren, um mit komplexen Kombinationen diverser Zeichentypen und Mediatisierungsformen umzugehen. Auch die Veränderung von Rezeptionsformen, die sich etwa beim Wechsel von traditionellen Print- zu modernen Digitalen Editionen ergeben, lässt sich zeichentheoretisch erfassen.

Das Panel lädt vor diesem Hintergrund zur Einreichung von Beiträgen ein, die das transformative Potential der Digital Humanities methodologisch reflektieren, historisch verorten oder in den Auswirkungen auf Theorien und Anwendungskontexte der Geisteswissenschaften erfassen. Als Panel-Gastreferent konnte Prof. Dr. Hubertus Kohle (Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilian-Universität München) gewonnen werden.

Literatur
Martin Siefkes und Ralph Knickmeier (2017), Semiotik als Theorie der Digitalen Geisteswissenschaften. Themenheft der Zeitschrift für Semiotik, 39, 1-2.

Schlagworte
Digital Humanities, Digitalisierung, digitale Transformation, digitale Edition, virtuelle Ausstellung, distant reading, Visualisierung, Rekonstruktion, Methodologie, Semiotik digitaler Medien

Informationen zu Organisation und Ablauf
Der Kongress wird vom 22. bis 26. September 2020 an der Technischen Universität Chemnitz stattfinden. Bitte senden Sie Ihr Abstract weitgehend unformatiert und in einem bearbeitbaren Format (idealerweise Word) an: martin.siefkesphil.tu-chemnitz.de bzw. an R.Knickmeierbelvedere.at. Einsendefrist ist der 1.12.2019. Ihr Abstract soll beinhalten: Titel des Vortrags, Name der Referentin oder des Referenten, Beschreibung des geplanten Vortrags (max. 300 Wörter), Institution, E-Mail-Adresse, Kurzlebenslauf (als Fließtext) und bis zu fünf einschlägige Publikationen der Referentin oder des Referenten.
Die Vorträge sollen eine Länge von 20 Minuten nicht überschreiten. Eine Veröffentlichung ausgewählter Beiträge ist geplant.

Kontakt
Für Fragen stehen Ihnen zur Verfügung: Martin Siefkes (martin.siefkesphil.tu-chemnitz.de) und Ralph Knickmeier (R.Knickmeierbelvedere.at).

Konzeption und Ausrichtung der Konferenz: Ellen Fricke (ellen.frickephil.tu-chemnitz.de), Professur Germanistische Sprachwissenschaft, Semiotik und Multimodale Kommunikation, Technische Universität Chemnitz.
Organisation der Konferenz: Matthias Meiler (matthias.meilerphil.tu-chemnitz.de) und Martin Siefkes (martin.siefkesphil.tu-chemnitz.de) sowie Jana Bressem und Daniel Schöller.

Weitere Informationen finden Sie unter http://www.semiotik.eu/transformationen-2020. Bitte lesen Sie ggf. auch die Calls der anderen Sektionen der DGS.

Quellennachweis:
CFP: Digitale Transformation der Geisteswissenschaften? (Chemnitz, 22-26 Sep 20). In: ArtHist.net, 24.10.2019. Letzter Zugriff 20.05.2024. <https://arthist.net/archive/21906>.

^