21.09.2018

Karl Arndt (1929-2018)

Lisa Roemer, Georg-August-Universität Göttingen

Nachruf auf Karl Arndt (1929-2018)

Das Kunstgeschichtliche Seminar und die Kunstsammlung der Georg-August-Universität Göttingen trauern um den langjährigen Lehrstuhlinhaber Prof. em. Dr. Karl Arndt, der am 10. September 2018 in Emden im Alter von 89 Jahren verstorben ist. In Hannover geboren, wurde Arndt 1956 mit einer Arbeit über Albrecht Dürers Holzschnitte zur Apokalypse in Göttingen promoviert (Dürers Apokalypse. Versuche zur Interpretation). Am selben Ort, dem Göttinger Seminar, an dem er nach einem Aufenthalt am Zentralinstitut in München schon Assistent war, sollte er von 1970 bis zu seiner Emeritierung 1994 Ordinarius für Kunstgeschichte werden und das Institut und seine Außenwahrnehmung für fast 25 Jahre prägen. Seit 1978 war Karl Arndt zudem Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Als eine weit geachtete Autorität hat Karl Arndt das Fach Kunstgeschichte in Deutschland nach 1968 maßgeblich mitgestaltet. Er vertrat das Fach mit universalem Anspruch und öffnete es zugleich für Fragen der politischen Bildpublizistik und des Denkmalkultes. Zunächst waren seine Forschungen noch ganz auf die Frühe Neuzeit ausgerichtet. Er veröffentlichte zu ikonographischen Problemen der altniederländischen Malerei, zu den Landschaftszeichnungen Pieter Bruegel d. Ä. (das Thema seiner Göttinger Habilitation von 1969) und auch immer wieder zu Dürer. Schon Anfang der 1970er Jahre weitete sich sein Themenspektrum und machte ihn zu einem Vertreter der kritischen Kunstgeschichte, was sich auch in seinem Göttinger Lehrprogramm deutlich niederschlug. Er erforschte nun als ein Pionier auf diesem umstrittenen Feld die Problematik des monumentalen Neoklassizismus in der Architektur, Kunst und Denkmalpraxis des Dritten Reiches und regte damit die Diskussion im Fach um die Beschäftigung mit der künstlerischen Relikten totalitärer Systeme nachhaltig an. Schon 1970 veröffentlichte er einen Aufsatz über Filmdokumente des Nationalsozialismus als Quellen für architekturgeschichtliche Forschungen, wandte sich damit dem Medium Film zu, was als ein Indiz für seine unorthodoxe Auffassung der Kunstgeschichte zu werten ist, die sich keineswegs auf die kanonisierten Gegenständen des sog. ‚Hochkunst’ beschränken sollte. Diese Entprivilegierung der Hochkunst findet auch Ausdruck in seinen Forschungen zur politischen Karikatur und Bildpublizistik, namentlich zu William Hogarth, dessen Druckgraphik gerade in Göttingen durch die Kommentare Lichtenbergs eine besondere Wirkungsmacht entfaltet hat. Mit einer Ausstellung zu William Hogarth. Das graphische Werk (1974) setzte auch seine intensive Ausstellungstätigkeit ein, die er aus den Beständen der Göttinger Universitätskunstsammlung zusammen mit Studierenden erarbeitete und organisierte. Hier rückte auch immer mehr die Kunst der Klassischen Moderne in den Fokus seines Interesses, der er sowohl in Lehrveranstaltungen als auch in Ausstellungen etwa zu Kandinsky, Christian Rohlfs, Alfred Kubin, aber auch zum Buch Hiob in der Kunst des 20. Jahrhunderts Aufmerksamkeit zollte. Teilweise waren diese Ausstellungen als Wanderausstellungen für mehrere Stationen in deutschen Museen konzipiert, womit unter Karl Arndt die Studierenden der Kunstgeschichte an die Arbeit mit Originalen, die museale Praxis und das Ausstellungswesen herangeführt wurden.

Während seiner Tätigkeit in Göttingen engagierte er sich zudem immer wieder für die aktuellen Belange des Denkmalschutzes. Die intensive Diskussion um den Denkmalkultus und die Denkmalidee, die sich in den 1970er Jahren an der Historismusdebatte entzündet hatte, hat Karl Arndt entscheidend mitgeprägt. Zahlreiche Publikationen sind der kunsthistorischen Bedeutung von öffentlichen Denkmälern gewidmet und damit einer Bildkultur, die lange unterhalb des Horizonts der akademischen Kunstgeschichte gelaufen war. Hier interessierten ihn vor allem die Künstler- und Gelehrtendenkmäler des 19. Jahrhunderts, etwa das Lessing-Denkmal in Braunschweig, aber auch die Denkmalpolitik der Nationalsozialisten. Weitere kunsthistorische Beiträge galten der Fachgeschichte, namentlich des Göttinger Seminars, und der zeitgenössischen Kunst.

Es ist das Verdienst Karl Arndts, den Umzug der Kunstgeschichte in das alte Gebäude am Nikolausberger Weg 15 realisiert zu haben, wo sie als Vertreterin der Objektfächer der Universität noch heute mit der Klassischen Archäologie, der Frühchristlichen Archäologie und der Vor- und Frühgeschichte angesiedelt ist. Karl Arndt ist für das nationale und internationale Renommee des Göttinger Instituts in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eine Schlüsselfigur gewesen, repräsentierte er doch in Forschung und Lehre die Öffnung des Faches zur kritischen Kunstgeschichte und politischen Ikonologie. Über 50 Dissertationen wurden unter seiner Aufsicht geschrieben, seine Schülerinnen und Schüler sind zahlreich im deutschen Museums-, Denkmalpflege- und Universitätsdienst beschäftigt und gedenken seiner als ein den Studierenden naher und engagierter Lehrer. Das Kunstgeschichtliche Seminar und die Kunstsammlung der Georg-August-Universität Göttingen bewahren das Andenken an Karl Arndt als einen langjährigen Kollegen, bedeutenden Gelehrten und geistreichen Vortragenden. Das Fach Kunstgeschichte verliert mit ihm einen herausragenden Vertreter seiner besten Traditionen und Tugenden.

Michael Thimann, Geschäftsführender Direktor, Kunstgeschichtliches Seminar und Kunstsammlung der Georg-August-Universität Göttingen

Quellennachweis:
Karl Arndt (1929-2018). In: ArtHist.net, 21.09.2018. Letzter Zugriff 19.04.2024. <https://arthist.net/archive/19011>.

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